Der technische Fortschritt birgt auch ein Dilemma: Die zunehmende Automatisierung im Cockpit und stärkere und zuverlässigere Triebwerke haben das Fliegen sicherer und effizienter gemacht - aber nicht unbedingt schneller. Dagegen sind die Flugzeiten über die vergangenen Jahrzehnte fast gleichgeblieben.
Aber Fliegen ist immer billiger geworden: Noch nie waren Flugtickets so günstig zu kaufen. Die Airlines haben Einsparpotenziale entdeckt und die Kosten extrem reduziert, oft zu Lasten des Kunden. Dabei stiegen die Preise für Kerosin, eine der Hauptausgaben von Fluggesellschaften, teilweise um das Zehnfache: von 0,26 Cent pro Gallone im Jahre 1998 auf 2,55 Euro im August 2012. Im Moment liegt der Preis bei 1,41 Euro pro Gallone. Deshalb haben Controller ihre Piloten angewiesen, mit dem Schubhebel kein Vollgas mehr zu geben - sparen ist angesagt. Oder anders gesagt: langsamer fliegen.
Langsamer fliegen, um Treibstoff zu sparen
Veröffentlichungen englischsprachiger Medien wie dem "Business Insider" führen Beispiele an, dass sich inneramerikanische Flüge durch diese Maßnahmen zeitlich verlängert haben. "Die US-Airline Southwest schätzt ihre Einsparungen durch Verlängerung von ein bis drei Minuten pro Flug auf 21 Millionen Euro pro Jahr ein", schreibt die "Daily Mail".
In der Tat könnten auch in Europa die Flüge kürzer ausfallen, wenn es einen einheitlichen Luftraum gäbe. Durch die Fragmentierung in zu viele nationale Flugsicherungszonen müssen die Maschinen Umwege fliegen: Der Single European Sky, ein Projekt der Europäischen Kommission, liegt noch in weiter Ferne.
Zusätzlich sorgen überlastete Flugsektoren und Wetterumstände für Verspätungen, die bei der Erstellung von Flugplänen berücksichtigt werden. Doch eine Stichprobe der Flugzeiten über einen Zeitraum von 30 Jahren bei Flügen der Lufthansa zeigt kaum Veränderungen. Nur nach New York dauern die Flüge etwas länger.
Flugzeiten der Lufthansa
Flugstrecke | 1987 | 1997 | 2017 |
München-Paris | 1:35h | 1:35h | 1:35h |
Hamburg-München | 1:15h | 1:15h | 1:15h |
Frankfurt-Istanbul | 2:50h | 3:00h | 2:55h |
Frankfurt-JFK | 8:35h | 8:45h | 8:50h |
Über dem Nordatlantik werden sich die Flugzeiten in Richtung Westen eher noch verlängern. Ursache dafür sieht der britische Atmosphärenforscher Paul Williams im Klimawandel. In seiner Studie "Transatlantic flight times and climate change" kommt er zu dem Schluss, dass ein stärkerer Jetstream, also Winde in größeren Höhen, die Flugzeiten von Europa aus verlängern, in umgekehrte Richtung zwar verkürzen, aber den Mehraufwand an Treibstoff beim Hinflug nicht wettmachen. Auf alle Transatlantikflüge hochgerechnet ergeben sich daher 2000 zusätzliche Flugstunden pro Jahr.
Endlose Rollwege
Flüge können allerdings auch länger dauern, weil wir mehr Zeit am Boden verbringen - im Flugzeug wartend. Was sich wie ein Widerspruch anhört, liegt an der Tatsache, dass es zu Staus an der Startbahn kommt, das geplante Gate bei der Landung noch besetzt oder der Rollweg - wie zum Beispiel bei der Polderbaan in Amsterdam-Schiphol - extrem lang ist. Passagiere glauben zu ihrem Ziel schon auf dem Landweg zu fahren, bis die Maschine endlich abgehoben hat.
Ein ähnliches Phänomen ergibt sich in Madrid-Barajas: Dorthin hat Eurowings alle Verbindungen ab Deutschland gestrichen, weil die Rollzeiten überproportional lang sind. Ein Flugzeug am Boden verdient bekanntlich kein Geld.
Höher flog nur die Concorde
Wir fliegen auch nicht höher. Mit Ausnahme der Concorde, die bis zum Jahr 2003 zwischen Europa und Zielen in den USA mit Überschallgeschwindigkeit von Mach 2 und in 18 Kilometern Höhe unterwegs war, hat sich an der normalen Reiseflughöhe von Jets zwischen 10.000 und 13.000 Metern kaum etwas geändert.
Denn die im Piloten-Jargon berüchtigte Coffin Corner, wenn sich in großer Flughöhe Mindest- und Maximalgeschwindigkeit annähern, setzt physikalische Grenzen, um keinen Strömungsabriss zu riskieren. Bei Berechnungen der Flughöhe sind neben Gewicht und Geschwindigkeit auch Anstellwinkel und Aerodynamik der Maschine entscheidend. Viel Spielraum nach oben gibt es nicht.
Häufiger umsteigen statt nonstop
Aus einem anderen Grund sitzen wir länger in Flugzeugen. In Richtung Asien hat sich für Millionen Reisende die Dauer von Flugreisen bereits verlängert. Durch das massive Angebot der arabischen Fluglinien geht ein großer Teil der Passagierströme über die Flughäfen der Golfstaaten. Das Umsteigen in Dubai oder Doha auf dem Weg nach Südostasien kostet aber deutlich mehr Zeit als nonstop zu fliegen.
Fluggäste nehmen geografische Umwege in Kauf, weil sie sparen möchten. Statt nonstop von Frankfurt nach Johannesburg oder Kapstadt zu fliegen, geht es über Istanbul oder die Golfstaaten nach Südafrika.
Wir fliegen nicht schneller, sondern weiter
Fluggesellschaften überbieten sich mit Ankündigungen immer längerer Nonstop-Flüge. Rekordhalter Emirates mit dem Flug von Auckland nach Dubai wird jetzt von einem Dreamliner-Flug der Air India übertroffen, der die 15.300 Kilometer lange Strecke Delhi - San Francisco in 15 Stunden zurücklegt.
Der Trick dabei: Statt den kürzeren Weg über den Atlantik zu nutzen, fliegt die Boeing 787 auf dem Hinflug ostwärts die längere Pazifikroute und nutzt dabei geschickt die Winde aus: Statt gegen den Wind in Richtung Westen zu fliegen, erhöht so Rückenwind die Reisegeschwindigkeit des Flugzeuges von 900 auf 938 Stundenkilometer.
Noch länger ist jetzt der Flug von Singapore Airlines vom Stadtstaat am Äquator bis nach New York. Bis zu 18 Stunden ist der Airbus A350-900 ULR in der Luft sein. Klar, diese Flüge werden nicht nur immer länger, sondern wir überwinden auch größere Entfernungen ohne Umsteigen. Ultra-Langstreckenflugzeuge machen es möglich.
Der Siegeszug der Billigflieger
Tatsächlich hat sich seit der Jahrtausendwende das Flugangebot, insbesondere von nonstop beflogenen Strecken zwischen Städten, enorm verbessert. Gerade durch den Siegeszug der Billigflieger in Europa ist die Auswahl riesig geworden und Umsteigen gehört der Vergangenheit an. Entfernungen sind subjektiv geschrumpft.
Wir fliegen nicht länger oder höher, sondern weiter - und viel häufiger und billiger.
