Das Cowboy-Bike verspricht ein Kunststück: Es sieht unverschämt gut aus, ist total vernetzt und soll dennoch im Alltag weitgehend wartungs- und ärgerfrei arbeiten. "Wir wollen ein wunderschönes Rad herstellen", sagte Cowboy-Mitgründer und CEO Adrien Roose zum stern. "Wir wollen Bikes zu einem aufregenden Preis verkaufen und einen Mehrwert in Sachen Konnektivität bieten."
Im Sommer 2015 hat Adrian Roose mit zwei Partnern die Firma gegründet. "Unsere Idee war damals: Wir wollten etwas zur urbanen Mobilität beitragen. Was genau, wussten wir noch nicht. Aber man kommt an E-Bikes nicht vorbei. Dummerweise verstanden wir von der Fahrradindustrie und von Fahrrädern überhaupt nichts. Wir waren komplette Neulinge. Wir haben erst mal gegoogelt, dann sind wir zu Messen gegangen und haben mit Herstellern gesprochen."
Die Gründer haben schnell erkannt, dass ältere Menschen die Early Adopter für die neue Technologie E-Bike gewesen sind. Die Lücke im Markt für Newcomer sind die jüngeren Käufer, denn an diese Gruppe arbeiten sich auch die großen Hersteller noch heran.
Design ist der Schlüssel
Der Schlüssel, um deren Aufmerksamkeit zu erringen, ist das Design. Der Rahmen des Cowboys erinnert an einen sportlichen City-Racer. Der Akku sitzt in der Sattelstange und ist kaum auszumachen, der Motor in der Hinterradnabe ist auch nicht größer oder auffälliger als eine Nabenschaltung. Das Cowboy lässt sich kaum als E-Bike ausmachen. Dazu ist es "gecleant" aufgebaut, die Züge verlaufen im Rahmen. Es sitzt auch keine hässliche Kontrolleinheit auf dem Vorbau. "Als eines der ersten Dinge haben wir uns entschieden, keinen Screen am Rad anzubauen, sondern das Smartphone der Leute zu benutzen", sagt Roose dazu.
Das Cowboy wird per App gesteuert. Wenn man mag, kann man das Smartphone am Rad befestigen. Schöner und praktischer wird es, wenn das Smartphone in der Tasche bleibt. Vorderer und hinterer Scheinwerfer sind im Rahmen integriert. Auch hier entfallen sichtbare Kabel und die Anbauadapter. Obendrein fungiert die hintere, rote Leuchte als Bremslicht.
Das Cowboy besitzt keine Schaltung, dadurch wirkt das Cockpit noch aufgeräumter. Schließlich gibt es weder Schaltzug noch Schalteinheit am Lenker. "Die Unterstützung funktioniert automatisch. Der Drehmoment-Sensor sitzt im Motor, der Grad der Unterstützung wird automatisch gewählt." Die Kraftübertragung der Pedale erfolgt durch einen Riemen, die Kraft des Motors setzt erst im Hinterrad ein. Das Rad benötigt daher kein schmieriges Kettenfett.
App steuert das Rad
Schaltzentrale des Cowboys ist eine App. Eine App, das hört sich heute nicht so besonders an. Bei Fahrrädern hat die Entscheidung für eine App allerdings große Folgen. Wer eine Appsteuerung will, kann derzeit kein System der großen Player benutzen. "Die meisten Hersteller kaufen fertige Antriebssysteme wie das von Bosch. Das wollten wir nicht. Wir haben ganz von vorne angefangen und haben uns auf die Elektronik und die Konnektivität konzentriert."
Mit der App kann man sich Routen und Funktionen anzeigen lassen. Man muss es aber nicht. Das Cowboy lässt sich auch benutzen, ohne das Phone in die Hand zu nehmen. Die App fungiert zudem als Diebstahlschutz. Erst durch die Bluetooth-Kopplung wird das Rad entsperrt. Sollte das Rad doch gestohlen sein, oder hat man nur vergessen, wo es abgestellt wurde, lässt sich das Cowboy per App tracken, denn es besitzt eine eigene Sim-Karte – zunächst wird es per GPS geortet, in der Nähe dann auch per Bluetooth.
