Nach dem Abzug des Sturmtiefs "Xynthia" hat am Montag in ganz Deutschland das große Aufräumen begonnen. Bahn- und Luftverkehr liefen langsam wieder an, litten aber noch immer unter den Auswirkungen der Probleme des Sonntags. Zumindest auf den Hauptstrecken konnte der Fernbahnverkehr in Deutschland am Montagmorgen wieder aufgenommen worden. Es sei gelungen, die Strecken von den Folgen des Orkantiefs zu befreien, sagte ein Bahnsprecher. Auch der Flughafenbahnhof Frankfurt/Main werde wieder angefahren. Trotzdem gebe es vor allem im Regionalbahnverkehr noch erhebliche Beeinträchtigungen. Diese beträfen weiterhin Nordrhein-Westfalen, wo der Schienenverkehr am Sonntag zum Erliegen gekommen war. Es gebe Einschränkungen beispielsweise im Grenzlandverkehr bei Aachen, in der Region Köln, bei Duisburg oder Kaltenkirchen. Auch bei der Rhein-Ruhr-S-Bahn werde es Verspätungen geben.
Bis zum frühen Nachmittag sollen Fernzüge wieder planmäßig fahren, sagte ein Bahnsprecher jetzt in Berlin. Dafür mussten viele Züge, die in der Sturmnacht gestoppt worden waren, erst an die für ihre Linie vorgesehenen Standorte im Netz gebracht werden. Im Regionalverkehr gab es in besonders von Sturmschäden betroffenen Gebieten in Nordrhein-Westfalen und Hessen noch einzelne gesperrte Strecken.
In Rheinland-Pfalz und im Saarland, wo der Zugverkehr wegen "Xynthia" ebenfalls komplett eingestellt worden war, bereitete die Bahn ebenfalls die Wiederaufnahme des Betriebs vor. Allerdings werden dem Bahnsprecher zufolge in den betroffenen Regionen auch am Montag nicht alle Züge wie geplant fahren. Die Auswirkungen des Sturms werden vielmehr den Fahrplan noch beeinträchtigen. Im Flugverkehr muss hingegen auch am Montag noch mit Einschränkungen gerechnet werden. "Bis es wieder zum Normalbetrieb kommt, dauert es eine Weile", sagte eine Sprecherin des Flughafens von Frankfurt am Main. Bei den ersten Flügen am Morgen habe es Verspätungen bis zu einer Stunde gegeben, mittlerweile hat sich der Reiseverkehr dort allmählich normalisiert. Wegen "Xynthia" mussten den Angaben zufolge am Sonntag in Frankfurt am Main gut 250 Flüge komplett gestrichen werden. Passagiere, die nicht auf andere Flüge oder die Bahn umsteigen konnten, waren in Hotels untergebracht worden. Alle seien inzwischen zu ihren Zielen gestartet. Am Montagmorgen wurden noch 21 Flüge gestrichen, vorwiegend zu innerdeutschen oder europäischen Zielen, andere Flüge hatten Verspätungen.
Aufräumarbeiten im Südwesten Deutschlands
Während die Einsatzkräfte der Polizei, der Feuerwehren und der Technischen Hilfswerke im südwestlichen Teil Deutschlands bereits die Sturmschäden aufräumten, bereitete sich Brandenburg in den frühen Morgenstunden auf den Orkan vor. "Wir sind gewappnet", sagte ein Sprecher der Polizei in Brandenburg.
In den anderen Bundesländern hat "Xynthia" mittlerweile deutlich an Kraft verloren. Nach Mitternacht gingen bei den Polizeistationen keine größeren Schadensmeldungen oder Notrufe mehr ein, sagten die Sprecher übereinstimmend. In der Nacht hatten die Einsatzkräfte lediglich mit herabstürzenden Dachziegeln, umgestürzten Bäumen und regionalen Stromausfällen zu kämpfen. Weitere schwere Schäden oder verletzte Menschen meldeten die Polizeidienststellen nicht. Der Deutsche Wetterdienst hob die Unwetterwarnung für Mitteldeutschland am frühen Montagmorgen wieder auf.
Nur noch Nebenstraßen gesperrt
Ein Sprecher des Lagezentrums beim rheinland-pfälzischen Innenministerium in Mainz sagte: "Die Aufräumarbeiten sind im Gange, beziehungsweise sie sind in der Dunkelheit unterbrochen worden." Sie gingen am Montag weiter und würden wohl auch in den kommenden Tagen andauern. "Hier ist mittlerweile alles in Ordnung", sagte ein Sprecher des Lagezentrums in Saarbrücken am Montagmorgen.
Die Sperrung der Autobahn 3 bei Frankfurt/Main ist mittlerweile wieder aufgehoben. Die A3 war aufgrund des extrem starken Windes am Sonntagnachmittag aus Sicherheitsgründen abgeriegelt worden. Im gesamten Bundesgebiet sind Polizeiangaben zufolge mittlerweile nur noch kleinere Straßen gesperrt, Autobahnen und Bundesstraßen sind in fast allen Regionen geräumt und freigegeben. Im Westerwald sind jedoch bis auf weiteres die B54 und die B414 gesperrt.
Mehr als 50 Tote in Westeuropa
Das Orkantief "Xynthia" hatte am Sonntag eine Schneise der Verwüstung durch Westeuropa gezogen und mindestens 54 Menschen in den Tod gerissen. In Frankreich kamen 45 Menschen vor allem bei Überschwemmungen an der Atlantikküste ums Leben, wie das Innenministerium nach einer Krisensitzung am Sonntagabend mitteilte. In Deutschland starben mindestens sechs Menschen, meist durch umstürzende Bäume. Hier wüteten die bis zu 166 Kilometer schnellen Böen am heftigsten in Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein- Westfalen.
Im südhessischen Biblis wurde ein Zweijähriger in einen Fluss geweht und konnte nur noch tot geborgen werden. Im Schwarzwald kam ein 74-jähriger Autofahrer ums Leben, bei Wiesbaden ein 69 Jahre alter Wanderer. In Nordrhein-Westfalen starben eine Joggerin und eine Autofahrerin. In Niedersachsen kam ein Autofahrer infolge des Sturms von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum.
Der Sturm richtete Millionenschäden an
"Xynthia" sei ein Sturmtief, "wie man es nicht jedes Jahr hat", sagte Meteorologe Peter Hartmann vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. Die höchste Windgeschwindigkeit in Deutschland wurde nach DWD-Angaben mit 166 Kilometern pro Stunde am 557 Meter hohen Weinbiet bei Neustadt/Weinstraße (Rheinland-Pfalz) gemessen.
Die Europäische Union ist zur Hilfe für die Opfer des schweren Sturms "Xynthia" bereit. Die EU-Kommission werde Hilfe für die am meisten betroffenen Länder prüfen, erklärte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Sonntagabend in Brüssel. Er bekundete seine Anteilnahme und seine Solidarität mit den Opfern.
EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek erklärte, es seien Zahlungen aus dem EU-Solidaritätsfonds möglich, mit denen ein Teil der Wiederaufbaumaßnahmen finanziert werden könnte. Das Parlament werde über derartige Anträge auf Hilfe rasch entscheiden. Sein Solidarität gelte allen Opfern, vor allem aber jenen in den besonders schwer getroffenen Teilen Frankreichs.