Deutschlands Beamte Einfach unbezahlbar

Schon heute schlucken sie mehr als ein Viertel aller öffentlichen Ausgaben, in Zukunft kosten sie schlicht zu viel: Die Staatsdiener ruinieren ihren Herrn. Das wissen die Beamten, das wissen die Politiker. Doch keiner weiß: Was tun?

Es war einmal der kleine, nennen wir ihn Peter. Der war kaum hilfsbereit und selten nett. Der war verwöhnt und meistens lahm. Der war sehr dick und hässlich. Keiner konnte ihn leiden. Nicht einmal seine Eltern. Eines Tages sagten sie: "Peter, du kostest uns zu viele Nerven und vor allem zu viel Geld. Du musst dünner, schneller, netter werden, sonst geben wir dich weg." Da schrie und weinte der kleine Peter. Es war doch alles so gemütlich und schön bequem. Und so sollte es bleiben.

Was ist der Unterschied zwischen Peter und dem öffentlichen Dienst? Peter ist einer, der öffentliche Dienst sind knapp fünf Millionen.1,7 Millionen Beamte, 2,3 Millionen Angestellte, 626 000 Arbeiter, 185 000 Soldaten - Bund, Länder und Gemeinden beschäftigen fast doppelt so viele Menschen, wie Rom Einwohner hat, und deren Unterhalt 172 Milliarden Euro und damit 28 Prozent der gesamten öffentlichen Ausgaben verschlingt. Auf 13 Erwachsene kommt ein staatlich Bediensteter - das klingt nach hinreichendem Service für den Bürger und bedeutet doch nur Schulden und Schulden und noch mehr Schulden. Was ist das Blödeste am kleinen Peter und dem öffentlichen Dienst? Beide wird man nicht mehr los - was auch immer passiert, bis dass der Tod uns scheidet.

Zarter Vorgeschmack auf das, was kommen wird

Schon heute lasten auf jedem Bürger 8839 Euro Bundesschulden und 4940 Euro Landesschulden - erdrückend und doch nicht mehr als ein zarter Vorgeschmack auf das, was kommen wird. Mit der Versorgung der Beamten donnern Kosten auf die Haushalte zu, die in diesem Schuldenberg noch gar nicht eingerechnet sind. Nach Berechnungen der Speyerer Finanzwissenschaftlerin Gisela Färber belaufen sich die Pensionsansprüche der Beamten auf rund 500 Milliarden Euro - etwa 40 Prozent zusätzlich zur heute öffentlich zugegebenen Staatsverschuldung.

Gingen die Staatsdiener mit 65 in den Ruhestand, so wären die Kosten schon kaum zu tragen. Doch 40 Prozent aller Beamten lassen sich wegen Dienstunfähigkeit frühzeitig pensionieren - bei den Lehrern sind es sogar 54 Prozent. Bereits heute schlucken Pensionen und die Bezahlung des Personals mehr als die Hälfte der Einkünfte der Bundesländer. 2003 lagen die Pensionszahlungen bei 25 Milliarden Euro, 2030 werden es mindestens 74 Milliarden sein, zehn Jahre später 87 Milliarden - ein riesiger Kosten-Meteorit, der aufs Land zurast und näher kommt und immer größer wird und bald schon einen gigantischen Krater reißt. Das sagen die Berechnungen. Das ist sicher. Das wissen sie, die Politiker und die Beamten. Dennoch verharren sie, schließen die Augen und reden sich ein: Der grelle Schein am Himmel, ach, das ist nur ein kleiner Stern - ein ganz normaler, guter, alter Stern.

Buch-Tipp

Olaf Baale, Die Verwaltungsarmee, dtv, 220 Seiten, 13 Euro

Die Geschichte vom Pensionsmeteoriten ist die Geschichte vom ganz normalen Versagen der Politik. Die ist nicht gut. Die ist nur alt: Vor langer Zeit, man schrieb das Jahr 1957, da verzichteten die Beamten auf sieben Prozent ihrer Grundbesoldung. Beamte bekommen kein Gehalt, Beamte werden vom Staat alimentiert, dem sie dafür treu und gehorsam und lebenslang dienen. Sie zahlen auch nicht in die Rentenkasse ein, sondern bekommen ihre Pension aus den laufenden Steuereinnahmen. Diese sieben Prozent von 1957 sollten für die künftige Altersversorgung der treuen Diener zurückgelegt werden. Dumm nur, dass gar nichts zurückgelegt, sondern alles verprasst wurde. Noch dümmer, dass Bund, Länder und Gemeinden in den sechziger und siebziger Jahren ganzen Heerscharen den Beamtenstatus verliehen. Weil Beamte erst einmal günstiger sind. Weil für Beamte keine Sozialabgaben fällig werden - keine Arbeitslosenversicherung, kein Rentenbeitrag, nichts. Wenn man zum Beispiel 6000 neue Beamte einstellt, spart man zunächst 79 Millionen Euro pro Jahr. Wie verlockend! Und so verbeamteten sie und verbeamteten und verbeamten bis heute. Und später? Egal. Wie zahlen? Keine Ahnung. Eine ganz normale Geschichte vom Versagen der Politik.

