Arm in Arm standen die Mutter und der Bruder des tödlich verunglückten Anthoine Hubert auf der Rennstrecke von Spa-Francorchamps und gaben sich gegenseitig Halt. In den Händen hielten sie einen Helm ihres geliebten Anthoine, beide in tiefer Trauer.
Der tragische Unfall des französischen Nachwuchsfahrers, dem vor dem Formel-3-Rennen am Sonntagmittag mit einer Schweigeminute gedacht wurde, hatte am Samstag die gesamte Motorsportszene in einen Schockzustand versetzt. "Das Schicksal ist brutal. Der Verlust ist unendlich. Anthoine, wir vermissen dich schon", schrieb Huberts deutscher Formel-2-Kollege Mick Schumacher via Twitter. Hubert wurde nur 22 Jahre nur alt.
Formel 1-Rennen soll wie geplant stattfinden
Im Fahrerlager von Spa-Francorchamps war nach dem furchtbaren Unfall nichts mehr wie zuvor. Für gewöhnlich herrscht um die Unterkünfte der Teams am Samstagabend ausgelassene Stimmung, doch nun gab es nur entsetzte Gesichter zu sehen. Schweigen löste launige Gespräche ab, die Ohnmacht war für jeden spürbar. Der Horror-Crash des 22-Jährigen hat die gesamte PS-Szene geschockt und allen eindringlich vor Augen geführt, wie gefährlich der Sport ist.
"Alle diese Fahrer riskieren ihr Leben, sobald sie auf die Strecke gehen. Das muss mit mehr Ernsthaftigkeit anerkannt werden, denn das wird nicht getan", schrieb F1-Weltmeister Lewis Hamilton in einem emotionalen Post bei Instagram und fand starke Worte für den verunglückten Hubert: "Anthoine ist für mich ein Held, weil er dieses Risiko eingegangen ist, um seine Träume zu verwirklichen."
Hamilton wird am Sonntag wie gewohnt in seinen Mercedes steigen, der Grand Prix der Formel 1 findet ab 15.10 Uhr ganz normal statt. Sebastian Vettel und Co. werden dabei natürlich auch die Unfallstelle passieren. Nahezu alle Piloten der höchsten Rennserien drückten Huberts Familie noch am Samstag ihr Mitgefühl aus. "Heute fahren wir ein Rennen. Wir machen das mit schweren Herzen und tragen die Erinnerung an Anthoine in uns", hieß es am Sonntag wenige Stunden vor dem Start in Spa-Francorchamps auf dem offiziellen Twitter-Account. Eine Absage oder Verschiebung des Rennens kam trotz der tragischen Ereignisse am Vortag nicht in Frage.
Weiter hieß es in dem Tweet: "Genau wie für Anthoine, ist Racing unsere Passion und unser Traum. Es definiert uns. Also fahren wir heute für Anthoine. Heute und für immer werden wir ihn ehren."
Formel 2-Auto wurde in mehrere Teile gerissen
Das Drama hatte sich nur einen Tag zuvor ereignet. Am Samstag um 17.07 Uhr verlor Hubert aus noch ungeklärter Ursache die Kontrolle über sein Fahrzeug und krachte nach der Eau-Rouge-Kurve in die Begrenzung. Sein Bolide wurde zurück auf die Strecke geschleudert und mit voller Wucht vom Auto des Amerikaners Juan Manuel Correa erfasst. Während sich der 20 Jahre alte Correa überschlug und sein Fahrzeug kopfüber auf der Strecke liegenblieb, zerschellte Huberts Bolide in mehrere Teile. Eine genaue Untersuchung des Vorfalls soll folgen.
Das Hauptrennen der wichtigsten Nachwuchsserie wurde zunächst unter- und kurz darauf abgebrochen. Der Motorsport-Weltverband FIA erklärte, dass Hubert seinen Verletzungen um 18.35 Uhr erlag. Er verstarb im medizinischen Zentrum an der Rennstrecke und konnte nicht einmal mehr in ein Krankenhaus gebracht werden.
Auch der in Ecuador geborenen Correa wurde bei dem Crash schwer verletzt. Wie am Sonntag auf der Internetseite des 20-Jährigen mitgeteilt wurde, erlitt er Brüche an beiden Beinen sowie eine leichtere Verletzung an der Wirbelsäule. Er wurde noch am Samstag in einem Krankenhaus im belgischen Lüttich operiert und befindet sich aktuell auf der Intensivstation. Sein Zustand sei stabil, hieß es weiter. Correa war bei dem Crash machtlos und hatte keine Chance, angemessen auf die Situation zu reagieren.
Es in die Formel 1 zu schaffen, war sein großer Traum
Der in Lyon geborene Hubert galt als großer Hoffnungsträger des französischen Motorsports nach den Formel-1-erfahrenen Fahrern Pierre Gasly und Esteban Ocon. Im Vorjahr krönte sich Hubert zum Meister in der GP3 und war bereits Teil des Nachwuchsprogramms beim Formel-1-Team Renault. Es in die Königsklasse zu schaffen, war sein großer Traum - und durchaus realistisch. Vor seinem letzten Rennen war er der bestplatzierte Neuling in der Formel 2. Das Talent konnte schon die Sprintrennen in Monaco und Frankreich gewinnen, lag als Rookie auf dem starken achten Rang der Gesamtwertung.
"Ich kann es nicht glauben. Wir waren im gleichen Alter, wir haben zusammen mit dem Rennen angefangen und jahrelang auf der Strecke gegeneinander gekämpft", twitterte Landsmann Ocon und postete ein gemeinsames Foto. Das tat auch Ferrari-Fahrer Charles Leclerc, der Formel-1-Teamkollege von Sebastian Vettel. "Ich kann es nicht glauben. Ruhe in Frieden", postete der Monegasse bei Instagram.
Huberts Unfall war einer der schlimmsten in der Geschichte des Rennsports
Mick Schumacher war in den Unfall nicht verwickelt und konnte die Szene aus seinem Cockpit auch nicht sehen. Der 20 Jahre alte Sohn von Michael Schumacher passierte die Stelle Sekunden vor dem Unglück und blieb unbeschadet. Ins Cockpit muss er am Sonntag genau wie seine Kollegen nicht steigen, die Führung der Rennserie entschied sich, das geplante Formel-2-Sprintrennen abzusagen.
Schwere Unfälle gibt es im Motorsport zwar häufiger, der Tod Huberts in Spa-Francorchamps stellte jedoch den schlimmsten Rennunfall bei einer FIA-Veranstaltung seit dem Formel-1-Rennen im Herbst 2014 in Japan dar. In Suzuka hatte der Franzose Jules Bianchi schwerste Kopfverletzungen erlitten und starb nach langer Zeit im Koma im Sommer des folgenden Jahres in Nizza.