Pfiffe gegen Hummels Warum ausgerechnet die BVB-Fans so nachtragend sind

  • von Carina Braun
Mats Hummels geht zum FC Bayern, und es hat Pfiffe gehagelt. Auch, weil viele BVB-Fans dazu neigen, sich und ihren Verein zu überhöhen.

Am Samstag also wird Mats Hummels zum letzten Mal in der Bundesliga im Trikot des BVB auflaufen, und vermutlich wird es wieder Pfiffe geben, die Frage ist nur, wie viele.

Ausgerechnet Hummels. Der mehr als acht Jahre lang in Dortmund spielte, obwohl er eigentlich in München viel mehr zuhause war, der den Wechsel von Mario Götze zum großen Rivalen in klaren Worten verurteilt hatte. Hummels passte zu Dortmund, weil die Dortmund-Fans den Verein ein bisschen zum gallischen Dorf in einer immer kälteren, immer durchkapitalisierteren Fußballwelt verklärten. Das Fußballgeschäft wurde immer berechnender, die Mannschaften austauschbar, die guten Spieler gingen zu den ganz großen Vereinen, sie folgten dem Geld, dem Ruhm und dem Ruf der großen Titel. Götze ging, Lewandowski ging. Hummels blieb. Und sagte in Interviews Sätze wie "Es kommt nicht nur darauf an, Titel zu gewinnen. Es kommt auch darauf an, wunderbaren Fußball zu spielen, zusammen mit Freunden erfolgreich zu sein." Das machte ihn für die Fans zum Helden.

Man könnte also sagen, dass Hummels selbst ein bisschen Schuld daran ist, wie er nun verabschiedet wird. Aber man könnte auch fragen, warum ausgerechnet viele Dortmund-Fans ihren Spielern gegenüber so nachtragend sind.

BVB-Fans überhöhen sich und den Verein

In den vergangenen Jahren ist mit dem BVB und seinen Fans etwas passiert: Der Stolz wurde zu groß. Nicht so sehr der Stolz auf die Leistung des Teams oder auf Titel, davon gab es nicht mehr so viele. Aber der Stolz auf sich selbst. Auf die eigene Gemeinschaft, die Treue. Auf diese Liebe zum Verein, die die einzig wahre war, gerade weil sie keine Titel brauchte und sogar eine Katastrophensaison aushielt. "Echte Liebe" eben. Ein Slogan, der etwas selbstverliebt und auch ein bisschen unfair war. Schließlich mussten andere Fans Schlimmeres durchstehen und sind trotzdem noch dabei.

Tatsächlich gibt es viele Clubs, die mit ganz anderen Problemen zu kämpfen haben als der BVB. Das Besondere an Dortmund aber ist, dass man sich stets auch mit Blick nach München definiert. Und je besser, je glatter, je reicher Bayern München wurde, desto rauher, bodenständiger, echter gab sich der BVB. Als Dortmund-Fan konnte man beides haben: Erfolgserlebnisse und trotzdem das Gefühl, irgendwie der Underdog zu sein. Dass der Trainer in diesen Jahren Jürgen Klopp hieß und die passende Mischung aus Schnauze und Hemdsärmeligkeit mitbrachte, steigerte den Hype noch. Trainer und Verein verschmolzen ebenso miteinander wie Marketing und Selbstbild. Klopp und Dortmund: Es wurde Manie.

Dass ein Leistungsträger nach dem anderen den BVB in Richtung München verlässt, stellt dieses Selbstverständnis auf den Kopf. Aber natürlich spielt der BVB auch längst im großen Fußballzirkus mit, und wie Bayern sich Hummels zurückgeholt hat, hat Dortmund es damals mit Reus gemacht. Wenn Hummels nun geht, so liegt die eigentliche Überraschung rein sportlich gesehen darin, dass er so lange geblieben ist. Andere Spieler, Max Kruse zum Beispiel, sind konsequent ihren Karrieremöglichkeiten nachgezogen. Als Kruse schließlich in Wolfsburg landete, hatte er bereits Bremen, St. Pauli, Freiburg und Gladbach hinter sich – alles Vereine mit intakter Fanbasis.

Pfiffe werden Mats Hummels nicht gerecht

Natürlich liegen die Dinge bei Hummels anders. Er war mehr als acht Jahre da. Er hat den BVB in guten wie in schlechten Zeiten begleitet, und eines kann man sicher sagen: Seine letzte Saison gehört nicht zu den schlechten. Schon jetzt zeigt sich, dass dieser Abschied die Dortmunder Fans auf den Prüfstand stellen wird. Einen Hummels kann man nicht wegpfeifen, er war zu lange da. Und er hat zu viel für den Verein getan.

Als Claudio Pizarro damals von Werder nach München wechselte, waren die Bremer Anhänger enttäuscht, aber sie hatten auch Verständnis. Als Pizarro zurückkam, wurde er wie ein verlorener Sohn empfangen.

Bei Hummels sind sich die Fans uneins. Im ersten Spiel nach Bekanntwerden seiner Wechselabsichten gab es nicht nur Pfiffe, sondern auch Applaus. Es wäre Hummels zu wünschen, dass seine Geschichte in Dortmund nicht als die eines Verräters erinnert wird. Es würde weder dem Spieler noch dem Verein gerecht.

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