Deutschland wird nach Einschätzung der EU-Kommission 2005 das vierte Jahr in Folge gegen den Euro-Stabilitätspakt verstoßen und auch 2006 nur knapp unter der Verschuldungsgrenze bleiben. Die Bundesregierung widersprach am Dienstag umgehend der Prognose. Finanzminister Hans Eichel (SPD) ließ weiter offen, was er tun will, um die Maastricht-Vorgaben einzuhalten.
Die EU-Kommission schätzt das deutsche Staatsdefizit im kommenden Jahr auf 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Sie sieht die finanzielle Lage der Bundesrepublik damit ähnlich dramatisch wie die Wirtschaftsforschungsinstitute, die mehrheitlich von 3,5 Prozent ausgehen. Für 2006 rechnet EU-Währungskommissar Joaquin Almunia mit 2,9 Prozent. Wegen fortgesetzter Verstöße gegen den Maastricht-Vertrag hatte die EU 2003 ein Verfahren gegen Deutschland eröffnet, das mit Strafzahlungen in Milliardenhöhe enden könnte, aber derzeit auf Eis liegt. Das Abkommen erlaubt maximal drei Prozent.
"Wir wollen den Stabilitätspakt einhalten"
"Wir bleiben dabei: Wir wollen den Pakt einhalten und einen verfassungskonformen Haushalt vorlegen", sagte Eichels Ministerium mit Blick auf 2005. Entscheidungen über Maßnahmen zur Entlastung des Haushalts fielen "erst im Lichte der Steuerschätzung". Die Einhaltung der Defizitgrenze im nächsten Jahr werde nicht leicht sein. Dies habe die Bundesregierung in jüngster Zeit ebenfalls immer wieder erklärt, sagte ein Sprecher Eichels. Er verwies auf die differierenden Konjunkturprognosen der EU-Kommission und der Bundesregierung für kommendes Jahr. Brüssel schätzt das Wachstum auf 1,5 Prozent, Berlin auf 1,7 Prozent. Der Unterschied macht einige hundert Millionen Euro bei den Steuereinnahmen aus.
Eichel prüfte Tausch von Pensionen gegen Bargeld
Wirtschaftsminister Hans Eichel soll zur Etataufbesserung angeblich geprüft haben, ob der Bund Pensionsverpflichtungen von Telekom und Post übernehmen könne. Im Gegenzug sollte der Staat Milliarden von den beiden Unternehmen erhalten, wie die "Financial Times Deutschland" berichtete.
"Dies ist etwas, was wir tun könnten, auch weil es gleichzeitig die Attraktivität der Unternehmen bei Anlegern steigern könnte", sagte ein Regierungsmitarbeiter. Eichel würde damit dem Beispiel Frankreichs folgen. Dort hatte Finanzminister Nicolas Sarkozy unlängst eine ähnliche Milliarden-Transaktion zwischen dem französischen Staat und der Electricité de France angekündigt.
Kein französisches Modell in Deutschland
Das Bundesfinanzministerium stellt nun klar, dass das französische Modell nicht als Vorbild für Deutschland taugt und will nach eigenen Angaben die verbliebenen Pensionsverpflichtungen von Deutscher Post und Deutscher Telekom nicht übernehmen. "Das Bundesfinanzministerium hat geprüft, inwieweit das französische Modell zur Übernahme von langfristigen Pensionsverpflichtungen auch in Deutschland im Bereich der Postnachfolgeunternehmen in Betracht kommt", sagte ein Ministeriumssprecher am Dienstag in Berlin. Es sei in den Gesprächen mit den Postnachfolgeunternehmen jedoch einvernehmlich geklärt worden, dass eine Umsetzung dieses Modells nicht weiter verfolgt wird.