CDU und FDP können nach Angaben der Landeswahlleitung in Schleswig-Holstein vom Montagmorgen mit einer knappen Mehrheit regieren. Das voraussichtliche schwarz-gelbe Bündnis profitierte dabei von Überhangmandaten der Christdemokraten. Heftige Verluste bei der vorgezogenen Landtagswahl für die CDU von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, die ihr schlechtestes Ergebnis seit fast 60 Jahren einfuhr, wurden von den großen Gewinnen der FDP wettgemacht, die auf einen historischen Höchstwert stieg.
Die SPD mit Ralf Stegner an der Spitze - bis zum Bruch der Großen Koalition im Juli Regierungspartner der CDU - fällt auf das schlechteste Ergebnis in der Nachkriegszeit zurück. Die Linke zieht erstmals in das Landesparlament ein, das sechs Fraktionen umfasst. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erreichen CDU und FDP einschließlich Überhangmandaten gemeinsam 49 Sitze im Landtag, SPD, Grüne, Linke und SSW kommen zusammen auf 46 Sitze. Die von der Fünf-Prozent- Klausel befreite Partei der dänischen Minderheit - der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) - zieht dabei mit 4 Abgeordneten in den Landtag ein. Bisher war die CDU mit 30 Sitzen im 69 Abgeordnete zählenden Landtag vertreten, die SPD kam auf 29. FDP und Grüne stellten jeweils vier Vertreter, der SSW zwei.
Die CDU im Norden
Bis Sonntag galt Peter Harry Carstensen als Erfolgsgarant für die schleswig-holsteinische CDU - nun steht sein Name für einen klaren Misserfolg. Frustrierende rund 31 Prozent verhießen die ersten Hochrechnungen der CDU. Die Partei unterbot damit sogar das Ergebnis von 1988 (33,3 Prozent), als die CDU nach dem Barschel/Pfeiffer-Skandal des Vorjahres am Boden lag und in einer dramatischen Vertrauenskrise steckte. Selbst 2002, mitten in der Spendenaffäre der Bundes-CDU, gab es im Land noch 35,2 Prozent.
FDP überraschend stark
Die CDU kommt gemäß dem Endergebnis auf 31,5 Prozent, nach 40,2 Prozent bei der Wahl 2005. Die SPD fällt auf den historischen Tiefstand von 25,4 Prozent (38,7). Ihr bestes Landtagswahlergebnis in Schleswig-Holstein erreicht die FDP mit 14,9 (6,6). Die Grünen legen ebenfalls auf ihr bestes Ergebnis von 12,4 Prozent (6,2) zu. Die Linken kommen auf 6,0 Prozent der Stimmen (0,8 PDS). Für den SSW, von der Fünf-Prozent-Klausel befreit, stimmen 4,3 Prozent der Wähler.
Trotz der starken CDU-Verluste äußerte sich Carstensen positiv: "Es ist knapp, aber es sieht so aus: Wir haben unser Wahlziel erreicht." Er gehe davon aus, dass die CDU mit der FDP das Land regieren kann. "Das ist gut für uns, und das ist gut für unser Land."
Stegner zeigte sich enttäuscht. "Das ist heute ein bitterer Tag für die Sozialdemokratie. Wir hatten eine extrem schwere Ausgangslage durch den Koalitionsbruch." Die SPD sei darauf eingestellt gewesen, im Mai zu wählen. Zudem sei es bei einer historischer Niederlage im Bund unmöglich, im Norden deutlich anders abzuschneiden. "Wir werden uns Gedanken machen müssen", kündigte Stegner an.
Die Überhangmandate - auf norddeutsch
Die in der schleswig-holsteinischen Landesverfassung enthaltene Regelung zu Überhang- und Ausgleichsmandaten ist eine norddeutsche Besonderheit und rechtlich umstritten. Sie könnte nach Einschätzung der Neuen Richtervereinigung in Schleswig-Holstein zu einem Legitimationsdefizit des neuen Parlamentes führen.
Generell entstehen Überhangmandate, wenn eine Partei bei einer Wahl in den Wahlkreisen mehr Mandate direkt erobert, als ihr nach dem Anteil an Zweitstimmen zustehen. Im nördlichsten Bundesland werden seit einer Verkleinerung des Landtages deutlich mehr als die Hälfte der Sitze - also 40 von 69 - als Direktmandate vergeben, beschreibt die Richtervereinigung. Hinzu kommt die Erweiterung von fünf auf sechs Parteien im Parlament.
Bei einem knappen Wahlausgang wie an diesem Sonntag mit vermutlich vielen Überhangmandaten können von der Auslegung dieser Vorschriften Mehrheiten abhängen.
Auswirkung auf den Bundesrat
Die Spitzenkandidaten der Grünen, Robert Habeck und Monika Heinold, äußerten sich erfreut. "Das ist ein großer Erfolg", sagte Heinold. Habeck erklärte: "Wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht, werden wir mit allen Gespräche führen."
Der SSW zeigte sich zufrieden. "Wir haben unser Wahlziel erreicht, mit drei Abgeordneten im neuen Landtag vertreten zu sein", sagte die Fraktionsvorsitzende Anke Spoorendonk.
"Wir haben ein großartiges Ergebnis eingefahren", sagte die Spitzenkandidatin der Linken, Antje Jansen. Die Menschen in Schleswig-Holstein hätten für die Partei gestimmt, da im Land bisher zu wenig "in Richtung soziale Gerechtigkeit passiert ist".
Eine Regierungskoalition von CDU und FDP hätte Auswirkungen auf den Bundesrat. Einschließlich der jüngsten schwarz-gelben Koalition in Sachsen kommen Union und FDP auf 33 der 69 Stimmen in der Länderkammer. Mit den vier Stimmen aus Schleswig-Holstein wären es 37, die Mehrheit liegt bei 35 Stimmen.
Die Wahlbeteiligung lag bei 74,5 Prozent. 2005 war sie auf den historischen Tiefstand von 66,5 Prozent gerutscht. 13 Parteien bewarben sich um die Stimmen der rund 2,2 Millionen Wahlberechtigten im nördlichsten Bundesland. Die CDU hatte die große Koalition in Kiel nach Auseinandersetzungen zwischen den Parteien und vor allem zwischen Carstensen und Stegner - der bis zu einer Regierungskrise 2007 Innenminister war und dann SPD-Fraktionschef wurde - aufgekündigt.