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Blitzeis hält Bahnreisende fest Die unendlich lange Nacht im Intercity 2203

"Alle reden vom Wetter. Wir nicht" - mit diesem Slogan hat die Bahn lange geworben. Nun hat Eisregen in Ostfriesland einen Zug mit 600 Passagieren lahmgelegt. Für die Fahrgäste begann eine nervenaufreibende Odyssee.

Nach ihrem Silvesterurlaub an der Nordseeküste oder auf der Insel Norderney sind Hunderte Bahnreisende auf eine harte Nervenprobe gestellt worden. Eigentlich sollte ihr IC 2203 am Sonntag um 11.36 Uhr von Norddeich Mole in Richtung Köln aufbrechen. Vereiste Oberleitungen brachten den ohnehin etwa drei Stunden zu spät gestarteten Zug jedoch schon vor Emden auf einem Feld zum Stehen. Die etwa 600 Fahrgäste - darunter auch 30 Kinder - ahnten in dem Moment noch nicht, dass sie noch mehr als 20 Stunden später im Zug sitzen sollten.

Am Sonntagabend konnte eine Ersatzlokomotive den gestrandeten Intercity zum kleinen Bahnhof Marienhafe bringen, wo Helfer des Deutschen Roten Kreuzes die Gestrandeten mit Decken und Essen versorgten. Wegen der Straßenglätte sahen sich nach Bahnangaben keine Busunternehmer oder Taxis in der Lage, die Menschen abzuholen. Deshalb wurde der Zug zurück nach Norddeich geschleppt. Die Passagiere verbrachten die Nacht in ihren Abteilen oder auf Feldbetten in der Wartehalle der Fährgesellschaft.

Auch der Berliner CDU-Lokalpolitiker Thorsten Schatz steckte fest. "Zugreisende teilen sich zu zweit oder zu dritt eine Pritsche im Abteil. Dank kuscheliger DRK-Decken ist es zumindest nicht kalt", twitterte er in der Nacht aus dem "Hotelzug". Am Morgen sagte der Politiker der Deutschen Presse-Agentur: "Die Stimmung war die ganze Zeit gut, die Heizung lief ja im Zug und man hat sich gegenseitig geholfen." Leider seien von der Bahn keine Informationen gekommen, ob man zum Beispiel ein Hotelzimmer nehmen könne.

"Aber in Russland fahren die Züge"

Als es am Morgen wieder zu Verzögerungen kam, sei die Stimmung gekippt, erzählte Fahrgast Maximilian Mühlens, der Silvester auf Norderney gefeiert hatte. "Hier ist es spiegelglatt. Aber in Russland fahren die Züge ja auch", sagte der Student aus Bonn. "Warum das bei der Bahn nicht klappt, ist mir ein Rätsel."

Wie ein DB-Sprecher erklärte, hatte sich wegen starken Eisregens eine Eisschicht um die Oberleitung gebildet, die die Fahrt des elektrischen Zuges unmöglich machte. In einer so massiven Form sei das Problem selten. Normalerweise schrubbten die Züge mit ihren Stromabnehmern Eis und Schnee von der Oberleitung ab. Eine Möglichkeit, diese zu beheizen, gebe es nicht. 

Arne Goerndt verpasste aufgrund des Blitzeis-Chaos sogar seinen ersten Arbeitstag im neuen Jahr. Der in Bonn lebende IT-Techniker wuchs auf Norderney auf und besuchte dort mit seiner Freundin seine Familie. "Meine Freundin werde ich nie wieder überreden können, Zug zu fahren", sagte der 50-Jährige. Die DRK-Helfer hätten die Menschen vorbildlich betreut. Unter den Fahrgästen waren auch Diabetiker. An den Nerven kratzte Goerndt zufolge vor allem das Hin und Her. "Es war eine richtige Odyssee."

Christina Sticht und Michael Evers/DPA

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