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Fahrbericht Hispano Suiza Carmen - Im Auftrag der Mutter

Hispano Suiza Carmen
Hispano Suiza Carmen
© press-inform - das Pressebuero
Wirklich romantische Geschichten - wo gibt es diese noch in der nüchternen Geschäftswelt? Da macht die Autobranche keine Unterschiede - zum Missfallen vieler Fans. Dass es auch anders geht, zeigt die wiederbelebte Marke Hispano Suiza mit ihrer bezaubernden Carmen - über 1.000 PS stark.

Die Geschichte der weich gezeichneten Carmen - natürlich ein Elektroauto - begann mit einem Versprechen, das der Präsident des Unternehmens einst seiner Mutter als Enkelin des Gründers gab. Nun wurde dieses Versprechen Realität - mit dem Hispano Suiza Carmen Boulogne, einem spektakulären Elektrorenner für mehr als 1,6 Millionen Euro. Das geschieht, wenn man ein Formel-E-Monocoque mit einer weiblichen Karosserie kombiniert, die in den Genen einer historischen Automarke badete. Hispano Suiza hat in der Welt automobiler Klassiker seit den 1920er Jahren einen Ruf wie Donnerhall, doch mit der modernen Realität haperte es lange - sehr lange. Über Jahrzehnte versuchten immer wieder Investoren, Ingenieure und Träumer den Traditionshersteller - einst die exklusivste Automarke ihrer Art - aus ihrem Dornröschenschlaf zu reißen. Ohne Erfolg.

Doch nun wird das erste Fahrzeug der Hispano-Suiza-Neuzeit an einen millionenschweren amerikanischen Sammler in Miami ausgeliefert, dem weitere 23 der insgesamt 24 geplanten Exemplare folgen sollen. Alle Exemplare werden nach höchst individueller Bestellung von fachkundiger Hand nahe Barcelona montiert. Seit der Vorstellung des ersten Konzeptfahrzeugs auf dem Genfer Automobilsalon vor zweieinhalb Jahren hat das speziell Außendesign die Meinungen der Öffentlichkeit gespalten: Viele sehen es als eine Mischung aus einem modernen Bugatti und dem klassischen Hispano Suiza H6C Dubonnet Xenia; andere als Verunglimpfung der Historie. Das Ursprungsmodell - 1932 auf dem Pariser Automobilsalon als schnellstes Auto seiner Zeit vorgestellt - erreichte kurz vor dem Zweiten Weltkrieg eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h. Das einstige Einzelstück wurde auf besonderen Wunsch des Piloten André Dubonnet gefertigt und sollte Merkmale eines Automobils mit denen eines zeitgenössischen Flugzeugrumpfs verknüpfen. Der Wagen verfügte über eine vom Rennfahrer und Designer selbst erfundene Einzelradaufhängung, bei der die Blattfedern durch Schraubenfedern ersetzt wurden.

Einflüsse des historischen Modells

Das Konzept des Jahres 2019 behielt deutliche Einflüsse dieses historischen Modells und bekam letztlich Scherentüren, wie man diese von Lamborghini- oder McLaren-Modellen kennt. "Das sind keine schlechten Referenzen. Aber in Wirklichkeit folgen wir unserer evolutionären DNA, um einen elektrischen Sportwagen mit starkem Charakter und aerodynamischer Effizienz zu schaffen", erklärt Francesc Arenas, Designdirektor bei Hispano Suiza. Die Karosserie des Doppelsitzers besteht aus Kohlefaser, ebenso wie das Monocoque, das gerade einmal 195 Kilogramm auf die Waage bringt. Auch der hintere Hilfsrahmen, die Sitzstruktur und die Türverkleidungen bekommen durch Kohlefasern maximale Steifigkeit bei entsprechender Leichtigkeit. Die Aufhängung mit doppelten Querlenkern vorne wie hinten ist stark von der Aufhängung der Monoposti inspiriert und trägt ebenfalls dazu bei, dass das Auto nur 1.630 Kilogramm wiegt, was bei spektakulären 1.114 PS ein Leistungsgewicht von 1,46 kg/PS bedeutet. Diese gigantische Leistung wird von zwei Permanentmagnet-Synchronmotoren erzeugt, die jeweils an den Hinterrädern angebracht sind. Sie sorgen für 290 km/h Höchstgeschwindigkeit und einen Imagespurt 0 auf Tempo 100 in weniger als 2,6 Sekunden. Entsprechende Verzögerungswerte garantieren Karbon-Keramik-Bremsen und Hochgeschwindigkeitsreifen.

