Das Stöhnen der Autoproduzenten über die Absatzzahlen wird jedes Jahr lauter. Und besonders der Privatkunde hält sich zurück: Von den etwas mehr als drei Millionen im Jahr 2007 verkauften Neuwagen ging nur ein gutes Drittel in private Hände, der Rest fristete als Dienstwagen, in Leasinggesellschaften oder als Tageszulassung ein Rabattdasein. Der Durchschnittsdeutsche kauft lieber gebraucht.
Den drei Millionen fabrikneuen Autos stehen mehr als sechs Millionen "Besitzumschreibungen" gegenüber, wie es das Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg nennt. Gebrauchtwagen halt. Sie sind oft fit bis zur Volljährigkeit, und ihr Image hat sich gewandelt: Der Professor, der sich in den frühen 90er Jahren ein Mercedes-T-Modell vom Typ W124 geleistet hat, wird ihn nicht hergeben, solange die Reparaturkosten im Rahmen liegen. Warum auch? Sehen lassen kann er sich damit überall.
Vernunftsuche im vierstelligen Euro-Raum
Für was sich die Deutschen wirklich interessieren, kann Branchenriese mobile.de an den Suchstatistiken ablesen: Die meisten geben als oberes Preislimit 7.000 Euro ein. Auf den Plätzen folgen 10.000 Euro, 8000 Euro und 5000 Euro als Kostengrenze. Geld, für das es auch schon einen Neuwagen vom Schlag eines Citroen C1, Chevrolet Matiz oder Dacia Logan gibt. Warum also der Entschluss zur Altware?
Vielleicht weil’s Spaß macht. Das Internet hat eine Markttransparenz geschaffen, von der man vor zehn Jahren nur träumen konnte. Allein bei mobile.de stehen über eine Million Pkw zum Verkauf. Da kommt man ins Grübeln: Für 8000 Euro den Neuwagen kaufen, oder vielleicht doch den schwarzen VW Corrado mit 112.000 Kilometern und 136 PS auf der Verhandlungsbasis von 3300 Euro kaufen? Ersatzteile gibt’s genug, Rost ist selten - und die Differenz zum Neuen muss durch höhere Steuer, Versicherung und Verbrauch erst mal aufgefressen werden.
Vielfalt, um sich selbst auszudrücken
Die ganz Harten greifen gleich zum 7er BMW. Klar, selbst bei gepflegten Gebrauchten um 5000 Euro ist gerne mal eine teure Reparatur fällig, aber abgerechnet wird zum Schluss, und da ist möglicherweise noch Luft für eine Autogasanlage, die den Spritpreis senkt. Das Internet weckt Ideen vom Cabrio bis zum Geländewagen, und in Zeiten der Anpassung ist das Auto auch eine Möglichkeit, sich selbst zu leben.
Der erste Platz bei der Gebrauchtsuche geht trotzdem an den konventionellen Golf. Bei mobile.de kann man zwar keine Aussagen darüber machen, was letztendlich gekauft wird, aber darüber, was gesucht wird. Im Dezember kam der Golf zwar nur auf Platz fünf, aber, so ein Sprecher, normalerweise wäre immer der Golf ganz oben auf dem Treppchen. Aktuell war der Audi A4 die Nummer 1, gefolgt von VW Passat, Audi A6 und Opel Astra. Und kein einziger Wagen einer Importmarke unter den Top 10.
Gebrauchthandel unter Druck
Ein schnöder Golf bis 7.000 Euro ist also das, was die Stichprobe bei der automobilen ebay-Tochter als Meistgesuchten ausspuckt. Dass die Preislage von 5.000 bis 10.000 Euro "am besten geht", bestätigt auf Oleg Lippke, Gebrauchtverantwortlicher bei Dürkop, einem der größten Opel-Händler Deutschlands. Die Nachfrage sei groß, nicht aber das Angebot: Von den 400 Autos auf dem Hof hätten "keine zehn" einen vierstelligen Preis.
Die renommierten Markenhändler stecken in einem Dilemma. Von ihnen werden Gebrauchtwagen erwartet, die nicht in Ordnung sind, sondern tip-top und makellos. Und das macht Probleme, weil der Händler rechnen muss: Stimmt der Verkaufspreis noch, wenn ich die Inzahlungnahme erstklassig reparieren lasse und die Gewährleistung übernehme? Oft nicht, weil "die Leute ihre Auto behalten, wenn es gut ist", so Lippke. Beim guten Markenhändler ist darum besser aufgehoben, wer den Jahreswagen sucht. Der ist immer noch wie neu, hat vielleicht sogar eine Werksgarantie, und die Abschläge liegen oft bei mehr als einem Drittel vom Listenpreis.
Wo sind die Gebrauchten?
Was älter als vier oder fünf Jahre ist, geht zum Zwischenhändler. Dort darf dann auch mal ein Kratzer im Auto sein. Natürlich gehen viele Autos in den Export. Nach Afrika, in den Nahen Osten oder ins Baltikum. Die Zulassungsstatistik des KBA zeigt, dass die meisten Gebrauchten trotzdem im Land bleiben und lange gefahren werden: Aus jedem Jahr seit 1990 sind noch über eine Millionen Fahrzeuge zugelassen. Erst danach dünnt sich der Bestand langsam aus.
Anscheinend halten unsere Autos einfach länger als früher, wo es bei einem Käfer mit 100.000 Kilometern noch eine Ehrung von Volkswagen gab. Der Drang und die Eitelkeit, alle drei Jahre einen Neuwagen fahren zu müssen, haben sich gelegt. Das Image stimmt auch mit dem Gebrauchten. Schlechte Nachrichten für die Autohersteller. Gute für die Alltagsfahrer, unter denen sich offenbar das klassische Motorrad-Motto breit macht: Egal, was es ist - Ride With Pride.