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Bundesliga

Transferrekord BVB kauft für über 100 Millionen ein - und schwächt sich dennoch

Der BVB ist auf großer Shoppingtour. Die Millionen aus den Verkäufen von Hummels, Gündogan und Mkhitaryan gehen gleich wieder raus. Dennoch fehlen bislang die Einkäufe, die den Qualitätsverlust wett machen können.

André Schürrle und Mario Götze sind da. Mit den Wechseln der beiden Weltmeister wird der BVB diesen Sommer mehr als 100 Millionen Euro in neue Spieler investieren. Damit ist die Borussia der erste Bundesligist, der diese Marke durchbricht. Durch die kolportierten 30 Millionen (Schürrle) respektive 26 Millionen Euro (Götze) Ablöse hat Dortmund nun 113,75 Millionen in die Neuzugänge investiert. 

Woher all das Geld kommt, ist schnell geklärt: Der BVB musste im Sommer gleich drei seiner Leistungsträger ziehen lassen. Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan gingen für 27 respektive 42 Millionen Euro nach Manchester (City und United). Kapitän Mats Hummels machte den für BVB-Fans besonders schmerzhaften Abflug nach München (Ablöse 38 Mio.). Über 100 Millionen Euro hat der BVB also eingenommen – und dafür bitter viel Qualität abgeben müssen. Da ist es verständlich, dass Manager Michael Zorc auf dem Transfermarkt mächtig zuschlägt. Schließlich spielt man in der kommenden Saison wieder in der Champions League. Aber taugen die Neuzugänge wirklich, um die verlorene Weltklasse auszugleichen?

Umbruch beim BVB

Bereits beim ersten Blick fällt auf: Dortmund setzt auf Umbruch. Für die drei gestandenen Profis, allesamt Stammspieler und Säulen im BVB-System, kommen zum Teil junge Talente: Der 20-jährige Mikel Merino aus der zweiten spanischen Liga, der 19-jährige Ousmane Dembélé aus Frankreich, der 18-jährige Türke Emre Mor und der 22-jährige, frisch gebackene Europameister Raphael Guerreiro. Alle vier waren von internationalen Topklubs umworben, der BVB kann sich zu Recht große Hoffnungen machen. Nur für wann? Die Talente müssen an die Mannschaft herangeführt und entwickelt werden. Dass sie aus dem Stand heraus das Qualitätsloch von Hummels, Gündogan und Mkhitaryan stopfen werden, ist nicht zu erwarten. Der BVB aber braucht Spieler, die sofort liefern und die schmerzhaften Abgänge abfedern.

Das weiß auch Manager Zorc. Drum hat er nicht ausschließlich auf Nachwuchs-Kicker gesetzt. Bereits fix ist zum einen der Wechsel von Marc Bartra (25) vom FC Barcelona. Der Spanier kommt dort aus der eigenen Jugend, konnte sich aber bei den Profis nie 100-prozentig durchsetzen – auch wenn er immer wieder Einsätze bekam und es auch zum spanischen Nationalspieler brachte. Der zweite bereits fixe Wechsel ist Sebastian Rode vom FC Bayern München, ebenfalls 25 Jahre alt, für das zentrale Mittelfeld. Rode kam 2014 von Eintracht Frankfurt zum Rekordmeister, bekam zu Beginn auch seine Einsätze, spielte aber zuletzt kaum noch eine Rolle unter Pep Guardiola. Sowohl Bartra und Rode sind Spieler, die sich bei ihren Vereinen zuletzt nicht durchsetzen konnten. Überspitzt könnte man sie auch bei großen Klubs gescheitert nennen. Dass sie auf Anhieb beim BVB überzeugen, darf zumindest angezweifelt werden.

Auch Götze und Schürrle haben sich bei ihren Vereinen nicht durchsetzten können. Schürrle wurde beim FC Chelsea nach anderthalb Jahren wieder verkauft, blieb auch beim VfL Wolfsburg deutlich hinter den Erwartungen – auch wenn er sich zum Ende der vergangenen Saison steigerte. Mario Götze galt beim BVB als Jahrhunderttalent, blieb den Beweis dafür in drei Jahren beim FCB jedoch weitestgehend schuldig. Nun ist er 24 Jahre alt, hat eine ganz schwache EM hinter sich und wurde bei den Bayern aussortiert. Seine Karriere ist ernsthaft in Gefahr.

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Fazit: Harte Aufgabe für Tuchel

Der BVB hat also drei Spieler von Weltformat abgegeben und holt dafür eine Mischung aus sehr jungen Talenten und gestandenen Spielern, unter anderem vom FC Barcelona und dem FC Bayern. Das hört sich aber leider nur auf dem Papier gut an. Zwar sind die Talentkäufe sehr vielversprechend. Dortmund versäumt es aber, ausreichend Soforthilfe einzukaufen. Rode, Bartra, Götze und Schürrle sind schlicht kein adäquater Ersatz für Hummels, Gündogan und Mkhitaryan. Zudem wirken die kolportierten 30 Millionen Euro für Schürrle arg überteuert. Der Mann kam vor anderthalb Jahren für 32 Millionen Euro aus London nach Wolfsburg und hat dort nicht wirklich viel dafür getan, seinen Marktwert zu halten. Das Portal Transfermarkt taxiert ihn auf 18 Millionen.

Bei Mario Götze handelt es sich zudem um eine Rückholaktion – und die sind selten von großem Erfolg gekrönt. Der BVB müsste das am ehesten wissen. Wurden doch Spieler wie Shinji Kagawa oder Nuri Sahin nie wieder so stark, wie vor ihren Abgängen zu europäischen Topklubs. Der 1. FC Köln stellte Ähnliches mit Lukas Podolski fest. Bei den Fans des BVB wird Götze zudem einen schweren Stand haben. Seine Abgang 2013 war – gelinde gesagt – nicht im Guten.

Dortmunder Rechnung kann trotzdem aufgehen

Dass die Dortmunder Rechnung trotzdem aufgeht, und man sich in der kommenden Saison wieder als erster Bayern-Jäger etabliert und in der Champions League die Gruppenphase übersteht, ist trotzdem möglich. Coach Thomas Tuchel liebt die Herausforderung. "Viele Leute sprechen von einem Umbruch, ich spreche sogar von einem Neuanfang", sagt er kürzlich. "Wenn man an Grenzen stößt, kann man das leugnen und nicht wahrhaben wollen", sagte er. "Oder man wird kreativ und versucht, neue Wege zu gehen. Und der Weg, den wir einschlagen, ist sehr jung und auch riskant." Man kauft ihm die Zuversicht ab.

Hinweis: Dieser Text erschien ursprünglich, als die beiden Transfers von Götze und Schürrle in einem weit fortgeschrittenen, aber nicht fixen Stadium befanden. Nachdem der BVB diese Wechsel vermeldete, wurde der Text an den entsprechenden Stellen aktualisiert.

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