Safety Stars Die Könner der Saison

Junge Autofahrer sind besonders unfallgefährdet. Die vom stern mitveranstaltete Aktion Safety Stars will dieser Tendenz entgegenwirken. Gesucht wurden Deutschlands beste Fahranfänger und andere Helden der Straße. Jetzt war Finale und Siegerehrung in Berlin.

Kandidatin Nummer neun hat etwa die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als sie auf die erste brenzlige Situation zufährt. Hinter ihr drängelt der Berufsverkehr, auf der rechten Seite verengt eine Baustelle die Fahrbahn, und jetzt kommt ihr auch noch dieser weiße Kleinlaster entgegen. Bisher hat Nummer neun den Renault sicher durch Berlin gelenkt, Spuren korrekt gewechselt, Kreisel gemeistert und die Mitfahrer nebenbei mit Geschichten über Berliner Currywurstbuden amüsiert.

Bei dem Mercedes-Transporter allerdings bleiben die Gesichter der Prüfer ernst. Die Kandidatin umfasst das Lenkrad fester, sagt laut "Huaa" und schlängelt sich zwischen Baustelle und Sprinter vorbei. "In Berlin macht man das so", behauptet sie. Die Prüfer im Auto allerdings sind anderer Meinung: "Sie hat die Gefahr nicht erkannt."

Vorausschauendes Fahren, Souveränität in brenzligen Situationen und eine sichere Beherrschung des Fahrzeuges mussten die 20 Finalisten der Aktion "Safety Stars" vorvergangene Woche in Berlin demonstrieren, die der Autokonzern Renault zusammen mit dem stern und der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände veranstaltet. Schirmherr ist der Bundesverkehrsminister. Jeder der insgesamt 4000 jungen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren, die seit dem Frühjahr an dem Wettbewerb teilgenommen haben, wollte Deutschlands bester Fahranfänger werden. Nun mussten die je zehn besten Frauen und Männer bei der Endausscheidung in einer Art Schnitzeljagd durch die Berliner Straßen kurven und an verschiedenen Stationen knifflige Aufgaben lösen.

Vor der Max-Schmeling-Halle

zum Beispiel sollen die Kandidaten den Luftdruck der Reifen und den Ölstand prüfen. Den Messstab unter der Motorhaube finden nicht alle auf Anhieb, einer wundert sich sogar: "Oh, wir fahren offenbar ohne Öl." Dass der Wagen neu ist und die sonst schwarze Schmiere noch honiggelb am Stab herunterrinnt, hat er nicht bedacht.

Und wo steht eigentlich, wie hoch der Luftdruck in den Reifen sein soll? "Als ich weder auf der Innenseite der Tankklappe noch in der Verankerung der Beifahrertür einen Aufkleber mit der Angabe fand, hab ich im Handbuch nachgeguckt", sagt Alexander Etzdorf. 2,2 bar waren dort eingetragen. Das Messgerät, das der 19-Jährige aufs Ventil steckt, zeigt allerdings 2,35 bar an. Keine Reaktion. Der Prüfer fragt nach, warum? Alexander antwortet: "2,2 bar gilt nur für kalte Reifen, wir sind aber schon eine Stunde mit dem Auto gefahren." Der Prüfer nickt zwar, gibt aber nur neun von zehn Punkten. Die volle Zahl hätte es gegeben, wenn er nicht hätte fragen müssen.

Alexander Etzdorf trägt trotz des trüben Wetters noch die Sommerbräune im Gesicht, an seinen Ohrläppchen glitzern zwei helle Steine. Autos wären schon immer sein Hobby gewesen, sagt er, und er hat sogar seinen Beruf daraus gemacht: Als gelernter Kfz-Mechaniker kennt er sich "mit Luftdruck und Öl aus". Auch dass er aus Berlin kommt, habe ihm ein bisschen geholfen. Doch das allein reicht nicht aus, um hier zu gewinnen.

"Der Alexander hatte

eine super Übersicht, er hat die Abstände zu den anderen Autos eingehalten und auch die Radfahrer beachtet", sagt Fahrlehrer Andreas Zimmermann, der einen Teil der Prüfung von Etzdorf bewertet hat. Ein Kollege pflichtet ihm bei: "Wenn der ein Hindernis sieht, nimmt er rechtzeitig das Gas weg, wunderbar." Auch umweltschonendes Fahren wurde bei den Safety Stars bewertet. Ausschließlich im dritten Gang durch den Stadtverkehr zu tuckern, bringt jedoch Miese auf dem Punktekonto. Denn: Wer rast, verhält sich genauso falsch wie Schleicher, die den Verkehr gefährden.

Am Tag zwei des Finales werden die Kandidaten zum Großeinsatz vors Olympiastadion gerufen. Dort liegt offenbar eine Alkoholleiche am Boden, kreidebleich und kaum ansprechbar. Daneben starrt eine Frau apathisch ins Leere - die stark blutende Wunde am Unterarm muss dringend versorgt werden. Und was soll mit dem Mann passieren, der offenbar gestürzt ist und sich nicht mehr regt? Obwohl die Verletzten nur Schauspieler sind, müssen die Fahranfänger professionelle erste Hilfe leisten. Die meisten sind erschrocken, wie viel sie in der kurzen Zeit seit der Führerscheinprüfung wieder vergessen haben. "Jetzt tun Sie endlich was", muss das Erste-Hilfe-Team des Öfteren ermahnen. Denn die ersten Minuten nach einem Unfall können über Leben und Tod entscheiden, viele Verkehrsteilnehmer aber zögern zu lange. Auch bei den Fahranfängern trennt sich hier die Spreu vom Weizen. Einige erreichen fast die volle Punktzahl, andere stehen hilflos bei den "Verletzten" herum.

Andreas Etzdorf hat diese Aufgabe gut bewältigt. Inzwischen schwitzt er beim Wissenstest. Eine Studie des Heidelberger Sinus-Instituts hat ergeben, dass souverän-gelassene Fahrer, wie sie bei der Aktion gesucht werden, über eine gute Allgemeinbildung verfügen. Die-Safety-Stars-Kandidaten müssen Fragen beantworten wie diese: "Von wem werden in Deutschland Gesetze verabschiedet?" Oder: "Über wie viele Runden geht ein WM-Boxkampf?" und: "Was versteht man unter einem Semaphor?" Etzdorf, der nicht wusste, dass das ein spezieller Signalmast ist, gibt zu: "Da war ich nicht so gut."

Die Schwäche wollte er beim Reifenwechsel wettmachen. Doch der fiel aus: Kandidatin Nummer 17 hatte bei dem Versuch, den Wagenheber anzusetzen, ein zwanzig Zentimeter großes Loch in den Seitenschweller des Renault Mégane gebohrt. Für alle weiteren Kandidaten war das Auto deshalb nicht mehr zu benutzen. Dennoch hat es der schlanke junge Mann aus Berlin geschafft. Alexander Etzdorf ist Deutschlands bester Fahranfänger. Den zweiten Platz belegte Sarah Lentes aus Köln vor Donata von Samson-Himmelstjerna aus Henstedt-Ulzburg.

print
Stéfanie Souron