Radikalkur bei Opel "Wir schließen gar nichts aus"

General Motors baut 12.000 Stellen ab. Allein bei der deutschen Tochter Opel müssen 10.000 Beschäftigte gehen - ein Drittel der Gesamtbelegschaft. Auch Werksschließungen werden nicht ausgeschlossen.

Der Europachef von General Motors (GM), Frederick Henderson, hat sicher schon angenehmere Tage als diesen erlebt: "Das ist ein ziemlicher nüchterner Tag", sagt Henderson angesichts der radikalen Sanierungspläne, die sein Unternehmen am Donnerstag der Belegschaft präsentiert. "Keine angenehme Situation, überhaupt nicht." Denn der traditionsreiche Autohersteller Opel steht vor einem dramatischen Stellenabbau: Der Mutterkonzern General Motors (GM) will in Europa binnen zwei Jahren bis zu 12.000 Arbeitsplätze streichen, nach Informationen des Betriebsrats entfallen davon rund 10.000 auf die deutschen Opel-Standorte. Das wäre fast jeder dritte Opel-Arbeitsplatz in Deutschland.

Personalabbau zu 90 Prozent im nächsten Jahr umsetzen

Der Personalabbau soll 2005 bereits zu mehr als 90 Prozent umgesetzt werden. Der GM-Betriebsrat kündigte für kommende Dienstag einen Aktionstag an, bei Opel Bochum legten Beschäftigte spontan die Arbeit nieder. Vertreter von Wirtschaft und Politik forderten den Erhalt der deutschen Opel-Standorte.

An den Standorten Rüsselsheim und Bochum sollten jeweils 4000 Jobs gestrichen werden, sagte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des Werks Bochum, Rainer Einenkel. Das Werk in Eisenach ist nach Angaben der Arbeitnehmervertretung nicht betroffen. Rund 1000 Stellen sollen nach GM-Angaben bei ausgelagerten Betriebsteilen wie dem Motorenhersteller Opel Powertrain in Kaiserslautern wegfallen, einem Joint-Venture mit Fiat. Vom Betriebsrat in Kaiserslautern verlautete, dort drohe der Abbau von 450 Stellen.

GM beschäftigt europaweit etwa 63.000 Mitarbeiter, davon rund 33.000 in Deutschland bei Opel. Bei Saab in Schweden würden 500 Stellen gestrichen, sagte Vorstandschef Peter Augustsson. Weitere Angaben, wo Arbeitsplätze verschwinden sollen, gab es zunächst nicht.

Es geht nicht um Werksschließungen

Der weltgrößte Autohersteller will die jährlichen Fixkosten bis 2006 um etwa 500 Millionen Euro senken. Die Kopfzahlen für einzelne Standorte würden zunächst mit den Arbeitnehmervertretern diskutiert, sagte GM-Europa-Chef Frederick Henderson in Rüsselsheim. "Wir werden mit den Betriebsräten konstruktiv an einer Lösung der jetzigen Aufgabe arbeiten", meinte der Manager. "Hier geht es nicht um Werksschließungen, dies sind kurzfristige Maßnahmen. Wir werden sie Standort für Standort umsetzen." Gleichzeitig wollte er Entlassungen und mittelfristig auch die Schließung eines Werks nicht ausschließen. "Wir schließen gar nichts aus." Es sollten aber Alternativen gefunden werden.

Zur Zukunft des 1962 eröffneten Bochumer Opel-Werks sagte der frühere Opel-Vorstandschef und GM-Europa-Vize Carl-Peter Forster: "Wir müssen Bochum auf ein wettbewerbfähiges Kostenniveau bringen - sonst sieht die Zukunft düster aus." Opel zahle in Deutschland übertarifliche Löhne. Angesichts der Konkurrenzsituation in Europa sei dies "unhaltbar".

Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz warf GM schwere Managementfehler vor. Durch die Angriffe auf die eigenen Werke sei das Image der Marken beschädigt worden: "Dieser kopflose Aktionismus dient nur der Befriedigung der Aktionäre in den USA". Franz nannte fünf Forderungen für Verhandlungen: Keine Werkschließung, keine betriebsbedingten Kündigungen, eine tragfähige Zukunftsoption für alle Automarken, eine Verkaufsoffensive und keine Verletzung nationaler Tarifverträge. "Unternehmen lassen sich nicht gesund sparen", meinte der Betriebsrat. IG-Metall-Vize Berthold Huber bescheinigte GM die "übliche Fantasielosigkeit".

Hintergrund für das Sanierungspaket seien die flaue Nachfrage, der zunehmende Wettbewerb und eine verschärfte Preissituation, hieß es bei GM. "Wir haben den schwachen Markt nicht vorausgesehen", sagte Forster. Besonders in Deutschland würden die Menschen zu wenig ausgeben, die Autohersteller müssten daher hohe Rabatte gewähren. Mit seinen neuen Modellen wie dem Astra liege Opel derzeit jedoch gut im Rennen, sagte der Manager. Der Marktanteile stabilisiere sich. "Es wurden Fehler gemacht. Aber das Qualitätsproblem haben wir korrigiert." Einen Aufschwung für 2005 erwarte er nicht, der Absatz werde sich voraussichtlich konstant entwickeln.

Opel, Saab und Vauxhall schreiben seit Jahren rote Zahlen

GM schreibt mit seinen europäischen Töchtern Opel, Saab und Vauxhall seit Jahren rote Zahlen. Der Autokonzern erzielte in Europa in den ersten neun Monaten 2004 einen deutlich erhöhten Verlust von 397 Millionen Dollar (Vorjahreszeitraum: minus 220 Millionen Dollar). Das gab das Unternehmen ebenfalls am Donnerstag in Detroit bekannt. General Motors müsse schneller auf "chronische strukturelle Kostenprobleme" reagieren, verteidigte Konzerzchef Rick Wagoner die drastischen Maßnahmen. Weltweit wurde von Januar bis September ein Gewinn von 3,1 Milliarden Euro, 2,8 Milliarden Dollar waren es 2003, erzielt, der Umsatz erhöhte sich von 136,5 Milliarden Euro auf 141,7 Milliarden Euro.

Europa-Chef Henderson bestätigte, dass die nächste Generation der Mittelklasse (Opel Vectra, Saab 9-3) entweder in Rüsselsheim oder im schwedischen Trollhättan gebaut werden solle. Das Verlierer-Werk könne, wenn es wettbewerbsfähig sei, zum Ausgleich die Produktion anderer Modelle übernehmen. Eine Entscheidung sei aber bisher noch nicht gefallen. Aus der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft DTM steige Opel aus Kostengründen nach Ende der Saison 2005 aus.

Wolfgang Clement trifft sich mit Betriebsräten

> "Jetzt gilt es, das Schlimmste zu verhindern und das Ausmaß des Schadens zu begrenzen", sagte Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) in Wiesbaden. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement reiste am Donnerstag nach Bochum, um sich mit NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück mit Betriebsräten und Vertretern der IG Metall zu treffen.

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