Wer soll da bloß den Überblick behalten? Nur einen Tag vor der US-Präsidentschaftswahl gibt es 1024 verschiedene Wege, um ins Weiße Haus zu kommen. Vereinfacht gesagt: Da die beiden Kandidaten die Wahlmänner der einzelnen Bundesstaaten gewinnen müssen, geht es darum, möglichst viele und vor allem die richtigen Bundesstaaten zu gewinnen. Je nachdem, wer wo siegreich ist, ergibt sich diese unüberschaubare Summe an Kombinationen, die die "New York Times" in einer Fleißarbeit zusammengetragen hat. Die mit 693 meisten Pfade entfallen dabei auf Hillary Clinton, 315 auf Donald Trump, der Rest würde zu einem Unentschieden führen. Um es anders auszudrücken: Clinton hat noch 315 Möglichkeiten zu verlieren. Die Demokratin geht trotzdem als Favoritin in den Wahltag - welche Staaten dabei entscheidend sein werden und welche Staaten Trump und Clinton gewinnen müssen, um zu siegen.

Bilden die Umfragen Trumps Aufwärtstrend ab?
Die US-Seite "Realclearpolitics" weist darauf hin, dass die Umfragen den jüngsten Aufschwung von Donald Trump noch nicht ganz abbilden könnten, und in einigen anderen Erhebungen die Republikaner methodenbedingt benachteiligt werden. Auch wenn die daraus ergebenen Abweichungen nur ein, zwei Prozentpunkte betragen, sie könnten angesichts des knappen Rennens entscheidend werden. Daneben gibt es eine Theorie, die besagt, es gebe noch viele "verschämte" Trump-Unterstützer, die sich in Umfragen nicht zu ihrem Kandidaten bekennen wollen. Die Ergebnisse aus den Vorwahlen aber sprechen dagegen. Dort lag Trump in den Vorab-Erhebungen im Schnitt nur ein Prozent hinter den tatsächlichen Ergebnissen.
In den aktuellen, landesweiten Umfragen liegt Clinton drei Prozent vor ihrem Konkurrenten. In den entscheidenden Bundesstaaten sind die beiden noch näher beisammen. Besonders wichtig sind Florida, Pennsylvania, North Carolina, Colorado und New Hampshire - und da fängt die Rechnerei an.
Die besonders umkämpften Bundesstaaten im Überblick:
- Florida (29 Wahlleute, Umfrageschnitt: Clinton 47,4 Prozent, Trump 46,2 Prozent)
Seitdem in Florida im Jahr 2000 wochenlang die Stimmen von George W. Bush und Al Gore erneut ausgezählt wurden und Bush schließlich mit 537 Stimmen vorne lag, ist klar: Die Entscheidungen hier sind oft besonders eng. Donald Trump setzt stark auf Florida, ohne die vielen Wahlleute dort würde es für ihn sehr schwer zu gewinnen. Wegen des hohen Latino-Anteils müsste er eigentlich im Hintertreffen liegen, denn seit den Forderungen nach einer Mauer gegen mexikanische Einwanderer, ist er bei denen extrem unbeliebt. Sein Vorteil ist aber, dass in Florida eher konservative Latinos leben, viele davon ursprünglich aus Kuba. Sie scheinen für ihn besser erreichbar.

- Pennsylvania (20 Wahlleute, Umfrageschnitt: Clinton 46,3, Trump 43,6)
Pennsylvania wird zwar zu den klassischen Swing States gezählt, spielte aber selten eine entscheidende Rolle. Das ist in diesem Jahr anders. Viele Wahlforscher sagen: Wer diesen Staat gewinnt, gewinnt die Wahl. Pennsylvania, im Nordosten der USA, liegt im so genannten Rust Belt, der früher stark von der Industrie geprägt war. Heute leidet der Staat unter dem Wegfall Tausender Stellen, das wirtschaftliche Klima ist schlecht. Trump hat versucht, daraus für seinen Wahlkampf Kapital zu schlagen, Clinton hat mit Macht dagegen gehalten.
- North Carolina (15 Wahlleute, Umfrageschnitt: Clinton 45,8, Trump 47,3)
In North Carolina zeigt sich besonders gut, ob die Strategien der beiden Wahlkampfteams aufgehen: Kann Donald Trump die oft eher abstimmungsfaulen weißen Wähler der Arbeiterklasse zum Gang an die Urnen motivieren oder haben die massiv geschalteten Wahlwerbespots von Hillary Clinton mehr Erfolg? 2012 gewann der Republikaner Mitt Romney hier knapp und Donald Trump hat ohne den Staat kaum eine Chance auf den Sieg. Die dort lebenden Bevölkerungsgruppen sind denen anderer Staaten zu ähnlich - würde er hier verlieren, dann ziemlich sicher auch in anderen Staaten mit ähnlicher demografischer Zusammensetzung.

- Colorado (9 Wahlleute, Umfrageschnitt: Clinton 43,3, Trump 40,4)
Rund um die Hauptstadt Denver hat der Bundesstaat Colorado in den letzten Jahren einen kleinen Boom erlebt. Viele gut gebildete und junge Menschen sind hierher gezogen, weshalb sich die Demokraten um Hillary Clinton dieses Mal hier mehr Hoffnungen als früher machen. Barack Obama hat hier jeweils knapp gewonnen, jetzt könnte es deutlicher werden. Damit ginge der Staat zum ersten Mal in über einem Jahrhundert in drei aufeinanderfolgenden Wahlen an die Demokraten.
- New Hampshire (4 Wahlleute, Umfrageschnitt: Clinton 41,8, Trump 43,4)
Im traditionell demokratischen Nordosten liegt New Hampshire. Lange sah es so aus, als ob Clinton hier sicher siegen würde, doch die Umfragen sind enger geworden, noch am Montag ist deshalb Präsident Barack Obama dort aufgetreten, um Wähler auf Clintons Seite zu ziehen. Auch in dem Staat leben besonders viele Weiße ohne College-Abschluss - das sind Trumps stärkste Befürworter. Sollte Clinton verlieren, könnte sie den Staat aber mit Nevada ersetzen, wo wiederum die Demokraten anders als üblich gute Chancen haben und erste Berichte unter Briefwählern für Clinton sprechen.
Wie Donald Trump und Hillary Clinton also gewinnen können:
Bei vielen Wahlforschern gilt Florida als zentraler Bundesstaat. Gewinnt Clinton dort, reicht ihr ein Sieg in Pennsylvania plus in North Carolina oder Virginia oder Wisconsin oder Colorado.
Verliert Clinton in Florida, braucht sie Pennsylvania und North Carolina und Virginia und Wisconsin, hätte aber auch noch andere Möglichkeiten.
Trumps direktester Weg wären Siege in Florida, Pennsylvania, Ohio und North Carolina oder Virginia. Gelingt das so nicht, wird es kompliziert. Dann kommen auch Wisconsin, Colorado und Iowa ins Spiel.