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Xbox One im Test Keine für alles

Die Xbox One ist eine Konsole zum Zocken, Surfen und Fernsehen, verspricht Microsoft. Wir haben das Gerät getestet und sagen: Microsoft hat noch viel Arbeit vor sich.
Von Christoph Fröhlich

Schön ist sie nicht, die neue Xbox. Statt schnittiger Kurven und edlem Design werden Gamer die nächsten Jahre einen schwarzen, klobigen Kasten im Stil eines 90er-Jahre-Videorekorders unter ihrem Fernseher begutachten dürfen. Ein Laufwerksschlitz, ringsum Lüftungsschlitze und auf der Rückseite jede Menge Anschlüsse - mehr gibt es nicht zu sehen. Auch der Name von Microsofts neuer Spielkonsole könnte schlichter kaum sein: Xbox One. Das ist kein Zufall: Microsoft legt die Messlatte bei seiner neuen Konsole hoch und preist sie als das ultimative All-in-One-Gerät fürs Wohnzimmer. Es sei eine Art Gehirn fürs Wohnzimmer, sagt Xbox-Chef Don Mattrick, eine Spielkonsole, Multimediazentrale und Settop-Box in einem. Bedient wird das Gerät mit dem Controller oder mit der Stimme.

Am Freitag erscheint die Xbox One zum Preis von 499 Euro in Deutschland. Das sind 100 Euro mehr als Sonys Playstation 4, die ab 29.11. in den Regalen der Händler steht. stern.de konnte eine Entwicklerversion der Konsole vorab testen und sagt, wie sich die Xbox One in der Praxis schlägt. Ein Direktvergleich mit der Playstation 4 ist derzeit nicht möglich, da Sony noch keine Vorabversionen der Konsole zur Verfügung stellt.

Opulente Spiele

So unscheinbar die Xbox One von außen wirkt, innen ist sie ein Biest: Ein Achtkernchip von AMD sorgt für jede Menge Rechenpower, ihm zur Seite stehen acht Gigabyte Arbeitsspeicher. Damit ist die Konsole in etwa auf Augenhöhe mit der PS4. Zum Vergleich: Die alte Xbox 360 hatte 512 Megabyte Arbeitsspeicher und einen deutlich langsameren Prozessor. Insgesamt ist die Xbox One etwa achtmal leistungsfähiger als ihr Vorgänger. Außerdem besitzt die neue Xbox ein Bluray-Laufwerk und eine 500 Gigabyte große, nicht austauschbare Festplatte.

Die Grafik ist wie zu erwarten deutlich besser als bei der alten Konsole. Der große Wow-Effekt bleibt - zumindest bei den Starttiteln - aber aus. "Forza 5" etwa ist ein enorm detailreiches, aber sonst zu konventionelles Rennspiel. "Ryse: Son of Rome" ist grafisch imposanter, zeigt aber nichts, zu was kein aktueller Highend-PC in der Lage wäre. Multiplattform-Games wie "Assassin's Creed 4: Black Flag" oder "Fifa 14" wurden in Details verbessert, so wirkt in der Fußballsimulation das Stadion deutlich lebendiger als in der Xbox-360-Version. Ähnlich wie bei Sonys neuer Konsole ist das Spiele-Angebot zum Start alles andere als umwerfend. Ein wirklicher Kaufgrund - etwa ein neues "Fable" oder "Halo" - fehlt.

Das allsehende Auge…

Was die Xbox One einzigartig macht, ist der Hightech-Riegel Kinect, der direkt an die Konsole angeschlossen und üblicherweise unter dem Fernseher positioniert wird. Er hat eine integrierte Full-HD-Kamera, ein 3D-Mikrofon und einen Tiefensensor. Die Kamera nimmt mit dreißig Bildern pro Sekunde auf und kann bis zu sechs verschiedene Personen unterscheiden.

Das funktioniert in der Praxis erstaunlich gut: Selbst bei schummrigem Licht erkennt die Kamera zuverlässig die Personen auf dem Sofa. Für Fitness- und Tanzspiele wie Ubisofts "Just Dance 2014" könnte sich die Technik als nützlich erweisen. Bislang bietet das Gerät aber nur Altbekanntes, im Starttitel "Zoo Tycoon" kann man mit der Bewegungskamera etwa virtuelle Elefanten füttern.

…mit Verständnisproblemen

Weniger gut funktioniert die Sprachsteuerung. Um das Gerät nur mit der Stimme bedienen zu können, muss man zunächst mehr als ein Dutzend Sprachbefehle lernen, etwa "Xbox, Lauter/Leiser" oder "Xbox, Auflegen", um einen Skype-Anruf zu beenden. Allerdings ist die Xbox äußerst pingelig: Sagt man beispielsweise nur "Xbox Startseite", verweigert die Konsole ihren Dienst. Korrekt wäre "Xbox, zur Startseite gehen" gewesen.

Auch sonst lässt die Spracherkennung zu wünschen übrig: Die Suche im Internet ("Xbox, Bing") liefert nicht immer brauchbare Treffer. Ähnliche Schwierigkeiten zeigen sich im Videospiel "Ryse: Son of Rome": Darin kann man verbündete Bogenschützen per Sprachbefehl anweisen, die feindlichen Nahkampftruppen mit Pfeilen zu beharken. Doch gelegentlich muss man mehrmals im Wohnzimmer herumbrüllen, bis die Truppen den Befehl verinnerlicht haben. Das Gefühl, ein Feldherr zu sein, kommt so nicht auf. Bei der deutschen Spracherkennung sollte Microsoft dringend nachbessern.

