1. Bundesliga Bundesliga-Vorschau - Der 11. Spieltag

Der Pokal hat seine eigenen Gesetze? Schon klar, und Deutschland hat eine eigene Währung. Nach einer Woche mit 16 Pokalspielen fragen wir uns aber, welche Paragraphen und Bauernregeln der großen, weiten Fußballwelt am kommenden Bundesligawochenende zur Anwendung kommen - im Namen des Volkes...

Die Pokalwoche liegt hinter uns. Welche Gesetzmäßigkeiten lassen sich aus der 2. Runde auf die Bundesliga übertragen? Oder ist der DFB-Pokal tatsächlich eine Schildbürgerwelt, in der alles genau anders ist als im richtigen Leben? Wohl kaum. Wir wollen das anhand von fünf Paragraphen überprüfen.

§1 Bayerische Provinzclubs brauchen in München erst gar nicht anzutreten.

Ob das stimmt, wird den Club interessieren, der am Wochenende zu Gast bei den Bayern ist. Für den FC Ingolstadt traf es beim 0:6 in der Allianz Arena offenkundig zu. Auch mit Butt, Contento, Alaba, Pranjic und Petersen in der Startelf waren die Münchner viel zu stark für den Tabellenletzten der 2. Liga. Der letzte Zweitligist, der im Pokal bei den Bayern gastierte, die Spielvereinigung Fürth, hatte vor zwei Jahren ebenfalls sechs Gegentore hier kassiert.

Die Regel gilt in letzter Zeit aber nicht nur im Pokal, sondern auch in der Bundesliga. Vor mehr als fünf Jahren, im August 2006, holte letztmals eine bayerische Gastmannschaft einen Punkt in München, der 1. FC Nürnberg beim 0:0. Historisch war dieses Ergebnis, weil es den einzigen Punktverlust Bayerns gegen Konkurrenz aus dem Freistaat in der Geschichte der Allianz Arena darstellt.

Der letzte Sieg einer bayerischen Auswärtsmannschaft beim FC Bayern war im April 2000 ein 1:2 gegen den TSV 1860 im Olympiastadion, verschuldet durch Jens Jeremies' Eigentor gegen seinen Ex-Verein. Nimmt man die Formulierung unseres Paragraphen genau und gesteht zu, dass die Löwen damals ja ein halbes Heimspiel hatten, da es auch ihr Stadion war, muss man noch weiter zurückblicken. 1992 unterlag Bayern dem FCN, der durch Tore von Christian Wück und zweimal Sergio Zarate bei Erich Ribbecks Münchnern seinen einzigen Sieg der letzten 43 Jahre feierte.

§2 Never change a winning team.

Mit sieben Wechseln in der Startformation trat Thorsten Fink zu seinem zweiten Spiel als HSV-Trainer in Trier an. Das alleine verletzt noch nicht die Regel, hatte seine Mannschaft doch trotz guten Spiels gegen Wolfsburg nur unentschieden gespielt. Jetzt aber wird es ernst, denn nach dem Zittersieg an der Mosel kommt der 1. FC Kaiserslautern nach Hamburg, und da müsste Fink ja eigentlich wieder mit Marcus Berg, Robert Tesche und Dennis Diekmeier antreten, oder?

Natürlich wird er das nicht tun und gab sich im ZDF-Interview nach dem Pokalspiel auch ganz explizit als Freund der Rotation in englischen Wochen. Das wirft nun allerdings die tatsächlich spannende Frage auf, wie sich das zum Gebaren des FCK verhält. Marco Kurz nämlich ließ für sein eigenes Pokalauswärtsspiel bei einer Eintracht die beste Elf auflaufen. Zugegeben: In Frankfurt war es viel schwerer als in Trier, und es stand auch viel Prestige auf dem Spiel. Hätte der HSV bei St. Pauli antreten müssen, hätte Fink dann auch die Reservisten gebracht?

Nun aber steht eine am Mittwoch noch 120 Minuten in Frankfurt geforderte Rote-Teufel-Elf vor dem Spiel in Hamburg, während Fink vermutlich sechs ausgeruhte Profis zurück in die Startelf rotieren kann. Andererseits versucht der neue Trainer ja, ein ganz neues taktisches System zu etablieren, und das müsste normalerweise so ein Moment sein, in dem es wichtiger ist, sich einzuspielen, als zu schonen, oder?

§3 Motivation geht vor Regeneration

Dank des frühen Pokalaus in Heidenheim konnte die Mannschaft von Werder Bremen in dieser Woche den Bremer Freimarkt besuchen und im sogenannten Bayernzelt mit den Fans "Lebenslang grün-weiß" singen. Ganz anders die Spieler von Mainz 05. Sie mussten am Mittwochabend in Hannover in die Verlängerung, konnten dort aber dank eines Tors von Andreas Ivanschitz ihren ersten Sieg seit Mitte August feiern.

