Wenn es eines gibt, was wir nicht mögen, dann ist es das Urteilen über Fußballclubs nach nur einem Spiel. So verzichten wir auch darauf, Bayerns Niederlage und Dortmunds Sieg als Beleg für die Richtigkeit unserer Winterprognosen zu werten - das sind diese Resultate nämlich noch lange nicht, solche Analysen sollte man erst nach ein paar Spieltagen wieder wagen.
Was nicht heißt, dass wir zur Bundesliga nichts zu sagen hätten. Denn anstatt die Momentaufnahmen für die Rückrunde hochzurechnen, haben wir die kuriose Situation an der Tabellenspitze einem historischen Vergleich unterzogen und nebenbei noch einen Blick in die Statistiken geworfen - mit interessanten Ergebnissen, wie wir finden.
Drei Clubs liegen nach dem 18. Spieltag der Bundesliga punktgleich an der Spitze. Das gab es seit 37 Jahren nicht mehr. Der Vierte, Borussia Mönchengladbach, liegt nur einen Zähler hinter der Spitze. Auch das gab es seit 1975 nicht mehr. Dieser Blick in die Geschichte schließt, die Älteren werden sich erinnern, die Saison 1991/92 nicht mit ein, in der die Liga mit 20 Clubs spielte.
Das spannendste Titelrennen seit 37 Jahren
Jene erste Spielzeit nach der Vereinigung von BRD und DDR bot auch ein packendes Titelrennen, an dem bis zum letzten Spieltag Eintracht Frankfurt, Borussia Dortmund und der schließliche Titelträger VfB Stuttgart mit Christoph Daum beteiligt waren. Sich an 1974/75 zu erinnern, dafür müsste man schon ein Zeitgenosse von Methusalix sein, und deshalb werfen wir mal einen genaueren Blick auf die ultraenge Konstellation.
Es war die bis heute einzige Bundesligaspielzeit, in der es im Januar so knapp zuging wie aktuell, aber es waren keineswegs die gleichen Teams am Titelrennen beteiligt wie 2012. Der FC Bayern, immerhin Titelverteidiger, lag zu diesem Zeitpunkt auf Platz 14. Borussia Dortmund? Spielte in der 2. Liga. Schalke 04 gehörte immerhin zu den gleich neun Clubs, die sich in diesem Jahr eins nach dem deutschen WM-Titel noch im Rennen um die Meisterschale wähnen durften - selbst der Neunte Eintracht Braunschweig hatte nach 18 Spieltagen nur drei Punkte Rückstand auf den Tabellenführer.
Der hieß Borussia Mönchengladbach und sollte am Ende der Saison seinen dritten Deutschen Meistertitel feiern dürfen - mit sechs Punkten Vorsprung, ein Herzschlagfinale gab es also nicht. Es war Hennes Weisweilers letzte Saison als Borussia-Trainer, bevor er nach Barcelona wechselte und am Niederrhein von Udo Lattek abgelöst wurde. Der heutige Bayern-Trainer Jupp Heynckes erzielte in 31 Spielen 27 Saisontore für die Fohlenelf.
Als sogar Otto Rehhagel noch jung war
Kurios aber aus heutiger Sicht die Clubs, die nach 18 Spieltagen noch mit der Borussia an der Spitze standen. Der OFC Kickers aus Offenbach war punktgleich mit Gladbach Tabellenzweiter. Trainiert wurden die Hessen vom damals 36-jährigen Otto Rehhagel, der seine erste Saison als Cheftrainer in der Bundesliga erlebte. Nach einer schwächeren Rückrunde, in der der OFC acht Spiele verlor, wurden die Kickers am Saisoneende aber nur Achter.
Ebenfalls auf Augenhöhe mit Mönchengladbach lag Hertha BSC, Eintracht Frankfurt und der HSV rangierten nur einen Punkt dahinter. Natürlich war die große Enge auch der damals noch angewandten Zweipunkteregelung geschuldet, aber ohne Frage gehörte die Saison 1974/75 zu den spannendsten Spielzeiten der Bundesligageschichte - zumindest im Winter noch.
Fünf Niederlagen aus 18 Spielen - ist das noch meisterlich?
Nehmen wir noch einen anderen interessanten Wert unter die Lupe: Bayern München hat aktuell bereits fünf Niederlagen erlitten. Kann man mit diesem Wert überhaupt noch Meister werden? Die statistisch-historische Antwort lautet: Ja, aber nur gerade so. Vier Teams wurden in der Bundesligageschichte in einer 18-Club-Saison Meister, obwohl sie nach 18 Spieltagen schon fünfmal verloren hatten - zuletzt der VfL Wolfsburg 2009, der allerdings auch eine der besten Rückrunden aller Zeiten feierte.
Die anderen Beispiele liefern zweimal der FC Bayern und der 1. FC Köln 1978. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass in 44 Bundesligasaisons eine Mannschaft Meister wurde, die weniger als fünf Niederlagen zu diesem Saisonzeitpunkt erlitten hatte. Und mit mehr als fünf Niederlagen wurde überhaupt noch nie jemand Meister.
Werfen wir zum Abschluss noch einen Blick auf die Formtabelle. Dazu teilen wir die Saison in zwei gleiche Abschnitte von je neun Spielen und betrachten mal nur die zweite Hälfte. An den vergangenen neun Spieltagen holte Schalke 22 Punkte, Dortmund 21, Gladbach 19 und Bayern 15 Zähler, ebenso viele wie Leverkusen übrigens. Der öffentliche Eindruck von Jupp Heynckes und Robin Dutt stimmt zumindest seit Mitte Oktober nicht wirklich mit den Leistungen beider Teams überein, zumal beide auch noch das Achtelfinale der Champions League erreichten.
Wertet man nur die letzten sechs Spiele, so wird die Bilanz für Bayern noch prekärer: In diesem Modus, der etwa in England regelmäßig als "Form Guide" verwendet wird, gibt es nur zehn Bundesligisten, die weniger Punkte als die Münchner geholt haben. Wolfsburg machte zehn Punkte seit dem 12. Spieltag, Bayern nur neun, genau wie Nürnberg und der HSV. Das sind Zahlen, die den Verantwortlichen zu denken geben sollten. Andererseits stehen nun Spiele gegen Wolfsburg (H), den HSV (A), Kaiserslautern (H) und Freiburg (A) an, die durchaus eine Zwischenserie möglich erscheinen lassen, bevor mit Schalke der nächste Titelkonkurrenz nach München kommt.
Daniel Raecke