Kamerun-Eklat "Unbezähmbare Löwen" außer Rand und Band

Schlecht gespielt, kein Tor erzielt, raus aus der WM: Gegen Kroatien lagen die Nerven der Kameruner blank. Schon auf dem Platz gingen sie aufeinander los. Weiter ging's während der Pressekonferenz.

Herr Finke, unser Volk hat Ihnen vertraut. Die Menschen standen hinter Ihnen – aber Sie haben dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt. Sie haben Spieler gebracht, die verletzt sind, und haben die falschen zuhause gelassen. Glauben Sie, dass Sie selbst das Niveau für so eine WM haben?" Da musste Volker Finke erstmal schlucken. Der deutsche Trainer der Kameruner, hierzulande vor allem durch sein langjähriges Engagement beim SC Freiburg hoch angesehen, war gerade mit seiner Mannschaft 0:4 gegen Kroatien untergegangen. Auf dem Platz hatten die "unbezähmbaren Löwen" ein beschämendes Bild abgegeben und nun ging es während der Pressekonferenz gerade so weiter. Finke schafft es nur mühsam, sich zu sammeln. "Ich muss das erst aufarbeiten. Das Ergebnis tut mir sehr leid. Wir werden sehen, wie es weitergeht."

Was zuvor auf dem Platz geschehen war, war eines WM-Teilnehmers tatsächlich unwürdig. Weniger, weil die wie fast immer mit überzogenen Erwartungen angereisten Kameruner gegen die mit Bundesliga-Stars gespickte Auswahl aus Kroatien praktisch chancenlos war, sondern weil sich die hoch bezahlten Profis aufführten wie ungezogene Kinder. "Das ist nicht das Bild von Kamerun, das wir zeigen wollen", schimpfte auch Finke nach dem Spiel.

An dieser Stelle hat unsere Redaktion Inhalte von Youtube integriert.
Aufgrund Ihrer Datenschutz-Einstellungen wurden diese Inhalte nicht geladen, um Ihre Privatsphäre zu schützen.

Rote Karte und Kopfnuss

Schon kurz vor der Pause hatte das Unheil seinen Lauf genommen, als Alexandre Song die Nerven durchgingen und er den Noch-Münchner Mario Mandzukic im Trikot der Kroaten mit einem Schlag in den Rücken zu Boden streckte. Schiedsrichter Pedro Proença hatte beste Sicht auf die Szene und zog schon im Lauf die Rote Karte. Die Kameruner lagen zu diesem Zeitpunkt schon 0:1 zurück, Songs Platzverweis schraubte die Chance seines Teams auf einen Sieg und damit auf einen Verbleib im Turnier in einer Sekunde praktisch auf Null. Finke, dessen Hemd wegen der enormen Schwüle in Manaus völlig durchgeschwitzt war, quittierte das Verhalten des Mittelfeldspielers vom FC Barcelona mit einem Kopfschütteln.

Doch es kam noch schlimmer: Gegen Ende der Partie lagen die Nerven derart blank, dass die von den Kroaten gezähmten Löwen aufeinander los gingen. Benoit Assou-Ekotto hatte die Faxen derart dicke, dass er sich seinen Teamkollegen Benjamin Moukandjo vornahm und ihm per Kopfnuss seine Meinung klar machte. Pierre Webo ging zwischen die Streithähne und verhinderte so vermutlich Schlimmeres. "Das ist eine Schande. Ich hasse es, so etwas zu sehen", schimpfte der 66-jährige Finke. Mit "kühlem Kopf" will Finke der Sache auf den Grund gehen. "Es wird Konsequenzen geben für die Spieler", kündigte der Deutsche an.

Rausschmiss nur eine Frage der Zeit?

Ob Finke diese Konsequenzen überhaupt noch durchsetzen kann, ist allerdings fraglich. Bekanntlich hat der kamerunische Verband Trainer schon für geringere Misserfolge als ein Ausscheiden aus der WM entlassen. Wenig Unterstützung kam während des Spiels auch von einem Amtsvorgänger und Landsmann Finkes. Winfried Schäfer twitterte: "Es ist traurig, die Löwen so zu sehen. Kamerun hat so so viel Potenzial, kann es aber nicht freisetzen."

An dieser Stelle hat unsere Redaktion Inhalte von Twitter / X integriert.
Aufgrund Ihrer Datenschutz-Einstellungen wurden diese Inhalte nicht geladen, um Ihre Privatsphäre zu schützen.

Der indirekte Vorwurf, dass Finke es nicht geschafft hat, das Potenzial zu heben, ist unüberhörbar. Hinzu kommt, dass Kameruns Superstar Manuel Eto'o, der gegen Kroatien wegen einer Verletzung fehlte, ohnehin jeden Coach bestenfalls neben sich duldet, womit sich selbst der ansonsten führungsstarke Deutsche abfinden musste. Dementsprechend wurde Finke während der denkwürdigen Pressekonferenz nach dem Spiel direkt angegangen: "Werden Sie ihren Rücktritt jetzt schon bekannt geben oder erst nach dem letzten Gruppenspiel gegen Brasilien?", fragte ein Journalist aus Kamerun. "Das ist nicht meine Entscheidung. Ich will cool bleiben", sagte Finke nur.

dho/mit Agenturen

PRODUKTE & TIPPS