So viel Neid, so viele Vorwürfe

"Seit 20 Jahren gibt es die Sorge um die wachsenden Pensionslasten, und jetzt wird so getan, als seien die Beamten schuld. Das sind wir ganz und gar nicht. Uns steht das Geld zu", sagt Herbert Bartsch, Vorsitzender des Bundes der Ruhestandsbeamten. Herr Bartsch sitzt im Ledersessel in Bad Kissingen auf der Jahrestagung des Deutschen Beamtenbundes und macht sich Sorgen. So viel Neid, so viele Vorwürfe, kaum hat man die eine Kröte geschluckt, da reichen sie schon die nächste. Inzwischen halten seine Leute alles für möglich - sogar das Kürzen der Pensionen. Wäre ja nicht neu. Haben sie ja schon mal gemacht.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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Früher bekam ein Beamter im Ruhestand 75 Prozent seines letzten Gehaltes, heute sind es nur noch 71,75 Prozent - immerhin. So ist das beim normalen Rentner nicht, der bekommt nur einen kompliziert berechneten Durchschnitt all seiner Gehälter, auch der niedrigen. Ein Pensionär mit Besoldungsstufe A 13 erhält netto 28 094 Euro pro Jahr, ein Rentner mit ehemals vergleichbarem Gehalt 5728 Euro weniger. "Die Pensionen müssen uns vielleicht in 30 Jahren Sorgen machen, aber jetzt nicht. Die Politiker sollen nicht so ein Zeug erzählen", sagt Herr Bartsch. Er ist erbost.

Nicht nur Herr Bartsch ist erbost. Es grummelt allerorten bei den Beamten - wegen der allgemeinen gemeinen Hatz auf sie sowieso, wegen der merkwürdigen Worte des eigenen Vorsitzenden Peter Heesen aber auch. "Wir brauchen mehr Eingriffsmöglichkeiten bei faulen Beamten", hatte der in einem Interview gesagt. Da schwollen die Zornesadern, da ballten sich die Fäuste in den eigenen Reihen.

"Faul" und "Beamter" in einem Satz? Na bestens, jetzt fängt der eigene Vorsitzende auch schon an! Doch was Herr Heesen damit meinte, hatte der Beamtenbund eigentlich schon selbst beschlossen: Leistungskriterien auch für die Unkündbaren.

Leistung zählt nichts, Sitzfleisch alles

Bisher wird man zum Beamten ernannt, und dann steigt man auf - unaufhaltsam, mit mehr Gehalt, alle paar Jahre befördert, egal, ob es etwas zu befördern gibt, immer weiter und immer nach oben. Leistung zählt nichts, Sitzfleisch alles. "Wir wollen Leistungsanreize bei der Besoldung. Davor haben wir überhaupt keine Angst", sagt Herr Heesen. Das klingt neu. Das klingt nach Reform. Das klingt nach ein bisschen Bewegung im Gestein. Das klingt nach einem kleinen Peter, der nicht ganz so schreit und weint.

Peter Heesen ist ein dicker Mann, der nicht nur lachen, sondern auch drohen kann. 1,26 Millionen Mitglieder sind in seiner Gewerkschaft vereint - eine gewaltige Ansammlung, die sich ihrer Macht bewusst ist. Wenn Politiker über den öffentlichen Dienst entscheiden, so ist es, als entschieden Süchtige über ihre Droge. 254 der 603 Mitglieder des Bundestages gehörten in ihrem letzten Leben zum öffentlichen Dienst. Im Innenausschuss, der für alle Belange der Bediensteten zuständig ist, stellen sie die Mehrheit. Ob in den Landesparlamenten oder an den Parteibasen - die Staatsdiener sitzen dicht gedrängt. So ist es egal, wie die Politiker auch röhren mögen, egal, welche Salven gegen die Privilegierten gefeuert werden - Herr Heesen hat keine Angst, Herr Heesen weiß um seine Macht.

