Die Augen der gesamten Sport-Welt ruhten am Donnerstag auf Kamila Walijewa. Und vor den Augen der ganzen Welt zerbrach ein 15-jähriges Mädchen, das als Jahrhundert-Talent bei diesen Olympischen Spielen angetreten ist. Die vierfachen Sprünge, mit denen sie im Team-Wettbewerb Olympia-Geschichte geschrieben hat, steht sie nicht. Sie stürtzt mehrfach, trifft viele falsche Entscheidungen und verlässt das Eis mit Tränen in den Augen.
An der Bande weint auch die ehemalige Weltmeisterin Jewgenija Medwedewa. Dem gesamten russischen Team steht der Schock ins Gesicht geschrieben. Nur eine behält die Maske der Eiskönigin an: Eteri Tutberidse. Die umstrittene Trainerin nimmt ihren Schützling, der mit einem Zusammenbruch kämpft, nicht einmal in den Arm. Stattdessen gab es eine Standpauke.
Es ist nicht dieselbe Walijewa, die nach der Kür vom Eis geht. Von der Leidenschaft und Leichtigkeit, mit der sie noch vor zehn Tagen zu Gold geschwebt ist, ist nicht mehr viel zu sehen. Vor zwei Tagen noch war sie auf erneutem Gold-Kurs. Trotz eines kleinen Patzers im Kurzprogramm reichte es für den vorläufigen Spitzenplatz. Am Ende der Kür wird es der vierte. Kamila geht beim Einzellauf der Damen leer aus.
Vor ihr läuft Alexandra Trusowa zur Bestform auf. Die 17-Jährige springt fünf Vierfachsprünge! Nach ihr läuft Anna Scherbakowa. Auch sie springt mehrere Vierfache und mörderische Kombinationen. Am Ende gewinnt sie Gold, Trusowa Silber. Beide sind Schützlinge von Eteri Tutberidse.
Und spätestens hier drängt sich ein schrecklicher Verdacht auf: Walijewa könnte fallengelassen worden sein. Sollte sie mit Absicht verlieren, damit Tutberidse und mit ihr das Team aus Russland sich Gold sichern, ohne um den Verlust der Medaille fürchten zu müssen? Schließlich startete Walijewa, die unter Doping-Verdacht steht, unter Vorbehalt. Das IOC hat bereits im Vorfeld deutlich gemacht, dass man vorläufig auf eine Medaillenzeremonie verzichtet, sollte sie gewinnen. Je nachdem wie der Fall noch ausgeht, würde das Team aus Russland unter Umständen also eine Medaille sogar wieder abgeben müssen. Nach dem Doping-Skandal wäre das ein weiterer Schlag für den russischen Eiskunstlauf.
Ein 15-jähriges Jahrhundert-Talent schreibt Olympia-Geschichte

Tutberidse triumphiert trotzdem
Aber nun hat sich das Problem erledigt. Auf das Treppchen steigen zwei Läuferinnen, denen dieses Schicksal nicht droht. Tutberidse kann sich über weitere Olympia-Medaillen für ihre Schützlinge freuen. Für Walijewa, die als absolute Favoritin unter den russischen Läuferinnen nach Peking reiste, blieb nicht einmal der dritte Platz.
Die Trainerin, die in Russland einer Ikone gleicht, hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie ihre Mädchen als "Material" betrachtet. Wenn sie nicht mehr sputen, werden sie fallengelassen. Kamila Walijewa wäre da nicht die erste.