Giorgos Papandreou kommt nicht als reuiger Sünder nach Berlin. Selbstbewusst und mit Nachdruck stellte sich der griechische Ministerpräsident ans Rednerpult beim Tag der deutschen Industrie. "Yes, we can", sagte Papandreou zuversichtlich - und zitierte damit in Worten und elanvoller Haltung US-Präsident Barack Obama. Gemeint war die Bewältigung der Schuldenkrise. Schließlich ist Griechenland - was die Staatsschulden anbelangt - das Amerika Europas. Papandrepou sieht nichtsdestotrotz das Potenzial in Europa, die Krise als Chance zu einem wirklichen Wechsel zu nutzen.
Er betonte, Griechenland stehe zu seinen Zusagen, um die nächste Milliardenrate von Europäern und Internationalem Währungsfonds zu bekommen. "Ich kann garantieren: Griechenland wird alle Verpflichtungen erfüllen." Alle Reformauflagen der internationalen Troika wird das Land umsetzen. Die Experten von IWF, EZB und EU-Kommission werden in dieser Woche nach Athen zurückkehren. Die Troika muss ein Urteil fällen, ob das Land weitere Hilfskredite der internationalen Gemeinschaft erhalten soll.
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Der griechische Regierungschef übte zugleich Selbstkritik. "Wir sind kein armes Land, wir waren ein schlecht geführtes Land." Man sei mitten auf einem "schmerzhaften Weg". Er rief Investoren zu einem stärkeren Engagement in seinem Land auf, um es für die Zukunft zu rüsten.
Papandreou wirbt für sein Volk
Griechenland habe allein 2010 sein Defizit gewaltig reduziert. Zum Vergleich: Deutschland hätte dafür 125 Milliarden Euro sparen müssen, sagte Papandreou. Er dankte den Euro-Partnern für die Solidarität. "Das gibt uns die Zeit für Veränderungen." Die trotz allem "anhaltende Kritik" an seinem Land sei "zutiefst frustrierend". Dies gelte "nicht nur für die politische Ebene", sondern vor allem auch "für die Griechen, die schmerzhafte Opfer und schwierige Veränderungen erfahren...Wenn die Menschen nur Bestrafung und Verachtung spüren, wird aus dieser Krise keine Chance", warnte der Ministerpräsident. Papandreou will am Abend auch Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen, um über die Schuldenkrise zu beraten.
Der griechische Regierungschef wurde von den Vertretern des Industrieverbandes BDI mit langem Beifall begrüßt. Verbandschef Hans-Peter Keitel nannte dies ein Zeichen des Dankes und des Respekts für die Anstrengungen Griechenlands, um aus der Schuldenkrise herauszukommen. "Sie stehen nicht allein vor Ihren großen Aufgaben."
Finanzminister assistiert von Athen aus
Während sein Chef in Berlin um Vertrauen wirbt, trommelt der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos zuhause für den Sparkurs der Regierung. Er versprach der Geber-Troika weitere Sanierungsmaßnahmen für das Land. Die zusätzlichen Kürzungen sollten bis Ende Oktober verabschiedet sein, erklärte Venizelos in Athen.
Er zeigte sich davon überzeugt, dass die Troika bald grünes Licht für die Auszahlung der nächsten Tranche an Hilfsgeldern geben werde. Die Mittel aus dem ersten Rettungspaket würden im Oktober freigegeben.
Top-Ökonomen plädieren für Schuldenschnitt
Führende Wirtschaftswissenschaftler aus Deutschland und Frankreich sehen die Situation Griechenlands nicht annähernd so positiv wie Papandreou und sein Finanzminister. Sie fordern einen Schuldenschnitt von 50 Prozent für das Land. Dies hätte zwar erhebliche Folgen für andere Schuldenstaaten in der Eurozone, aber nur so könne langfristig Stabilität in der Währungsgemeinschaft geschaffen werden, schreiben die fünf deutschen Wirtschaftsweisen sowie Berater der französischen Regierung, des IWF und der EZB in einem Gastbeitrag für die "Financial Times Deutschland". "Die Gläubiger sollten auf ungefähr die Hälfte des Nominalwerts ihrer ausstehenden griechischen Staatsanleihen verzichten." Dazu sollten griechische Staatsanleihen im Wert von 100 Euro gegen eigene Anleihen des EU-Rettungsschirms EFSF zu 50 Euro getauscht werden können.
Wissenschaftler plädieren im Fall Griechenlands schon länger für eine Insolvenz mit Schuldenschnitt. Wer seine griechischen Staatsanleihen verkaufen möchte, bekommt am Markt bereits schon heute weniger als die Hälfte des Ausgabepreises.