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Microsoft präsentiert eigenes Tablet "Surface" Ein Klaps gegen Apple

Und noch ein iPad-Herausforderer: Microsoft weicht von seiner jahrzehntelang erfolgreichen Strategie ab und baut zum ersten Mal einen eigenen Computer. Die Reaktionen sind verhalten.
Von Helene Laube, San Francisco

Microsoft-Chef Steve Ballmer gibt sich alle Mühe, seine langjährigen Hardwarepartner gütig zu stimmen. "Bill Gates und Paul setzten von Anfang an auf Software", sagt er am Montag bei einer Pressekonferenz in Hollywood über die Microsoftgründer. Er lobt die Partner, die nächstes Jahr 375 Millionen Windows-PCs verkaufen sollen, mehr als in den vorangegangen Jahren. Und dann folgt das "Dennoch...", auf das alle gewartet haben. Dennoch, sagte Ballmer, wolle Microsoft Windows 8 die "eigene Hardware-Innovation" mitgeben.

Jahrzehntelang lieferte Microsoft die Betriebssysteme, die auf fast allen PCs dieser Welt laufen. Die Herstellung der Geräte überließ der Konzern aus Redmond bei Seattle Partnern wie Acer, Dell, Hewlett-Packard (HP), Lenovo oder Toshiba. Jetzt kommt der große Strategieschwenk: Microsoft baut zum ersten Mal in der Firmgeschichte eigene Rechner. Das heißt, er lässt sie von einem nicht genannten asiatischen Auftragsfertiger bauen. Ballmer enthüllte am Montag die Tablet-Rechner-Familie Surface, die der Softwarekonzern selbst entwickelt hat. Es ist ein Zugeständnis an den Konkurrenten Apple, der bewiesen hat, dass Hardware mit fast nahtlos darauf abgestimmtem Betriebssystemen und Zusatzdiensten aus einer Hand ein Erfolgsrezept sein kann.

Weder Preis noch Erscheinungstermin bekannt

Die Reaktionen auf Surface sind verhalten. Das Gerät dürfte attraktiv für Nutzer sein, die ein Tablet für die Arbeit mit anspruchsvoller Software wie Office oder Photoshop wollen. "Die Wettbewerbsdynamik im Tablet-Markt wird sich unserer Meinung aber nicht ändern", sagte Analyst Brian Marshall. Apples unerreichtes Ökosystem mit Komponenten wie mehr als 225.000 iPad-Apps, iCloud und iTunes biete einen "tragfähigen Vorteil", so Marshall.

Das Tablet wird in zwei Varianten erhältlich sein. Das billigere und leichtere Gerät namens Windows RT ist mit einem ARM-Chip von Nvidia und der dafür zugeschnittenen Windows-Version RT ausgestattet. Es ist 9,3 Millimeter schlank und bringt 680 Gramm auf die Waage - ähnlich wie das iPad. In der Größe unterscheiden sich beide Geräte: Die Microsoft-Tablets haben mit einer Diagonale von 10,6 Zoll einen ein Zoll (2,54 cm) breiteren 16:9-Bildschirm als das iPad. Microsoft nannte am Montag weder genaue Preise noch Verkaufsstarts der Modelle. Nur so viel: Es werde "ähnlich viel kosten wie vergleichbare Tablets". Das Gerät soll im Herbst, zeitgleich mit der Einführung von Windows 8 verfügbar sein.

Eine professionelle Version namens Windows 8 Pro, die drei Monate später eingeführt wird, enthält einen Intel-Chip, wie er in traditionellen PCs üblich ist. Das Gerät wiegt 900 Gramm, ist 13,5 Millimeter dünn und soll ab 1000 Dollar zu haben sein. Beide Geräte können mit einer ausklappbaren Stütze in aufrechter Position gehalten werden und verfügen über eine magnetische, abnehmbare Hülle, die iPad-Nutzern bekannt vorkommen dürfte. Anders als bei Apple ist das in mehreren Farben erhältliche "Touch Cover" gleichzeitig eine Tastatur. Das Pro-Modell kann zudem auch mit einem Stift bedient werden.

Microsofts Tablet erregt die Gemüter

Microsoft riskiert mit dem Strategiewandel den Zorn der größten PC-Hersteller der Welt. Die haben zum Teil selber Windows-8-Tablets angekündigt. Das Surface-Pro-Modell kommt zudem so nahe an ein Laptop-Gerät heran, dass es in Konkurrenz zu diesen Geräten treten dürfte. "Es wird sich herausstellen, ob Microsoft den Hardware-Partnern wie HP mit Surface einen Klaps oder einen Todesstoß versetzt", sagte Roger Kay, Analyst beim IT-Marktforschungsunternehmen Endpoint Technologies. "Ballmer signalisiert den Herstellern: ‘Wir müssen diesen Schritt machen, weil ihr nicht koordiniert genug wart, um Apple zu schlagen. Wir müssen alle Aspekte der Geräte kontrollieren, weil wir Apple nur so besiegen können - unser Überleben steht auf dem Spiel'".

Microsoft-Manager beantworteten keine Fragen zu den möglicherweise beschädigten Beziehungen zu den Hardwareherstellern. Weder Dell noch HP wollten sich am Montag dazu äußern, dass der langjährige Partner jetzt zur direkten Konkurrenz wird. "Sie haben kaum eine andere Wahl, als gute Mine zum bösen Spiel zu machen", sagt Kay. "Es gibt keine Alternativen zu Windows 8 - Apple wird sein Betriebssystem nicht lizensieren, und Android hat sich nicht wirklich bewährt."

Obwohl Microsoft vor allem ein Softwarehersteller ist, verkauft er seit Jahren Hardware wie Tastaturen und Computermäuse. Die Xbox-Spielkonsole ist ein großer Erfolg, obwohl sie jahrelang Verluste machte. Der Konzern musste auch einige riesige Hardware-Schlappen hinnehmen. Der iPod-Konkurrent Zune war ein teurer Flop. Der Ausflug 2010 in den Handy-Markt mit den eigenen Kin-Handys wurde nach wenigen Wochen bereits wieder eingestellt.

Viele Fragezeichen

Microsoft ließ am Montag viele Fragen offen und erweckte damit den Eindruck, die Tablet-Strategie noch nicht ganz durchdacht zu haben. Es ist beispielsweise unklar, ob die Geräte nur über WLAN ans Internet angeschlossen werden können oder auch per Mobilfunk. Die Tablets sollen online und in den 20 konzerneigenen Microsoft-Läden verkauft werden, was nicht gerade üppig ist. Zudem gibt es nur in den USA Microsoft Stores. Entwickelt Microsoft für Europa und andere Regionen keine Einzelhandelsstrategie, müssten potentielle Nutzer das Gerät ungesehen kaufen.

Kein einfaches Unterfangen bei einer Aufholfjagd wie dieser. Apple profitiert von seiner globalen Apple-Store-Kette mit Hunderten Läden und verkauft das iPad zudem über Händler. Hinzu kommt die Frage, wer die Surface-Geräte warten und reparieren wird. Bei PC und Laptops übernehmen das der weltgrößte PC-Hersteller HP und die anderen Hersteller von Windows-Rechnern. "Und die werden Microsoft beim Tablet-Service sicher nicht helfen wollen", sagte Endpoint-Analyst Kay.

FTD

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