Eine kleine Anekdote, die das beweist: Im November 2003 traf sich der Beamtenbund zum Gewerkschaftstag in Leipzig. Alle hatten sich brav angemeldet - Bundesinnenminister Otto Schily, CDU-Chefin Angela Merkel, SPD-Fraktionsvorsitzender Franz Müntefering und Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckhart - sie alle wollten ihre Reden halten. Doch an diesem Tag hing dichter Nebel über dem Land, die Piloten rieten dem Minister ab, in den Helikopter zu steigen, und auch der Rest der Politprominenz musste in Berlin ausharren, denn im Bundestag standen wichtige Abstimmungen an. So sagten sie alle ab, in letzter Sekunde. Die Beamten und Herr Heesen fühlten sich aufs Tödlichste beleidigt. "So lassen wir uns nicht behandeln", rief der frisch gewählte Vorsitzende ins Mikrofon, "am zweiten Tag meines Amtes habe ich die Schnauze schon voll", und verkündete, binnen der nächsten sechs Wochen hätten die Politiker beim Beamtenbund anzutreten. "Und wer dann fehlt", bollerte Heesen, "der braucht im Leben nicht mehr zu kommen." O ja, Herr Heesen kann sehr ungemütlich werden. O ja, natürlich kamen die Politiker zum zweiten Termin ins feine Berliner Hotel "Interconti". Und wie sie kamen, allesamt, und wie sie ihre Reden hielten, sehr engagiert, und wie sie sich ohne Murren ein bisschen noch den Po versohlen ließen - ach, wie tat das der geschundenen Beamtenseele gut!

Beamtentum so alt wie die Dampfmaschine

Das deutsche Beamtentum ist so alt wie die Dampfmaschine - ein Fossil aus dem frühen 18. Jahrhundert. Damals verfiel Friedrich Wilhelm I. auf die Idee, einige Untertanen mit besonderen Rechten und Pflichten auszustatten und damit fest an sich zu binden. Er wollte die Macht des dreisten und korrupten Landadels eindämmen. Dafür stellte sich der Soldatenkönig eine Art Verwaltungsarmee zusammen: streng hierarchisch, voller Hingabe zum Herrscher, pflichtbewusst, gut ausgebildet und unbestechlich - Fürstendiener. Erst rund 100 Jahre später wurden die Fürstendiener zu Staatsdienern. Mit der "Staatsdienerpragmatik" von 1805 schuf der bayerische Staatsminister Graf Montgelas das Fundament für alle deutschen Beamtengesetze: festgelegte Besoldung mit Beförderungs- und Pensionsberechtigung, Versorgung der Hinterbliebenen und Anstellung ein Leben lang.

Eben dieses "lebenslänglich", diese garantierte Unkündbarkeit, treibt bis heute merkwürdige Blüten - so auch die besonders schrille Blüte des Wanderpokals. Die treibt folgendermaßen: Der Beamte, nennen wir ihn Schmidt, ist zu faul und zu dumm. Seine Abteilung will ihn los werden. Nun hat Schmidts Chef zwei Möglichkeiten: Entweder er schafft einen neuen, höheren und besser bezahlten Posten eigens für Schmidt - das nennt man "wegloben". Oder er fragt den Nachbarchef, ob der den Schmidt haben will. Will der natürlich nicht. Also bietet der Schmidt-Chef dem Nachbarchef an, dass er zur Entschädigung obendrauf den guten Müller bekommt. So einigt man sich schließlich, und der schlechte Schmidt wandert und wandert, von Posten zu Posten und weiter und bis zum hoch bezahlten Ministerialdirektor und weiter und höher, bis er endlich und lange vor seinem 65. Geburtstag in den nicht verdienten, aber gut bezahlten Ruhestand geht.

Die merkwürdigen Strukturen des Beamtentums haben alles überdauert - Revolutionen, Kriege, neue Verfassungen, alles. Und sie haben vor allem zu einem geführt: zur gnadenlosen Ausbreitung der Klasse des bürokratischen Adels. Für jedes neue Problem: neue Staatsdiener. Für jedes alte Problem: noch mehr Staatsdiener. Für jedes wegfallende Problem: nicht einen Staatsdiener weniger. In den ersten vier Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Zahl der öffentlich Bediensteten fast verdreifacht - von 2,3 Millionen auf 6,6 Millionen 1991. Die Zahl der Beamten stieg von 800 000 auf 2,2 Millionen 1993. Zwar sinkt sie seitdem leicht - doch das liegt vor allem an der Privatisierung von Post und Bahn und bringt dem Staatshaushalt keine Erleichterung, denn auch wenn Beamte privatisiert werden, bleiben die Verpflichtungen. Lebenslänglich.

