Beim 5:2-Sieg gegen ein übermüdetes Italien lässt Bundestrainer Hansi Flick erkennen, mit welcher Formation er für die Weltmeisterschaft in Katar plant. Die Angriffsspitze bleibt jedoch eine Leerstelle – trotz zweier Tore von Mittelstürmer Werner.
Spätestens seit Dienstagnacht hat die Inflation ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht. Nach Benzin, Speiseöl und Butter nimmt sie nun einzelne Wörter in ihre Krallen. Nach dem 5:2 der deutschen Nationalmannschaft gegen Italien wurde der Mönchengladbacher Borussia-Park nur so geflutet mit den Vokabeln "Belohnung" und "Befreiung". Schuld an dieser inflationären Schwemme trug ausnahmsweise nicht die Europäische Zentralbank, es waren ein paar Männer in kurzen Hosen unten auf dem Rasen.
Mit den immergleichen Worten resümierten die Spieler des Deutschen Fußball-Bundes ihren klaren Sieg gegen Italien, den aktuellen Europameister. Manuel Neuer, Ilkay Gündogan oder Thomas Müller, sie alle fühlten sich belohnt für die Strapazen der zurückliegenden Wochen in der Nations League. Endlich ein Erfolg gegen ein sogenanntes großes Team, endlich mal kein 1:1 wie zuletzt vier Mal in Folge.
Hansi Flick wirkt gelöst
Auch Bundestrainer Hansi Flick wirkte gelöst nach dem Spiel. Er räumte ein, dass das Italien-Spiel "ein kleiner Stresstest" für seine Mannschaft gewesen sei. In Wahrheit war es dies auch für Flick selbst; die Frage lautete, ob er sein Team nicht nur vor Niederlagen bewahren, sondern auch zu einem Sieg führen kann.
Diese Zweifel dürfen nun als ausgeräumt gelten; das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, für das Thomas Müller das Wort "Siegerselbstbewusstsein" erfunden hat, ist gewachsen in der deutschen Mannschaft.
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© Friedrich Busam / Olympiastadion GmbH
Auf den Rängen des Mönchengladbacher Borussia Parks herrschte mitunter Schützenfeststimmung. "Oh, wie ist das schön", skandierte das Publikum in der zweiten Halbzeit. Das muss dem niederrheinischen Überschwang geschuldet sein, denn es war keineswegs alles prima, was Flicks Elf zeigte.
Der Sturm bleibt ein Problem des DFB-Teams
Die größte Baustelle konnte auch am Dienstag nicht geschlossen werden: In der Angriffsspitze ist das DFB-Team international nicht konkurrenzfähig. Timo Werner schoss zwar zwei Tore (und dürfte sich danach sowohl belohnt als auch befreit gefühlt haben), doch er vergab zuvor zahlreiche Chancen. Sein Sturmpartner Leroy Sané wirkte völlig verloren am Dienstagabend; selbst einfachste Pässe misslangen ihm. Flick ließ Sané nur aus pädagogischen Gründen auf dem Feld. "Stürmer müssen Vertrauen spüren", sagte Flick, "ich habe gehofft, dass Leroy noch trifft."
Die Zeit des Langmuts und der Experimente dürfte mit dem Italien-Spiel beendet sein; bis zur Weltmeisterschaft in Katar gibt es nur noch zwei Spiele auf Wettkampflevel. Schon aus der Partie am Dienstagabend ließ sich lesen, mit welcher Formation Flick ins WM-Turnier gehen möchte. Gesetzt sind Torwart Neuer, die beiden Innenverteidiger Rüdiger und Süle, die Sechser Kimmich und Gündogan sowie Müller im offensiven Mittelfeld. Das ist Flicks Achse für Katar. Diese Spieler überzeugten schon in den anderen Nations-League-Partien (wenngleich Flick dem einen oder anderen auch Pausen gönnte), und diese Achse machte auch gegen Italien den sogenannten Unterschied.
Absurde Ergebnisse in der Nations League
Der Bundestrainer war nach Spielende bemüht, aufkommende Euphorie zu dämpfen. Natürlich freue er sich über den Sieg, sagte Flick, aber es sei "nicht normal", was derzeit in der Nations League passiere. In der Tat: Viele Resultate und Tabellenstände muten absurd an. England, EM-Finalist 2021, verliert 0:4 gegen Ungarn; Kroatien, WM-Zweiter 2018, verliert zu Hause 0:3 gegen Österreich; Weltmeister Frankreich: Letzter seiner Vorrundengruppe mit nur zwei Punkten aus vier Spielen.

Viele Mannschaften sind müde, überspielt und überreizt. Manche Teams spielen lediglich mit ihrer B- oder C-Formation, weil ihre Besten ausgelaugt sind und eine Pause brauchen. Vier Spiele in elf Tagen (Achtung: Inflation!) – wer schafft das schon?
Eine erschöpfte Mannschaft namens Italien
Auch die Deutschen nicht; sie schwächelten zuletzt gegen Ungarn. Und so ist auch das 5:2 vom Dienstag zu deuten: Ein hoher Sieg gegen eine erschöpfte Mannschaft namens Italien, die mit dem Europameisterteam von 2021 nichts mehr gemein hatte. Im September, nach einer historisch kurzen Sommerpause, geht es für die Deutschen weiter gegen England und Ungarn. Wieder Nations League, wieder hohe Termindichte, und bestimmt auch wieder: Kampf gegen das große Gähnen.