Don't be evil, sei nicht böse - das war lange Zeit das Credo des Tech-Giganten Google, zu dessen Einhaltung sich jeder Google-Mitarbeiter verpflichtete. Doch in der Realität sehe das völlig anders, behauptet nun der ehemalige hochrangige Google-Angestellte Ross LaJeunesse. Er war der ehemalige Leiter der Abteilung für internationale Beziehungen und damit unter anderem für das Verhältnis zu Regierungen, Diplomaten, sowie Organisationen wie den Vereinten Nationen zuständig. Im Mai vergangenen Jahres hat er den Suchmaschinenkonzern nach mehr als einem Jahrzehnt verlassen.
In einem Blogeintrag erhebt LaJeunesse schwere Vorwürfe gegen seinen Ex-Arbeitgeber, der seiner Ansicht nach Profite über Menschenrechte stelle. Konkret kritisiert er Googles Vorgehen in Ländern, die Menschenrechte missachten, darunter China und Saudi-Arabien. So war er sehr stolz, als Google im Jahr 2010 lautstark ankündigte, sich aus China zurückzuziehen. Umso schockierter sei er gewesen, als er erfuhr, dass der Konzern 2017 erwog, in China eine zensierte Suchmaschine mit dem Namen "Dragonfly" auf den Markt zu bringen. "Ich war alarmiert, als ich mitbekommen habe, dass unser Unternehmen das Projekt vorantreibt", so LaJeunesse. Er forderte daraufhin unternehmensweite Standards zur Wahrung der Menschenrechte, wie sie die Vereinten Nationen vorschlagen. Doch nichts passierte.
Profit vor Menschenrechte
Außerdem berichtet LaJeunesse, dass Googles Cloud-Verantwortliche zweifelhafte Deals mit Saudi-Arabiens Regierung einfädelten - trotz der "schrecklichen Bilanz des Landes bei Menschenrechtsverstößen". Das Cloud-Team habe versucht, eigene Richtlinien zu erstellen, um LaJeunesses Einfluss zu verringern. Als Google im Dezember 2017 ein Zentrum für Künstliche Intelligenz in Peking eröffnete, sei ihm bewusst geworden, wie begrenzt sein Einfluss sei.
Irgendwann sei ihm bewusst geworden, dass die Wahrung der Menschenrechte bei der Entwicklung neuer Produkte nie eine Priorität bei Google gewesen sei, schreibt LaJeunesse in seinem Beitrag. "Jedes Mal, wenn ich ein Menschenrechtsprogramm vorgeschlagen habe, fanden die Führungskräfte eine neue Ausrede, um es abzulehnen." Das Muster sei immer dasselbe gewesen: "Immer, wenn Google sich verstärkt für Menschenrechte hätte einsetzen müssen, waren stattdessen größere Gewinne und ein noch höherer Aktienkurs wichtiger".
Die Firmenkultur änderte sich dramatisch
Die Firmenkultur habe sich über die Jahre sehr zum Negativen verändert, schreibt LaJeunesses. "Erfahrene Kollegen mobbten, schrien junge Frauen an - bis diese weinten." Außerdem registrierte er diskriminierende Äußerungen gegenüber Mitarbeitern mit asiatischen Wurzeln. Es habe jedoch nie Konsequenzen für diese Handlungen gegeben.
Seine Kritik an solchen Vorgängen führte letztendlich dazu, dass Google ihn kündigen wollte, behauptet er. "Mir wurde gesagt, aufgrund einer Neuorganisation gebe es keinen Job mehr für mich", obwohl es zu diesem Zeitpunkt mehr als 90 vakante Stelle in der Abteilung gegeben habe.
"Für mich waren keine zusätzlichen Beweise dafür erforderlich, dass der langjährige Slogan 'Sei nicht böse' nicht mehr die Werte des Unternehmens widerspiegelt", schreibt LaJeunesse. "Es ist jetzt nichts mehr als nur ein Marketingtool."
Gegenüber US-Medien ließ Google wissen, dass der Konzern Ross LaJeunesse wurde eine Position auf dem gleichen Niveau und eine Entschädigung angeboten. Die aber habe der ehemalige Mitarbeiter abgeleht. Zu den Vorwürfen sagte eine Sprecherin, dass sich Google absolut zur Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen verpflichtet fühle. Zu dem ehemaligen Mitarbeiter hieß es nur: "Wir wünschen Ross alles Gute für seine politischen Ambitionen." Ross LaJeunesse kandidiert als Demokrat im US-Bundesstaat Maine gegen die republikanische Senatorin Susan Collins.
Quelle: "Medium"