Geheule, Geschrei und neidgelbe Kritik

Heinz Ossenkamp kann diese "ewigen Neiddiskussionen" nicht mehr hören. Neiddiskussionen - so nennt er das Geheule wegen der Unkündbarkeit, das Geschrei um die Versorgungslasten, diese ganze neidgelbe Kritik an den Beamten und ihrer Arbeit. Ossenkamp ist Vizechef des Beamtenbundes und Rheinländer durch und durch. Kommt aus Bonn, hat früher mit Erfolg Fußball gespielt, wurde Verwaltungswirt, Beamter und Funktionär. "Es ist doch so", sagt er, "nur weil es den anderen schlechter geht, muss es uns doch nicht auch schlechter gehen. Das ist wirklich ein bizarres Argument! Man sollte eher dafür sorgen, dass es den anderen wieder besser geht."

Und er hält inne und nippt am Wein und redet weiter: "Wenn mir einer mangelnde Solidarität vorwirft, dann werde ich sauer. Alles kann man mir vorwerfen. Aber das nicht! Solidarität geht bei mir über alles. Wir strapazieren nicht Solidarität, wir praktizieren sie", redet er und redet weiter und immer Richtung Rage: Beamte braucht man doch! Beamte könnten in der freien Wirtschaft so viel mehr verdienen! Beamte streiken nicht! Die armen Schüler, wenn plötzlich die Lehrer Ausstand feierten! Die armen Bürger, die plötzlich vor verschlossenen Amtstüren stünden!

Aber wenn man so böse wie derzeit mit den Beamten umgeht, dann sollen sie mal sehen, auf wen die Eltern beim Lehrerstreik sauer sind - auf die Beamten oder auf die Herren und Damen Politiker, sollen sie doch mal sehen - und Herr Ossenkamp redet und redet weiter - die ganze Beamtenlitanei.

Im Beamtenbund sind sowohl Beamte als auch Angestellte des öffentlichen Dienstes organisiert. Als Angestellter ist man nicht ganz so privilegiert, doch man ist sehr viel privilegierter als in der freien Wirtschaft: nach 15 Jahren unkündbar, eine galaktisch gute Rentenzusatzversicherung, satte Löhne und noch sattere Erhöhungen, im letzten Jahr zwischen drei und vier Prozent. Der nach Bundesangestelltentarif bezahlte Müllwerker ist im Osten des Landes oftmals besser gestellt als der Ingenieur im freien Planungsbüro. Die Angestellten haben durch ihre Tarifverträge sogar ein paar Vorteile, die sich Beamte wünschen würden. Beamte kann man versetzen. Angestellte nicht. Beamte dürfen nicht streiken. Angestellte schon. Den Landesbeamten kann man inzwischen nach Belieben das Weihnachts- und Urlaubsgeld kürzen. Den Angestellten nicht. Alles schön, alles gemütlich, alles wie in Mutters Schoß.

Allerdings - auch den Angestellten bläst inzwischen ein kräftiger Wind entgegen: Die lukrative Zusatzrente, die 90 Prozent des letzten Gehaltes versprach, wurde bereits einmal gesenkt, und sie wird weiter sinken. Viel weiter. Die zuständige Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder schiebt schätzungsweise 250 Milliarden Euro an Rentenansprüchen vor sich her - unbezahlbar. Der Bundesinnenminister weiß es, die Länder wissen es, Heinz Ossenkamp und Peter Heesen wissen es auch. Es wird eng. Es wird böse. Es wird ein harter Kampf. "Unsere Streikkassen sind gut gefüllt", sagt Herr Heesen sehr süffisant, "aber mancher in der Politik wird nur durch Erfahrung klüger - und wir tragen gerne dazu bei, dass die ihren Erfahrungshorizont erweitern können." Herr Heesen vertritt eben nicht nur die Beamten, er vertritt auch die Angestellten, und die dürfen ja nun streiken.

Was ist hoheitsrechtlich?

Weil in den vergangenen Jahren je nach Laune und Arbeitsmarktlage wild durcheinander verbeamtet oder nur ein normaler Vertrag angeboten wurde, sitzen heute Beamte und Angestellte Seite an Seite und verrichten dieselbe Arbeit. Eigentlich sollen Beamte nur all jene sein, die "hoheitsrechtliche Befugnisse" ausüben. Was aber ist hoheitsrechtlich? Justiz? Sicher. Polizei? Sicher auch. Lehrer? Warum eigentlich? Mitarbeiter eines Pferdegestüts in Nordrhein-Westfalen? Sicher nicht. "Wenn die Gewerkschaften behaupten, das Beamtentum sei nötig, weil sonst wegen Streiks alles zusammenbräche, frage ich mich, warum der Müll verlässlich abgeholt wird und die Zeitungen täglich erscheinen. In diesen Bereichen ist doch auch keiner verbeamtet", sagt Ehrhart Körting, Innensenator von Berlin und seines Zeichens Ketzer gegen den öffentlichen Dienst.