Angesichts der Volksseuche Fahrradklau meinen wir jedoch, man solle das Rad doch besser anschließen.
Mit der Sim-Karte ist das Cowboy stets vernetzt. Technische Probleme mit dem Rad werden an den Server übertragen, gleichzeitig bekommt man immer die aktuellste Software für die Steuerung des Rades – das System aktualisiert sich selbst. "Kurz bevor wir hier angekommen sind, hat unser Test-Bike ein Update bekommen", erklärt Roose. Unserer Meinung nach ist das ein großer Vorteil. Für derartige Upgrades muss man bei den großen Herstellern zu einem Vertragspartner vorbeifahren, der das Update dann gegen entsprechendes Entgelt aufspielt. Kommt man mit dem Cowboy mal nicht weiter, gibt es per Chat fachkundige Hilfe.
Wartungsarmes Konzept
Das Rad wurde so aufgebaut, dass möglichst wenig Wartung anfällt. Sollte es doch einmal ein Problem geben, gibt es bereits über 100 lokale Partner für eine Reparatur in Deutschland. "Wir haben letztes Jahr unser Proof of Concept absolviert. In Belgien, da regnet es genau so viel wie in Deutschland. Danach haben wir ein paar Probleme gefixed. Seitdem ist unser Controller komplett feuchtigkeitsversiegelt." Ein ganz wichtiger Punkt für ein Designrad ist der Akku. "Unser Rad soll nicht nur schön sein, sondern auch bequem im Gebrauch – also muss man die Batterie herausnehmen können. Das war im Design nicht leicht, aber das wollten wir unbedingt."
Erster Fahreindruck des Cowboy-Bikes
Gutes Aussehen ist eine Sache – aber wichtiger ist: Wie fährt sich das Bike? Das Cowboy sieht kompromisslos aus, fährt sich jedoch weit bequemer, als der sportive Look vermuten lässt. Die Grundhaltung ist leicht vornübergebeugt. Der Lenker sitzt aber nicht so tief wie bei einem echten Racer. Auch ohne den Nacken zu verrenken, behält man so den Straßenverkehr im Blick. Auch die Mäntel sind größer, als die Felgen vermuten lassen. Obwohl das Rad über keinerlei Federung verfügt, federn die Gummis doch die größten Stöße weg. Natürlich bleibt es ein City-Rad - für bodenlose Sandwege und grobes Kopfsteinpflaster wurde das Rad nicht gebaut.
Das Cowboy ist ein Single-Speed-Rad. Anders ließe sich die Kombination von Riemenantrieb und Motor in der Nabe des Hinterrades auch nicht realisieren. Erstaunlicherweise lässt sich kein großer Unterschied im Anfahrverhalten gegenüber einem Rad mit Schaltung feststellen. Die unterschiedliche Umsetzung einer Gangschaltung gleicht das Cowboy durch eine intelligente Steuerung der Motorunterstützung aus. Auch das Anfahren bei sieben Prozent Steigung ist bequem möglich.
Insgesamt kommt das Rad dem Ideal einer unmerklichen Unterstützung sehr nahe. Der Motor schiebt kräftig mit, aber man hört ihn nicht und es gibt auch keinen Ruck beim Einsetzen der Unterstützung. Das Herausfahren aus dem Unterstützungsbereich geschieht sanft, man fährt nicht gegen eine gefühlte Gummiwand. Das vergleichsweise geringe Gewicht von nur 16 Kilogramm erinnert auch eher an ein muskelbetriebenes Bike.
Schneller als erlaubt
Obendrein bietet das Cowboy ein Feature in der rechtlichen Grauzone. Im Straßenbetrieb ist das Rad wie alle anderen Pedelecs strikt bei 25 km/h abgeregelt, es gibt aber auch einen Modus für Wege außerhalb des Geltungsbereichs der StVO. Dann unterstützt das Cowboy bis Tempo 30. Große Hersteller bieten so eine Hintertür nicht an. Um fair zu bleiben, muss man aber erwähnen, dass es kinderleicht ist, die Tempo-Sperre eines Boschmittelmotors komplett zu umgehen, das dürfte beim Cowboy kaum möglich sein. Wer illegal Tempo 40 fahren will, dürfte beim Cowboy kein Glück haben. Für schnelles Vorankommen in der Stadt ist das Cowboy ideal.
