Massive Kritik an Verkehrsstrafenreform Ramsauers Alleinfahrt erzürnt alle

Unnötig und ungerecht: Ramsauers Reformpläne des Flensburger Punktesystems stoßen auf breiten Widerstand. Besonders eine mögliche Generalamnestie für bisherige Raser sorgt für Zündstoff.

Eigentlich sind die Reformpläne von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) für die Flensburger Verkehrssünderkartei bisher nur in groben Zügen bekannt geworden - und trotzdem stoßen sie bereits auf massive Kritik. Denn hinter der Reform steht, so sehen es die Gegner, ein unnötiger und verfehlter Komplettumbau des bestehenden Punktesystems.

Die Eckpunkte: In Zukunft muss der Führerschein bei einem Punktestand von acht abgeben werden, derzeit sind es 18. Anstelle der jetzigen Sanktionsstufen mit Punktevergaben von einem bis sieben Punkte, soll es nur noch zwei verschiedene Strafen (ein oder zwei Punkte) geben. Die weitere Differenzierung sollen Geldbußen leisten. Gleichzeitig wird die Verjährung von Punkten beschleunigt. Jede Strafe soll für sich allein verjähren, neue Punkte behindern das Verfallen der Altpunkte nicht länger.

Kritik am Reformvorhaben

Wie gesagt, Begeisterung hat die Reform nicht ausgelöst, im Gegenteil. Die Umstellung von 18 auf acht Punkte erscheint unnötig, eine Entrümpelung des Punktesystems und der Verjährungsfristen wäre auch ohne Großumstellung möglich. Der ADAC fürchtet, dass die Einführung von nur zwei Strafschwellen die Unterschiede zwischen kleinen Verstößen und schwerwiegenden Gefährdungen nivelliert. "Es erscheint höchst problematisch, wenn zur Verwaltungsvereinfachung kleine Nachlässigkeiten eines ansonsten verantwortungsbewussten Autofahrers mit dem bedenkenlosen Fehlverhalten von Verkehrsrowdys gleichgesetzt werden", erklärte auch Oskar Riedmeyer, Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins.

Polizisten fordern mehr Kontrollen

Die neue großzügige Verjährungsregel für das Punktekonto wird von der Opposition kritisiert. "Problematisch finde ich, dass die Kumulationswirkung wegfällt und dass die notorischen Sünder bessergestellt werden, weil die Delikte jeweils für sich genommen verjähren", sagte der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), der "Mitteldeutschen Zeitung".

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP), sieht keinen dringenden Handlungsbedarf beim Punktesystem. "Eine wirksame Verbesserung der Verkehrssicherheit wird nicht dadurch erreicht, dass ein funktionierendes und in der Bevölkerung akzeptiertes System auf den Kopf gestellt wird", sagte der GdP-Vorsitzende Bernhard Witthaut. Sicherere Straßen erreiche man durch eine konsequente Überwachung der dort geltenden Regeln: "Das kann nur die Polizei, aber davon ist zu wenig da. Nur wenn der Kontrolldruck stimmt, klappt's auch mit der Sicherheit."

Den AvD (Automobil Club von Deutschland) stört, dass die radikale Vereinfachung auf ein Zwei-Punktesystem, der unterschiedlichen Schwere der Verstöße nicht gerecht werde. Der AvD fürchtet außerdem, die Differenzierung werde in Zukunft über eine Anhebung der Geldbußen erreicht. Und weist derartige Pläne entschieden zurück, weil so der Eindruck entstehen müsse, dass die Reform nicht in erster Linie der Verkehrsicherheit diene, sondern eine finanzielle Einnahmequelle des Staates geschaffen werden soll.

Löschen der Altpunkte

Angesichts der absehbaren Schwierigkeiten, die bestehenden Alt-Punkte in ein neues System umzusetzen, deutet sich ein echter Skandal der geplanten Reform an. Ramsauer will offenbar Kosten, Mühen und Streit einer Umstellung sparen und plant 47 Millionen in Flensburg aufgelaufenen Altpunkte verfallen zu lassen.

Das Ministerium würde damit den Empfehlungen des einflussreichen Deutschen Verkehrsgerichtstags folgen. "Nach meiner Ansicht kann das nur so laufen, dass man einen scharfen Schnitt macht und sagt: Das ist nun alles Vergangenheit und jetzt wird neu angesammelt“, sagte Verkehrsgerichtstags-Präsident Kay Nehm der "Rheinischen Post". Eine Ansicht die von der Opposition nicht geteilt wird. "Alle Punkte, die gesammelt wurden, müssen ihre Gültigkeit behalten und umgerechnet werden", sagte Sören Bartol, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion.

Ende des Monats will der Minister seine Pläne detailliert vorstellen. Wenn er trotz des Sturms der Kritik eine breite Zustimmung erreichen will, wird er den Verdacht widerlegen müssen, dass mit der Reform notorische Verkehrssünder besser gestellt werden sollen. Unklar ist bislang auch, wie diese Reform neben einer Vereinfachung der Verwaltung die Verkehrssicherheit fördern soll.