Nächste Niederlage Bedingt meisterfähig. Wie der FC Bayern ohne Not den eigenen Mythos zerlegt

Bayern München Führung
Unzufrieden mit der Gesamtsituation: Bayern Münchens Führung Hainer, Kahn, Salihamidzic (v.l.) 
© Daniel Roland / AFP
Nächster Nackenschlag: Bayern München verliert in Mainz, und es wird deutlich, wo die Probleme des Rekordmeisters liegen: An der generellen Bocklosigkeit sowie an den sinnlosen Überambitionen der Führung.

Ursprünglich sollte es in diesem Text darum gehen, dass an der Säbener Straße in München vielleicht nicht alles tippitoppi ist, aber es auch keinen Grund für Katzenjammer gibt. Ein Pokalspiel kann man mal knapp verlieren. Es ist auch keine Schande im Champions-League-Viertelfinale auszuscheiden, zumal wenn der Gegner Manchester City heißt. Bleibt als sichere Bank schließlich noch die Bundesliga. Dort scheint keiner der Bayern-Verfolger ernsthaftes Interesse an der Deutschen Meisterschaft zu haben. Bis jetzt, bis zum 29. Spieltag. 

Dieses ewige Schale-in-die-Höhe-Gerecke

Vielleicht wird einem dieses ewige Schale-in-die-Höhe-Gerecke irgendwann langweilig – aber für 99 Prozent aller Fußballerspieler wird sich dieser Traum nie erfüllen. Genau so wenig wie die acht Champions-League-Halbfinal-Teilnahmen in den vergangenen 20 Jahren. Oder die zehn Triumphe im DFB-Pokal in der gleichen Zeit. Menschen wie Oliver Kahn oder Manuel Neuer mögen das alles für selbstverständlich halten. Ist es aber nicht, auch nicht im europäischen Vergleich. 

Ursprünglich sollte in diesem Text deshalb die Frage auftauchen, ob es diese Dauererfolge sind, die immer höhere Erwartungen wecken, und ob das Problem ihre Nichterfüllung ist oder nicht vielleicht doch eher die bizarre Anspruchshaltung dahinter. Natürlich wollen Sportler die Wettbewerbe gewinnen, an denen sie teilnehmen. So gesehen ist es auch logisch, dass Vorstandschef Oliver Kahn zu Saisonbeginn ironiefrei das Ziel ausgab, "jedes Jahr die Champions League holen" zu wollen. Ihn persönlich mag diese Art von Druck immer motiviert haben. Seine Spieler unten auf dem Platz eher nicht.

Tuchel und die Bayern brauchen Abstand

Wobei: Vor der Niederlage gegen Mainz standen die Bayern den Umständen entsprechend immer noch ganz okay da. Klar: Vorne fehlt ein Knipser, hinten das Selbstvertrauen eines Manuel Neuer und ganz generell der Bock aufs Kicken. Er vermisse die "Ausstrahlung der Mannschaft", monierte Kahn nach dem Spiel. Trainer Thomas Tuchel redete den Bayern-Auftritt ausnahmsweise mal nicht schön, sondern sagte, es sei einfach zu viel passiert, die "Mannschaft braucht jetzt mal Abstand". Möglicherweise fasst diese banale Erkenntnis das (immer noch sehr überschaubare) Dilemma des FC Bayern München im April 2023 perfekt zusammen.

Leistungsträger wie Joshua Kimmich haben jetzt schon 42 Saisonspiele hinter sich, einen Wechsel auf offenbar sehr wichtigen Torwartposition, einen Trainertausch zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Dafür aber eine Führungsspitze vor sich, die jeden Gegentreffer als persönliche Beleidigung empfindet und nicht weniger will, als jedes Jahr die Champions League zu gewinnen. Geht es vielleicht auch eine Nummer kleiner? Das Unternehmen an der Säbener Straße braucht sicher kein Mitleid, aber vielleicht hilft etwas Abstand und Demut: zum Spiel, zur Bundesliga, zu sinnlosem Druck und überzogenen Zielen.

Bayern muss nicht Meister werden

Sie können sich damit aber gerne Zeit lassen. Denn sehr viele Fußballfans brauchen auch mal Abstand: von einem Meister, der aus München kommt.

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