Die Regionalliga-Fußballer des FC St. Pauli sind in puncto Marketing immer noch erstklassig. Als erster westeuropäischer Fußballverein verbringt der Hamburger "Kultklub" sein zweiwöchiges Wintertrainingslager auf Kuba und wird dort hofiert wie der FC Bayern München. Ein Länderspiel gegen die Nationalmannschaft, ein Empfang beim Sportminister und die Einladung zur Sportgala des Landes - über St. Pauli wird sogar in den kubanischen Nachrichtensendungen berichtet.
Kein Wunder, denn Delegationen aus Europa machten sich in jüngster Zeit im kommunistischen Kuba rar. Weil nämlich die kubanische Justiz im April vorletzten Jahres 75 friedliche Dissidenten zu Haftstrafen von zusammen 1454 Jahren verurteilt hatte, reduzierte die Europäische Union die Kuba-Kontakte auf ein Minimum. So hatte zum Beispiel die Bundesregierung Anfang vorigen Jahres ihre Teilnahme an der Buchmesse in Havanna, auf der Deutschland Schwerpunktland war, abgesagt.
Interesse an Weltmeister Häßler
Doch der öffentliche Rummel ist ganz nach dem Geschmack von Präsident und Theaterchef Corny Littmann, der zusammen mit dem zu Hause gebliebenen Sportchef Holger Stanislawski den nächsten werbewirksamen Coup ausheckt: Weltmeister Thomas Häßler soll für den Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga reaktiviert werden. "Wenn Thomas in die 3. Liga geht, dann nur zu uns", weiß Stanislawski. Den 38 Jahre alten Mittelfeld- Regisseur ehrt das Angebot: "Ich weiß aber nicht, ob ich mir in meinem Alter diese kampfbetonte Liga noch antun soll", sagte Häßler.
Die Frage ist auch, ob sich der notorisch klamme Club mit dem politisch linken Image die Gage leisten kann. Von 150.000 Euro für die Rückrunde ist die Rede. Und dabei musste der ehemalige Bundesligist seine Etatplanungen für die nächste Spielzeit gerade einschränken: Coach Andreas Bergmann muss mit zwei Millionen auskommen - 400.000 Euro weniger als bisher. Den Trip auf die karibische Insel hat ein Sponsor bezahlt.
Ob der sportliche Wert des "Bildungsurlaubs" angesichts des abendfüllenden Kulturprogramms besonders hoch ist, wird sich in der am 19. Februar beginnenden Rückrunde noch zeigen. Für die Spieler ist es allemal ein einmaliges Erlebnis, sich wie nationenverbindende Botschafter zu fühlen.
"Cocktail-Krise" beendet
So wurden sie auch Zeugen der Beendigung der fast zweijährigen "Cocktail-Krise": Als Reaktion auf die Verurteilung der Dissidenten 2003 hatte die EU beschlossen, Regimekritiker, die sich noch auf freiem Fuß befanden, demonstrativ zu den Botschaftsempfängen an den jeweiligen Nationalfeiertagen der Mitgliedstaaten einzuladen. Daraufhin hatte Kuba verärgert den Kontakt zu den europäischen Botschaftern in Havanna abgebrochen, die daraufhin in der kubanischen Regierung keine Ansprechpartner mehr fanden.
In der Erkenntnis, dass die Konfrontationsstrategie im Umgang mit Staats- und Parteichef Fidel Castro nicht weiterführt, wollen die Europäer künftig keine Dissidenten mehr zu Botschaftsempfängen einladen - aber auch keine Regierungsvertreter. Von den 75 Dissidenten sind bisher 14 aus gesundheitlichen Gründen freigelassen worden.
Fußball immer beliebter auf Kuba
Der Fußball hat in jüngster Zeit auf Kuba, traditionell eher eine Baseball-Nation, an Anhängern gewonnen. Bei internationalen Turnieren konnten die kubanischen Kicker aber bisher noch nicht brillieren. Littmann strebt eine langfristige Zusammenarbeit mit dem kubanischen Fußball an. Angedacht sind auch Schüleraustausch-Programme. "Unser Stellenwert auf Kuba ist extrem hoch, das merken wir immer wieder", bestätigte Littmann in Havanna.