Wer im Zuge des NSA-Skandals keine Kamera mit Direktanschluss in die USA in seinem Wohnzimmer haben möchte, kann beruhigt sein: Die Kinect-Kamera und das Mikrofon lassen sich im Menü deaktivieren und können auf Wunsch sogar abgestöpselt werden. Dann stehen jedoch einige Funktionen im Menü und in den Games nicht zur Verfügung.

Viel Sitzfleisch nötig

Auch sonst wartet auf Microsoft noch viel Arbeit. Störend sind etwa die vergleichsweise langen Lade- und Installationszeiten. Bei jedem Kaltstart zeigt die Konsole rund 30 Sekunden lang ein statisches Xbox-Logo an, bevor es überhaupt losgeht. In den Games ist es oft nicht viel besser: Beim Rennspiel "Forza 5" dauert es eben so lange, bis die nächste Strecke geladen ist. Jedes Spiel muss zudem vor dem ersten Start auf der Konsole installiert werden, egal ob man es im Microsoft Store kauft oder als Disc-Version im Laden. Und das kann dauern: Während die Daten der "Zoo Tycoon"-Disc in wenigen Minuten auf die Festplatte geschaufelt sind, dauert die vollständige Installation des Rennspiels "Forza 5" inklusive des Downloads eines vier Gigabyte großen Updates knapp eine Dreiviertelstunde. Die Playstation 4 zeigt, dass es schneller gehen kann.

Gelungen ist dagegen der neue Controller. Er wirkt durch das scharfkantige Design und die dezenteren Knöpfe modern und liegt besser in der Hand als der Vorgänger. Der Controller wiegt zwischen 260 und 280 Gramm, je nachdem ob er mit Akku (leichter) oder Batterien (schwerer) betrieben wird. Die Anzahl der Tasten ist gleich geblieben, nur die Funktionen haben sich teilweise verändert. Die Ränder der beiden Control-Sticks sind nun perforiert, wodurch die Finger besseren Halt haben. Das Steuerkreuz ist weniger schwammig als beim Vorgänger und ermöglicht präzisere Eingaben, was vor allem Fans von Beat 'em Ups freuen dürfte.

Schade: Die Xbox One ist nicht abwärtskompatibel, 360-Games starten auf der Next-Gen-Konsole nur über Umwege: Schließt man die Xbox 360 an den HDMI-Eingang der Xbox One an, steht der Bildschirminhalt der Vorgängerkonsole per TV-Funktion der Xbox One als Live-Kachel zur Verfügung.

Fernsehen mit Abstrichen

Und wie sieht es bei der TV-Funktion aus? Leider nicht viel besser. Hierzulande funktionieren - zumindest in unserer Entwicklerversion der Konsole - einige Features nicht oder nur sehr eingeschränkt. So kann man den Sat-Receiver via HDMI direkt an die Xbox One anschließen und so ein TV-Bild auf den Fernseher bringen. Auch der Sprachbefehl "Xbox, Fernsehen" funktioniert. Doch der direkte Start eines bestimmten Senders gelingt der Konsole nicht. Der Guide, der eingebaute Programmführer, krankt daran, dass er mit dem hierzulande verfügbaren Satellitenprogramm nicht klarkommt. Einigen Tests aus US-Fachzeitschriften zufolge scheint dies ein deutsches Problem zu sein, in den Vereinigten Staaten scheint die TV-Funktion besser zu funktionieren. Möglich, dass Microsoft das Feature hierzulande noch einmal überarbeitet.

Fazit: Besser abwarten

Klar ist: Gamer werden an der Xbox One ihre Freude haben. Die Spiele sehen gut aus und der Controller liegt hervorragend in der Hand. Das neue Gerät ist dem Vorgänger technisch in jeder Hinsicht überlegen. Das All-in-One-Wunder, das Microsoft versprochen hat, ist die Xbox One hierzulande aber nicht: Die TV-Funktion läuft nur teilweise und die Sprachsteuerung hat noch einige Macken. Zwar hat die Xbox mit dem Kamerariegel Kinect ein Gerät mit beeindruckenden Möglichkeiten an ihrer Seite, doch dessen Potenzial bleibt bislang weitgehend ungenutzt. Fans von Fitness- und Tanzspielen dürften deshalb lieber zur Xbox One als zur PS4 greifen. Wer die Konsole nicht unbedingt unterm Weihnachtsbaum haben muss, kann noch ein paar Monate abwarten und auf attraktive Konsolenbundles mit Spielen hoffen.

Die Xbox One wird es schwer haben, gegen die 100 Euro günstigere Playstation 4 zu bestehen. Sony hat in den USA mächtig vorgelegt und eine Million Konsolen in 24 Stunden an den Mann gebracht. Daran muss sich Microsoft messen lassen. Möglich, dass der Windows-Hersteller im kommenden Jahr eine zweite Version der Konsole auf den Markt bringen wird - 100 Euro günstiger und ohne Kinect. Es könnte das Gerät werden, auf dass viele Gamer warten.

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