Wichtig: Das Rad wird nur in einer Rahmengröße geliefert. Laut Website soll es für Körpergrößen von 165 bis 195 Zentimeter passen. Unser Eindruck: Zwischen 175 und 187 Zentimeter stimmt das sicher auch. Bei 183 Zentimetern passte das Cowboy ziemlich perfekt. Kleinere Personen müssen wissen, ob sie mit der gestreckten Haltung glücklich werden. Oberhalb von 190 Zentimetern sind wir eher skeptisch.
Design-Rad mit Hintertürchen
Wer sich für ein Cowboy interessiert, wird vom Design begeistert sein. Uns hat gefallen, dass man das Rad dennoch variieren kann. Es ist möglich, das Rad mit Gepäckträger (hinten) und Schmutzfängern auszustatten. Es sollen eigene Schutzbleche entwickelt werden, aber am Markt gibt es bereits zahlreiche Modelle, die ausgezeichnet mit dem Design harmonieren.
Da das Cowboy im Standardton Mattschwarz gehalten ist, lassen sich Bauteile individuell anpassen. So könnte man einen nach hinten geneigten oder einen breiteren oder gekröpften Lenker einbauen. Oder die Sattelstütze gegen ein gedämpftes oder höhenverstellbares Modell austauschen. Sollte eine Felge zu Bruch gehen, ließe sie sich leicht austauschen.
All das wird sehr schwierig, wenn ein Rad wie das Canyon Commuter auf eine Sonderfarbe wie Gunmetal setzt. Im Vergleich zu vielen Designrädern mit E-Antrieb, verfügt das Cowboy über ein Killerfeature: Der Akku ist hinter der Sattelstange integriert und lässt sich herausnehmen. Darauf verzichten manche schicken Räder, um den Akku noch unsichtbarer zu machen. Aber nur so ist es möglich, dass Rad in einem Keller abzustellen und den Akku in der Wohnung aufzuladen.
Unser Fazit zum Cowboy
Das Cowboy ist ein praxisgerechtes Design-Rad. Dabei ist das Designkonzept noch vergleichsweise offen, sodass individuelle Anpassungen möglich sind. In der urbanen Umgebung eignet sich das sportliche Rad ideal. Für lange Touren, Offroad-Betrieb oder Mountainbiken ist es nicht gemacht.
Direkter Konkurrent des Cowboys sind die Räder von VanMoof, die auch über das Internet vertrieben werden. Bei der Vorstellung wurde das VanMoof begeistert gefeiert, wir waren wegen der eher minderwertigen Komponenten trotz des tollen Designs nicht so begeistert.
Tatsächlich macht das Cowboy nun alles besser, was wir damals am VanMoof bemängelt haben. Ein typisches Beispiel dafür, dass der zweite Anlauf manchmal besser gelingt. Der Riemenantrieb spricht für sich, das Cowboy besitzt eine leistungsfähige hydraulische Scheibenbremse. Selbst die Griffe sind von Brooks. Hier wurde jedenfalls nicht an den Komponenten gegeizt, um den fancy Rahmen zu finanzieren. Der Motor im Hinterrad ist konzeptionell immer besser als ein Antrieb des Vorderrades. Aber vor allem lässt sich der Akku herausnehmen. In der City eine Grundvoraussetzung für einen praxisgerechten Betrieb. Zudem ist das Cowboy mit 1990 Euro auch noch merklich preiswerter.
Gegenüber einem "normalen" E-Bike gibt es zwei Nachteile. Das Cowboy ist nicht für unbefestigte Wege geeignet. Für wirklich lange Touren ist man mit dem 360-WH-Akku statt der üblichen 500 WH nicht gut gerüstet. Das reicht nur für etwa 50 Kilometer.
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