Die Übernahmepläne des Fiat-Konzerns stoßen sowohl beim Opel-Betriebsrat als auch bei den Gewerkschaften auf Protest. Als zweiter Übernahme-Interessent hat der kanadisch-österreichische Konzern Magna an die Opel-Tür geklopft. Für diese Verbindung gab's bereits den Segen von Deutschlands Automobilwirtschaftsexperten Ferdinand Dudenhöfer. "Opel und Magna passen gut zusammen", ist der Duisburger Professor für Automobilwirtschaft überzeugt.
Insidern der Autobranche ist Magna ein Begriff, der breiten Öffentlichkeit ist das Unternehmen dagegen eher unbekannt. Der Konzern mit Hauptsitz in Aurora nahe der kanadischen Metropole Toronto gehört mit 74.000 Beschäftigten in 25 Ländern, 240 Produktionsstandorten und 86 Entwicklungszentren weltweit zu den ganz Großen der Zulieferbranche. Magna gilt als interessanter Kandidat, weil der breit aufgestellte Zulieferer Kenntnisse in vielen Bereichen der Produktion besitzt. Magna bringt daher Know-how mit in die Ehe, belastet sie aber nicht mit Überkapazitäten in der Automobilproduktion.
Bei der Verschmelzung von Opel mit einem anderen Autohersteller stellt sich stets die Frage, an welchen Standorten Kapazitäten und damit Arbeitsplätze heruntergefahren werden. Konkret äußert sich dieses Problem in der bangen Angst der Opeleaner, dass sich Fiat auf Kosten ihrer Standorte sanieren möchte. Dieses Szenario droht bei Magna so nicht. Denn die Produktion spielt im Reich von Magna bislang eine Nebenrolle. Dafür findet sich im Kundenverzeichnis des Megazulieferers praktisch jede bekannte Automarke. Magna beliefert Chrysler, General Motors und Ford ebenso wie Mercedes, BMW, Audi, VW und Porsche, Mazda und Maybach, Hummer und Smart, Ferrari und Aston Martin und Dutzende andere auch. Sogar der indische Autobauer Tata fehlt nicht in der Kundenliste.
Magna liefert alles
Das Spektrum der Produkte und Dienstleistungen könnte vielfältiger kaum sein. Spiegel-, Sitz- und Dachsystemen und Türmodule können Hersteller von dem Global-Zulieferer ebenso beziehen wie Metallkarossen, Elektroniksysteme- und Komponenten, komplette Antriebsstränge und Allradtechnik, Bremssysteme, konventionelle und alternative Kraftstoffsysteme. Es gibt praktisch nichts am Auto, das nicht auch von Magna geliefert werden könnte. Peugeot ließ das geniale Dach seine 307CC bei Magna entwickeln. Porsche bezieht untern anderem die gläserne Haube für den 911 Targa von dem global tätigen Zulieferer. Für Mini One und Mini Cooper fertigt das kanadisch-österreichische Unternehmen Tür- und Cockpitmodule, Vorder- und Hinterschürze, Fensterheber, Tankeinfüllstutzen und etliches mehr.
Komplette Fahrzeuge
Der Zuliefer-Riese bietet Autobauern auch die komplette Fahrzeugmontage an. Vor allem wenn es um die Fertigung von Nischenfahrzeugen und Kleinserien geht, lagern Volumenhersteller inzwischen aus, übergeben den Auftrag an den flexibleren Produktionsdienstleister. Die weitreichendste Zusammenarbeit gab es bislang mit BMW. Der X3 wurde bei Magna Steyr, dem österreichischen Ableger des Global Players, nach Vorlage der BMW-Ingenieure zur Serienreife entwickelt und läuft am Magna Steyr-Standort Graz vom Band. Neben BMWs bulligem Geländegänger werden dort auch Mercedes G-Klasse, Jeep Commander und Grand Cherokee montiert.
Von der 1-Mann-Firma
Die Magna Firmengeschichte liest sich wie ein "Vom Tellerwäscher-zum-Millionär"-Märchen. Nur mit dem Unterschied, dass Firmengründer Frank Stronach nicht in irgendeiner Hotelküche, sondern als Werkzeugbauer mit einer 1-Mann-Firma begonnen hat. Und zwar 1957 in Aurora, in der kanadischen Provinz Ontario, wohin der junge Österreicher Anfang der 50er Jahre ausgewandert war. 1960 kam der erste Großauftrag aus der Autobranche. General Motors orderte bei Stronach metallgestanzte Sonnenblendbügel. Neun Jahre später fusionierte das Unternehmen mit Magna Electronics, die unter anderem in der Weltraumtechnik tätig waren. In den 1990ger expandierte der Konzern nach Europa. In der Steiermark, der alten Heimat des Firmenchefs, wurde Magnas Europa-Zentrale etabliert.
Griff nach einem Hersteller
Durch systematische Zukäufe baute Stronach seine Marktanteile aus. 1998 kaufte er den namhaften Zulieferer Steyr-Daimler-Puch, seither firmiert das Unternehmen in Österreich als Magna Steyr. Zum Konzern gehören längst auch die Autospiegelproduzenten Donelly Hohe und Zipperle und 2005 wurde der Verdeckhersteller Car Top Systems von Porsche übernommen.
Der Griff nach der GM-Tochter Opel ist indes keineswegs Stronachs erster Versuch, eine Automobilmarke komplett zu übernehmen. Nach der Trennung von Daimler und Chrysler meldete der Magna-Konzernchef Interesse an Chrysler an. Handelseinig wurde man sich jedoch nie. Denn es gibt auch klare Nachteile in dem Zusammenschluss eines Herstellers mit einem Zulieferer, der bei allem Know-how bestimmte Synergien nicht bereitstellen kann.
In der Automobilbranche glaubt nicht nur Fiat-Chef Sergio Marchionne, dass ein Konzern zum dauerhaften Überleben jährlich mehr als 5 Millionen Fahrzeuge produzieren muss. Dieser Zahl käme Opel mit dem Einstieg eines Investors wie Magna nicht näher. Synergien in Bezug auf Fahrzeugplattformen, Einkauf und Vertrieb ergäben sich nicht. Auch nach dem Einstieg von Magna müsste Opel also weiter händeringend nach einem Kooperationspartner suchen.
Spannend ist überdies die Frage, wie sich das Kerngeschäft von Magna als Zulieferer entwickelt. Bei komplexen Fertigungen und gemeinsamen Entwicklungen muss zwischen Kunden und Zulieferer ein Vertrauensverhältnis wie zwischen Arzt und Patient herrschen. Ob diese Basis leidet, wenn sich Magna einen eigenen Massenhersteller ins Haus holt, ist vollkommen unklar.
Susanne Kilimann/Press-Inform/Kra