Defizit EU erwartet "heftige Anstrengungen"

Die EU-Finanzminister beraten über den wiederholten Verstoß Deutschlands gegen den EU-Stabilitätspakt. Während Bundesfinanzminister Eichel auf eine Gnadenfrist hofft, forderte der designierte Wirtschaftsminister Stoiber einen Nachtragshaushalt.

Auf die neue große Koalition in Berlin kommen milliardenschwere Sparanstrengungen zu: Die EU pocht auf die Einhaltung des Stabilitätspaktes spätestens 2007. Der Vorsitzende der Euro-Gruppe, der luxemburgische Regierungschef und Finanzminister Jean-Claude Juncker, sagte am Montag in Luxemburg am Rande von Beratungen mit seinen Amtskollegen der Euro-Zone, Deutschland müsse 2007 alle Bedingungen und Auflagen des Paktes erfüllen. Bundesfinanzminister Hans Eichel meinte zu diesem Termin: "Das verlangt heftige Anstrengungen."

Eichel zeigte sich zuversichtlich, dass die neue Regierung in Berlin die Frist von der EU eingeräumt bekommt. "2006 wäre ein ökonomischer Crash-Kurs." Der reformierte Stabilitätspakt müsse gelten, sagte Eichel. Sein größter Kritiker in der EU, der österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser, gab zu bedenken, dass Berlin den Stabilitätspakt bereits im vierten Jahr in Folge verletzt. "Es ist entscheidend, dass Deutschland zu einem höheren Wachstum kommt." Europa brauche nun rasch eine handlungsfähige deutsche Regierung.

Über den Fortgang des auf Eis liegenden deutschen Defizit- Verfahrens wird frühestens im November entschieden werden. Berlin hatte zugesagt, bereits im laufenden Jahr den Pakt wieder einzuhalten. EU-Währungskommissar Joaquín Almunia bemängelte, dass vor allem Deutschland, Luxemburg und Italien 2005 von den eigenen Schätzungen abwichen. Nach Auffassung der europäischen Statistikbehörde Eurostat dürfte das deutsche Defizit im laufenden Jahr rund 4 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt erreichen. Auch für 2006 rechnen Ökonomen mit einem Defizit von über 3 Prozent.

Stoiber fordert Nachtragshaushalt

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hat einen Nachtragshaushalt für 2005 gefordert, um die Finanzlage des Bundes ganz klar darzustellen. Stoiber verwies am Montagabend in München auf die noch höher als erwartet ausfallende Nettokreditaufnahme und auf die höher als gedachten Kosten durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Er halte daher einen Nachtragshaushalt "absolut für notwendig", sagte der CSU-Vorsitzende, der in der Koalition unter der Führung von CDU-Chefin Angela Merkel Minister für Wirtschaft und Technologie werden soll.

Die geplante große Koalition im Bund bezeichnete er nochmals als große Chance, um wichtige Veränderungen in Deutschland bewirken zu können. Auch sei nur in einer großen Koalition zu regeln, wie Deutschland mit der EU-Kommission wegen des mehrfachen Überschreitens der Defizitgrenze im Stabilitätspakt zurecht komme. "Wir müssen einen Plan vorlegen, dass wir durch eigene Maßnahmen 2007 wieder in die Nähe zu den drei Prozent kommen", sagte Stoiber. Sonst drohten Deutschland saftige Strafen. Auf die Frage, ob er in der großen Koalition auf seinem Posten bleibe, antwortete Bundesfinanzminister Eichel: "Jetzt klären wir erst einmal die Sachfragen, dann klären wir die Personalfragen."

Minister beraten über Ölpreise

Die Finanzminister der Euro-Zone berieten über die hohen Ölpreise. Grasser sagte: "Wir sehen eine gewisse Entspannung, weil die Preise (pro Barrel) von knapp 70 Dollar auf nun 58 Dollar zurückgekommen sind." Wegen der Rekordpreise erwartet die EU-Kommission im laufenden Jahr im Euro-Gebiet nur noch ein Wachstum von rund 1,2 Prozent. Unter den Ministern sind nationale Einzelmaßnahmen zur Unterstützung einzelner Branchen umstritten. Eichel sagte: "Das ist unerfreulich." Frankreich entlastet beispielsweise seine Landwirte.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Das Treffen wird am Dienstag im Kreis der Ressortchefs aller 25 EU-Staaten fortgesetzt werden. Sie wollen über den Defizitsünder Ungarn debattieren, der im laufenden Jahr laut Eurostat ein riesiges Defizit von 6 Prozent haben dürfte. Im Gespräch ist eine Sperrung von EU-Fördermitteln.

DPA · Reuters
DPA/Reuters