In der Hauptstadt ist die finanzielle Lage besonders prekär. In der Hauptstadt könnte man langfristig gut und gerne auf 30 000 der 150 000 Staatsdiener verzichten. In der Hauptstadt kann man sie sich schlicht nicht mehr leisten. Und so stieg der Innensenator im vergangenen Jahr aus dem Tarifverbund aus und initiierte im Bundesrat die Einführung der so genannten Öffnungsklauseln, auf dass die Länder über die Besoldung der Beamten in Zukunft ein wenig selbstständiger entscheiden können. Ein erster Schritt. Und der nächste folgte in diesem März: Die Länder kündigten den Tarifvertrag zur Arbeitszeit. Neu beschäftigte Angestellte in Westdeutschland sollen künftig statt 38,5 nun 40 Stunden arbeiten. "Es wird sich nichts ändern, wenn man nur das Berufsbeamtentum reformiert. Man muss auch das versteinerte Tarifrecht der Angestellten neu regeln, sonst hat man wenig gewonnen", sagt Körting. Er klingt so, als wolle er den kleinen Peter wirklich mal auf Trab bringen.

Auch Peer Steinbrück, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, will sich den öffentlichen Dienst vorknöpfen. Dafür hat er eine Regierungskommission zusammengerufen, deren Lösungsvorschläge radikal klingen. Das althergebrachte Berufsbeamtentum sei leistungsfeindlich, unflexibel, unökonomisch und durch die immensen Pensionslasten eine Gefahr für die Zukunft, befanden die Wissenschaftler und plädieren in ihrem Bericht nicht nur für leistungsgerechte Bezahlung, besseres Personal und weitreichende Umstrukturierung, sondern für die Abschaffung des ganzen Standes. Zack und weg damit! Der Dampfmaschine nach!

"Es darf keine Denkverbote geben"

"Einige Berufsgruppen wie Polizei, Feuerwehr und auch Finanzbeamte sollten besonders geschützt werden. Aber dazu brauchen wir nicht den Berufsbeamten, sondern besonders gestaltete Arbeitsverträge", sagt Professor Hans Peter Bull, Verwaltungswissenschaftler und Leiter der Kommission. Berlins Senator Körting argumentiert: "Ich finde, dass Mitarbeiter der Finanzverwaltung nicht zwingend verbeamtet sein müssen. Bei der Überlegung, wer Beamter sein sollte und wer nicht, darf es keine Denkverbote geben."

Wenn man wirklich das Berufsbeamtentum abschaffen wollte, müsste man das Grundgesetz ändern. Die dafür nötige Zwei-Drittel-Mehrheit wird man in diesem Staatsdiener-Bundestag kaum finden. Und doch - die bequemen Zeiten der Privilegierten scheinen vorbei. Kürzlich forderte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, Staatsdiener sollten künftig bis zu 42 Stunden pro Woche arbeiten. Auch der ehemalige Staatssekretär Wolfgang Riotte ist von der Landesregierung dazu beauftragt und wild entschlossen, die Bull-Vorschläge in Nordrhein- Westfalen so weit wie möglich umzusetzen. Er weiß aber, dass die Sache teuer wird. Wenn das Land in Zukunft nicht mehr verbeamtet, muss es Sozialabgaben zahlen - zunächst nur einige Millionen, irgendwann aber bis zu drei Milliarden Euro mehr pro Jahr. "Erst nach weit über 30 Jahren wird sich der harte Schnitt auszahlen und das Land sparen", sagt Riotte.

Es war einmal der kleine Peter. Zu dem sagten die Eltern: "Peter, du kostest uns zu viele Nerven und vor allem zu viel Geld. Du musst dünner, schneller, netter werden, sonst geben wir dich weg." Da schrie und weinte der kleine Peter: "Das könnt ihr doch nicht machen! Ich bin euer eigen Fleisch und Blut! Ich bin nur das, was ihr aus mir gemacht habt." Die Eltern sahen sich lange an - schließlich sagten sie: "Peter, du kannst schreien und brüllen. Es ändert nichts an unserem Entschluss: Du musst dich ändern."

Franziska Reich und Kerstin Schneider / Mitarbeit: Frank Schulte

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