Uli Hoeneß' Aussage steht: "Dieses Jahr ist, was die Transferstrategie angeht, eher ein normales Jahr." Seliger FC Bayern München. Auf seiner Suche nach einem schlagkräftigen Kader hat der deutsche Rekordmeister seine Transferausgaben im Vergleich zur vergangenen Saison deutlich auf bis zu 47 Millionen Euro erhöht. Allein für Torwart Manuel Neuer gab der Club 22 Millionen Euro aus. Und die anderen Clubs? Gerade einmal gut fünf Millionen Euro haben die 17 restlichen Bundesligavereine bisher durchschnittlich in neue Spieler investiert. Selbst die Erschließung neuer Geldquellen verleitete Meister Borussia Dortmund nicht zu einer Personaloffensive. Obwohl sich der BVB in Ivan Perisic für 5,5 Millionen Euro den teuersten Einkauf seit neun Jahren gönnte, wurde mehr Geld eingenommen als ausgegeben.
In Dortmund ist der Sparkurs kein Muss, er ist eher der Vergangenheit geschuldet. Im März 2005 hing die Zukunft des börsennotierten Vereins an dem Willen von 5.800 Fondszeichnern. "Unser Kopf lag damals schon auf der Guillotine", sagt BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Das warnende Beispiel Borussia Dortmund: Auch das ist es, was Vereine wie Werder Bremen, den Hamburger SV oder den VfB Stuttgart vor Beginn der 49. Bundesliga-Saison zu einer defensiveren Transferpolitik veranlasst hat. Diese Clubs sind aufgrund ihres mageren Abschneidens in der vergangenen Saison zur wirtschaftlichen Konsolidierung gezwungen, um nicht in existenzbedrohende Schwierigkeiten zu geraten. Für die Fans, die nach Stars lechzen, ist das schade. Aber es ist die einzige Chance, der Schuldenfalle zu entkommen. Das hat auch Watzke erkannt. "Das Transferfenster ist zwar noch bis Ende August geöffnet ist, der Trend ist aber eindeutig: Es wird maßvoller investiert", so der Geschäftsführer von Borussia Dortmund zu stern.de.
Radikaler Schnitt beim HSV
Maßvolles Investieren - dem neuen Trend im Transfergeschäft kann Thomas Kroth, Ex-Bundesligaprofi und jetziger Berater von Manuel Neuer, auch etwas Gutes abgewinnen: "Im Gegensatz zu Italien und Spanien steht die Bundesliga wirtschaftlich gesund da. Auch weil die Clubs nicht ins Risiko gehen. Das ist vernünftig. Das zeichnet unsere Liga aus", sagt Kroth stern.de. "Schauen Sie sich den HSV oder Werder an, beide Vereine spielen nicht international. Da ist es nur klug, ohne die gesicherten Einnahmen aus Europa- oder Champions League in Sachen Transfers jetzt nicht voll in Risiko zu gehen", so Kroth, der auch Vizepräsident der Deutschen Fußballspieler-Vermittler Vereinigung (DFVV) ist.
Besonders radikal, weil zwingend notwendig, war der Schnitt beim HSV. 13 Profis haben inzwischen den Club verlassen - darunter Topverdiener wie der Holländer Ruud van Nistelrooy und der Brasilianer Zé Roberto. Der neue Sportdirektor Frank Arnesen setzt auf junge, noch günstige Talente, die er fast alle von seinem Ex-Verein, dem FC Chelsea mitgebracht hat. In der neuen Saison werden die Hamburger zum zweiten Mal hintereinander in Europa nicht dabei sein. Aber erst jetzt wurde die Transferpolitik umgestellt. "Beim HSV gab es in den letzten Jahren keinen Weitblick", sagt Kroth. "Es musste erst die wirtschaftliche Schieflage kommen."
Shopping war gestern
Bei Werder ist es noch nicht soweit. Aber wie ernst es um die Finanzen der Bremer, jahrelang Stammgast in der Champions League, steht, zeigt der Streit zwischen Geschäftsführer Klaus Allofs und Aufsichtsratboss Willi Lemke um den Transfer von Innenverteidiger Sokratis Papastathopoulos. Für eine vergleichsweise niedrige Summe von 800.000 Euro Ausleihgebühr wurde der Grieche nach wochenlangem Hickhack schließlich doch noch verpflichtet. Natürlich müssen die Bremer finanziell nicht nur die Ausleihe stemmen, das Gehalt kommt noch obendrauf. Spielervermittler Thomas Kroth ist sich auch diesbezüglich sicher, dass in der Bundesliga die Grenze erreicht bzw. oder gar überschritten ist: "Die Clubs sind am Limit. Die Gehälter werden nicht mehr wachsen. Bei den Durchschnittsspielern werden sie eher sinken." sagt er. BVB-Boss Watzke sieht das ähnlich: "Unter meiner Führung wurden beim BVB nie exorbitante Gehälter bezahlt. Das bleibt auch so. Die Gehälter werden aber auch insgesamt in Zukunft nach unten gehen."
In der Bundesliga sind die Zeiten der sündhaft teuren Shoppingtouren vorbei. Traumgehälter werden nur noch für die Topspieler bezahlt. Der Sport muss darunter, und das könnte die Fans doch wieder hoffnungsfroh stimmen, nicht zwingend leiden. "In der letzten Saison wurde offenbar, dass das sportliche Wohl und Wehe nicht notwendigerweise davon abhängt, ob ein Club hochgradig oder weniger hochgradig am Transfermarkt aktiv war", sagt Holger Hieronymus. Der Geschäftsführer Spielbetrieb der Deutschen Fußball Liga (DFL) hat ebenfalls ein Umdenken in der Finanzpolitik der Vereine festgestellt: So gaben die Überraschungsteams Hannover, Mainz und Nürnberg zusammen nur sechs Millionen Euro für neue Spieler aus - und belegten die Plätze vier bis sechs.
Hoeneß freut sich schon
Ähnlich wie Borussia Dortmund investierten Hannover und Mainz 05 trotz der Erfolge aus der Vorsaison auch dieses Mal zurückhaltend. Bei 96 ist Artur Sobiech, der für 1,1 Millionen Euro von Polonia Warschau kam, bis jetzt der teuerste Transfer. Für Stürmer Anthony Ujah überwies Mainz 2,3 Millionen Euro nach Lilleström. "Man muss Clubs wie Hannover oder Mainz ein Kompliment machen. Nicht nur für ihre Leistung in der letzten Saison, sondern auch für ihre Transferpolitik jetzt", sagt Thomas Kroth. "Beide Vereine haben in der Pause maßvoll eingekauft - weil sie wissen, dass sie nicht jedes Jahr Europa League spielen werden. Genau diese Denkweise brauchen wir."
Mit "wir" kann der Berater von Manuel Neuer allerdings nicht die Bayern gemeint haben. Deren Präsident Uli Hoeneß blickte vor kurzem im Gespräch mit dem "Handelsblatt" schon mal in die Zukunft - und schüchterte die Bundesliga weiter ein: "Wo der FC Bayern in sechs, sieben Jahren steht? Dann ist wahrscheinlich und hoffentlich unser Stadion ganz bezahlt. Und wir können alles Geld in die Mannschaft investieren", so Hoeneß. "In der Liga gibt es eine Zwei-Klassen-Gesellschaft", sagt Watzke. "Auf der einen Seite stehen die Bayern und die beiden Clubs mit den Dax-Konzernen Bayer und VW (Leverkusen und Wolfsburg, Anm. der Red.) im Rücken, auf der anderen der Rest. Und der muss rechnen." Hoeneß und seine Bayern wird's freuen.