Ivanschitz war in seiner Zeit bei Panathinaikos bei den Fans als "Grüner Mozart" bekannt, aber lebenslang in Grün-Weiß wollte er nicht spielen, weshalb er zwischen Rapid Wien und Pana auch noch Zeit für ein Engagement in Salzburg und jetzt eben in Mainz gefunden hat. Das aber nur als Randbeobachtung. Viel wichtiger ist: Wirkt sich die ungewohnte Freizeit auf die Bremer Profis weiterhin gut aus? Oder konnte Mainz durch den überraschenden Sieg neue Kräfte mobilisieren?

In unserer Bundesliga-Prognose vor der Saison hatten wir Werder gerade wegen der möglichen Konzentration auf die Liga eine weitaus bessere Spielzeit als zuletzt und Platz sieben prophezeit. Obwohl es jüngst etwas schlechter lief (nur ein Sieg aus den letzten fünf Spielen), rangiert Werder aktuell immer noch nur einen Punkt hinter einem direkten Champions League-Rang. Mainz wiederum einen Zähler vor Platz 17.

Das sagt wahrscheinlich mehr aus über die Perspektiven für das Spiel am Samstagabend als die Ereignisse der vergangenen Woche, in der selbst die sonst immer für Bremer Insiderinfos zu habende Syker "Kreiszeitung" (Titelgeschichte der Online-Ausgabe am Donnerstag: "Fünf Schweine sterben auf der A1") nur darüber spekulieren wollte, ob Torsten Frings im Winter nach Bremen zurückkehrt.

§4 Besser der Spatz in der Hand als der Geißbock auf dem Dach!

Mit zwei radikal unterschiedlichen Exemplaren der Gattung Fußballmannschaft haben wir es beim FC Augsburg und dem 1. FC Köln zu tun. Während der Bundesliganeuling FCA seit Saisonbeginn souverän genau so spielt, wie man es prohezeit hatte, schwankt der FC zwischen Spitzenklasse und Debakel.

Augsburg war, das kann man wohl so festhalten, in keinem einzigen seiner bisher zwölf Pflichtspiele dieser Saison die bessere Mannschaft. Nicht mal in den Pokalspielen beim Drittligisten Rot-Weiß Oberhausen und dem Viertligisten RB Leipzig, die beide glücklich gewonnen wurden. Auch nicht beim bisher einzigen Saisonsieg in der Bundesliga vor zehn Tagen in Mainz. Zudem stellen die Schwaben die schwächste Offensive der Liga mit nur acht Toren in zehn Punktspielen.

Köln hingegen weiß in einmaliger Weise Genie (4:1 in Leverkusen, Siege gegen Hoffenheim und Hannover) mit Wahnsinn (0:3 gegen Wolfsburg, 1:5 auf Schalke, 0:3 in Berlin, 0:5 in Dortmund) zu verbinden. Ergebnis unter anderem: die zweitschlechteste Defensive der Bundesliga. Der fehlen weiterhin Geromel, Andrezinho und Kevin McKenna. Dennoch darf die Inkonstanz der Kölner nicht zu dem pauschalen Schluss verleiten, Augsburg sei aufgrund größerer Berechenbarkeit etwa favorisiert. Denn die Kölner Fieberkurve deutet nach dem Pokalspiel in Sinsheim (gut gespielt, knapp verloren) mal wieder auf einen Ausschlag nach oben hin.

§5 Der Star ist die Mannschaft

Zwei Clubs, die in extremer Weise vom funktionierenden Zusammenspiel der einzelnen Mannschaftsteile und dem disziplinierten Umsetzen der taktischen Vorgaben leben, sind Hannover 96 und Borussia Mönchengladbach. Beide setzen auf schnell vorgetragene Angriffe nach Balleroberungen und gute Arbeit der gesamten Defensive bei gegnerischem Ballbesitz.

Statistisch gesehen trifft das auf Hannover noch viel mehr zu als auf die Borussia: Alle Spiele, in denen 96 weniger Ballbesitz hatte als der Gegner, gewannen die Roten in dieser Saison. Bei mehr Ballbesitz gelang kein einziger Sieg. Daraus folgt, dass Gladbach ein sehr unangenehmer Gegner für Mirko Slomkas Team sein müsste, doch die Spielanteile der Fohlen sind insgesamt größer als die Hannovers.

Das gute Spiel ohne Ball bei der Viererkette und dem zentralen Mittelfeld Gladbachs dürfte es gleichwohl für Hannover schwer machen, das Spiel erfolgreich zu gestalten. Klingt nach einem Spiel für Taktikfreunde? Mag sein. Der Hauptunterschied könnte aber auch in der individuellen Qualität eines Mannes liegen, der wie kein Zweiter der am Samstag auf dem Rasen stehenden Akteure die Qualität besitzt, Spiele im Alleingang zu entscheiden: Marco Reus. An einem guten Tag ist er genau der Spieler, der zum Matchwinner werden könnte.

Daniel Raecke

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