Geringer hätten die Erwartungen kaum sein können. Das Confed-Cup-Team? Eine Ansammlung von Spielern, bei denen es - bis auf wenige Ausnahmen - für die Nationalelf nicht ganz reicht. Die Auswahl für die U21-EM? Geschwächt, weil einige Nachwuchsspieler für den Confed Cup abgezogen wurden. Der Eindruck: Nicht Fisch, nicht Fleisch. Die Frage war eher: Wenn der DFB schon nichts mit dem WM-Vorbereitungsturnier in Russland anfangen kann, warum dann nicht die bestmögliche U21 zur EM nach Polen schicken, um den Titel zu holen?
Gut zwei Wochen später hat sich das Bild gewandelt. Die U21 steht auch ohne spielberechtigte Größen wie Joshua Kimmich, Niklas Süle oder Leon Goretzka am Freitagabend im EM-Finale. Und parallel ist beim Confed Cup ein Team gewachsen, das den geliebten Mythos von der "Turniermannschaft" weiterspinnt - dort steht das Finale gegen Chile am Sonntag an. Aus dem Testmodus ist das DFB-Team raus, jetzt wollen die unverhofften Himmelsstürmer das Turnier auch gewinnen - und die Chancen stehen gar nicht schlecht.
Vorrundengruppe wie bei einer WM
Doch auch wenn es für beide Mannschaften letztlich nicht zum Titelgewinn reichen sollte, die Teams haben sich als absolut konkurrenzfähig erwiesen. Mehr noch: Mit fast erschreckender Selbstverständlichkeit schlugen beide Teams ihre Halbfinal-Gegner. Auch im 1b-Modus haben die DFB-Teams damit jetzt schon eine Routine in Sachen Passsicherheit und Organisation bewiesen, die international für viele neidische Gesichter sorgen dürfte.
Die U 21 von Stefan Kuntz hat den Ausfall oder Abzug etlicher Stützen verkraftet und blickt mit Vorfreude auf das Finale gegen zugegebenermaßen noch stärkere Spanier. Zur Einordnung: Nur ein einziges Mal ist dies zuvor einer deutschen Mannschaft gelungen. Im Finalteam von 2009 standen mit Neuer, Boateng, Höwedes, Hummels, Khedira und Özil nicht weniger als sechs spätere Weltmeister.
Während man von der U21 aufgrund vergangener Leistungen einiges erwarten durfte, war dies beim sehr zusammengewürfelten Confed-Cup-Team keineswegs so. Umso erstaunlicher ist, wie Jogi Löw aus der Truppe eine Mannschaft gebildet hat, die eine Vorrundengruppe gewonnen hat, in der Chile, Kamerun und Australien mit ihren bestmöglichen Teams auftraten. Eine Gruppe, die durchaus vergleichbar mit einer WM-Vorrundengruppe war. Zudem spielten sich einige Spieler in den Löws Fokus - vor allem Lars Stindl, Timo Werner und Leon Goretzka. Sie gehörten bislang nicht zur ersten Reihe, dürften aber große Chancen haben, bei der WM 2018 dabei zu sein - und sogar wichtige Rollen zu tragen.
Jogi Löw: Auswahl aus fast drei Mannschaften
Man muss und darf das nicht überbewerten. Nicht jeder U21-Europameister von 2009 hat es zum Weltmeister gebracht. Auch wird beim Confed Cup sicher nicht mit dem allerletzten Einsatz gekämpft. Doch wenn man bedenkt, dass die Top-Stars allesamt geschont werden und einige potenzielle Nationalspieler wie Max Kruse, Mario Gomez oder Leroy Sané gar nicht im Einsatz sind, kommt man mit den jüngsten Erkenntnissen zusammen auf fast drei konkurrenzfähige Mannschaften. Daraus sollte sich ein WM-Kader bilden lassen, der zumindest realistische Chancen hat, den Titel zu verteidigen. Ein großes Ziel, das in der WM-Geschichte bisher nur Italien (1934/38) und Brasilien (1958/62) erreicht haben.
Großartige Aussichten für Jogi Löw und Deutschlands Fußballfans, wie es aussieht. Der Nationalcoach wird bei der Auswahl des WM-Kaders 2018 aus dem Vollen schöpfen können. Heißt aber auch: Einige Wackelkandidaten, die sich bisher von Löws Gnaden bei der Nationalelf ihren Vereinsfrust von der Seele spielen konnten, werden sich das Turnier in Russland voraussichtlich von der heimischen Couch ansehen müssen.