Die größte Niederlage in der laufenden Bundesliga-Saison kassierte der SC Freiburg an der Schubertstraße in Mannheim. Dort steht allerdings kein Stadion, sondern residiert der Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg. Und der verbot dem Sportclub jüngst ziemlich überraschend per Gerichtsurteil, in seiner bald fertigen Arena wochentags nach 20 Uhr und ganz generell am Sonntag Fußballspiele auszutragen.
Dass die Breisgauer in der Königsklasse kicken, ist kein absurdes Szenario mehr
Natürlich wird dieses Urteil nicht Bestand haben, die Mannheimer Richter hantierten mit veralteten Messwerten zur Lärmbelästigung. Aber es hatte für ein paar Tage durchaus seinen Reiz, sich vorzustellen, dass der SC Freiburg nächstes Jahr in der nächsten Saison schon zur Kaffeezeit in der Champions League antreten muss. Denn dass die Breisgauer in der Königsklasse kicken ist kein absurdes Szenario mehr. Der 9.Spieltag ist durch, und noch immer grüßt der SC Freiburg vom 3.Tabellenplatz.
Wurde bisher immer noch abgewiegelt, die Freiburger hätten schließlich bisher vorwiegend gegen die Versehrten der Liga antreten müssen, so war spätestens das 2:1 gegen RB Leipzig das Reifezeugnis einer Elf, die vor der Saison niemand auf dem Zettel hatte.
Zwei perfekt aufeinander abgestimmte Verteidigungsreihen
Es war beeindruckend anzuschauen, wie sich im Spitzenspiel am Samstag die Leipziger Pressingmaschine immer wieder in der Freiburger Defensive festlief. Das Konzept der RB-Truppe ist es ja, den Gegner pausenlos zu attackieren und zu Fehlern zu zwingen. Allein, die Freiburger machten keine Fehler. Sie zogen stattdessen zwei perfekt aufeinander abgestimmte Verteidigungsreihen auf, die den Leipziger Angriffen jede Wucht nahmen und RB-Trainer Julian Nagelsmann immer häufiger den Kopf schütteln ließ.
Dass der SC Freiburg auf Platz 3 steht, ist natürlich nur eine Momentaufnahme und trotzdem eine kleine Sensation. Denn was die finanzielle Schlagkraft angeht, gehören andere Teams dort oben hin. Borussia Dortmund beispielsweise, das allein vor dieser Saison Abermillionen Euro auf dem Transfermarkt versenkt hat. Oder RB Leipzig, Bayer Leverkusen und der FC Schalke, alles Klubs mit deutlich höheren Personaletats und viel Prominenz im Kader.
Vielversprechende Nachwuchskicker ersetzen große Stars
Dass der SC Freiburg trotzdem mithalten kann, hat viel mit der speziellen Philosophie des Klubs zu tun, die im Kern auf drei Prinzipien fußt. Da ist vor allem die Überzeugung, nicht auf etablierte Stars zu setzen, sondern jedes Jahr aufs Neue vielversprechende Nachwuchskicker zu rekrutieren, im Idealfall sogar selbst auszubilden und so konkurrenzfähig zu bleiben. Dieses Modell funktioniert seit vielen Jahren erstaunlich gut, obwohl der Aderlass nach jeder Saison beträchtlich ist.
Aktuell ist an Defensivmann Robin Koch gut zu beobachten, wie sich Youngster im SC-Trikot rasant einen Namen machen können. Koch wurde unlängst von Joachim Löw zur Nationalmannschaft gerufen, das Interesse größerer Klubs ist längst geweckt. Anderswo fürchtet man den Weggang der besten Spieler, in Freiburg gehört er zum Geschäftsmodell, das Sportvorstand Jochen Saier und Sportdirektor Klemens Hartenbach eisern verfolgen.
Ein Coach mit väterlicher Strenge und pädagogischem Gespür
Zur konsequenten Nachwuchsförderung gesellen sich aber noch weitere Erfolgsfaktoren. Auf dem Spielfeld ist das die perfekte Organisation des Spiels. Christian Streich setzt insbesondere gegen starke Gegner beharrlich auf eine eher defensive Grundausrichtung, auf extreme Ballsicherheit, auf Schwarmintelligenz beim Verschieben des Abwehrverbundes und vor allem die Fähigkeit, Gelegenheiten zu Kontern, blitzschnell zu erkennen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich auch spielerisch ambitionierte Teams an dieser Formation die Zähne ausbeißen.
Und trotzdem würde all das nicht funktionieren, wäre da nicht auch der Coach Christian Streich, der seit vielen Jahren all das mit väterlicher Strenge und pädagogischem Gespür zusammenhält. Der Coach mag durch den badischen Zungenschlag und die Neigung zum Privatdozenten ein wenig schrullig wirken, er steht trotzdem für alles, was den SC Freiburg ausmacht.

Jeder Spieler, der zum Sportclub wechselt, weiß, worauf er sich bei Streich verlassen kann. Darauf, dass er nicht nur als Sportler, sondern auch als junger Mensch empfangen und gesehen wird. Darauf, dass ihm Zeit zur persönlichen Entwicklung gegeben wird. Darauf, dass es ihm nicht nachgetragen wird, wenn er irgendwann weiterziehen möchte.
Und womöglich auch darauf, mit dem SC Freiburg demnächst international zu spielen. Zur Not auch nachmittags bei einem Tässchen Kaffee und Kuchen.