Formel-E-Bolide mit Karosserie 

In so mancher Hinsicht ist dieser Hispano Suiza ein Formel-E-Bolide mit Karosserie und einem doppelsitzigen Innenraum. "So kann man Carmen in der Tat auf den Punkt bringen", sagt Testfahrer Luis Perez-Sala mit einem breiten Lächeln, bevor es ins Cockpit des Hispano Suiza Carmen geht, um auf der Rennstrecke von Montmeló ein paar schnelle Runden zu drehen. Direkt nebenan befindet sich am Stadtrand von Barcelona das Montagewerk von Hispano Suiza. "Die Montage jedes handgefertigten Autos dauert sieben bis neun Monate; selbst mit Hilfe des 3D-Drucks, mit dem 60 Teile hergestellt werden", erläutert Joan Orus, Chief Technical Officer von Hispano. Die offizielle Reichweite von 400 Kilometern mit einer Ladung soll die 80-kWh-Lithium-Ionen-Batterie im Unterboden ermöglichen. Dank 100-kW-Ladung erstarkt das Akkupaket in einer halben Stunde auf bis zu 80 Prozent seines Potenzials, während es am 22-kW-Lader sechs Stunden dauert, nachzutanken.

Doch jetzt geht es endlich los. Ein Knopfdruck und die Türen der eleganten Carmen öffnen sich elektrisch, so dass ich hinter dem abgetrennten Unterteil des Lenkrads Platz nehmen kann. Alles ist mit Alcantara, Karbonfaser und roségoldenem Aluminium beschichtet und so passt es perfekt zur Innenausstattung - bequem ist es auch. Mit den Schaltwippen lässt sich für den Fahrer in sechs Stufen die Energierückgewinnung variieren, doch maximal 50 kWh sind im Maximalmodus nicht viel. Das zentrale Infotainment-Display ist vertikal angeordnet und wurde ebenso wie die digitale Instrumententafel in ein Retrodesign gehüllt. Der Fahrer muss sich nun für einen der drei Fahrmodi entscheiden, die den entsprechenden Zugang zu verschiedenen Leistungswerten bieten: Eco (340 PS/600 Nm), Comfort (476 PS/800 Nm) und Sport (680 PS/1050 Nm). Im letztgenannten Programm kann zudem die Launch-Funktion aktiviert werden, um für 30 Sekunden einen Boost zu aktivieren, der die Leistung auf bis zu 1.114 PS und 1.150 Nm steigert. Carmen verzichtet auf eine variable Dämpfung, bietet aber verschiedene Einstellungen der Aufhängung durch variable Druck- und Zugstufe an jedem Stoßdämpfer sowie Radsturz- und Nachlaufwinkel. Das kennt man bestens aus dem Rennsport.

Mit mächtig Schub geht es los auf den Rennkurs, doch bereits in der ersten Kurvenfolge kann man feststellen, dass das Bremspedal nicht so funktioniert, wie es sollte: Das erste Drittel des Pedalwegs bewirkt nicht mehr als ein Kitzeln der Bremsscheiben, wobei die Geschwindigkeit kaum spürbar reduziert wird. Ab der Mitte des Pedalwegs spürt man die Bremskraft und erst beim kraftvollen Tritt geht der Hispano auch wirklich in die Eisen. "Wir müssen den Anfangsdruck noch erhöhen, ganz klar", räumt Joan Orus als CTO ein, "der Carmen Boulogne ist zwar kein Auto, um neue Streckenrekorde aufzustellen, aber um ganz besondere Momente hinter dem Lenkrad zu erleben."

Die 1000 PS-Liga

Die Lenkung hingegen fühlt sich zu leichtgängig an und selbst im Sportmodus wird die Rückmeldung nicht wirklich sportlich, sondern eher künstlich. Ganz anders präsentiert sich das Antriebspaket der bis zu 1.114 PS-Elektromotoren im Heck. Beim kurzen Zwischenspurt schnellt der knapp 1,7 Tonnen Elektrobolide so los, wie man es sich in der 1.000-PS-Liga wünscht - die Gesichtszüge entgleisen förmlich. Es ist Zeit, mutiger zu werden und den Spanier ans Limit zu bringen, um ihn zu spüren, fühlen, einzuatmen - Carmen, ich komme. Von wegen. Bei einem kurzen Gasstoß in einer engen Kurve keilt das Heck wild aus und Carmen macht eine wilde 360-Grad-Pirouette - Gegenlenken zwecklos - zu langsam und die Koordination für Augen, Arme und Beine macht das Ganze bei dieser Leistung nicht einfacher. Doch so wild? Die Traktionskontrolle war deaktiviert und keiner hat auch nur einen Kucks gesagt. Ich erhole mich von dem Schock und die Farbe kehrt ins Gesicht zurück während schnell die Freude überwiegt, dass der 1,65 Millionen Euro teure Renner auf der Piste geblieben ist. Der erste Kunde kann es sicher kaum abwarten und die nächsten 23 scharren mit den Pneus. Doch bei den 1.114 PS und 1.1150 Kilogramm soll es nicht bleiben. 1.500 PS und Allradantrieb sind in Planung - für Carmen II. Rimac und Pininfarina lassen grüßen. Doch auch die 1,65 Millionen Euro werden dann kaum ausreichen.

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