Es war ein gebündelter Schlag gegen Raubkopierer: Die Staatsanwaltschaft Dresden hat am Mittwoch vergangener Woche eine Großrazzia gegen die Betreiber des Streamingportals "kinox.to" durchgeführt. Zwei Hauptbeschuldigte wurden festgenommen, zwei weitere sind auf der Flucht und werden europaweit gesucht.
Kinox.to belegte laut dem Vergleichsportal SimilarWeb im September Platz 35 der meistbesuchten Webseiten Deutschlands. Monatlich hätten mehr als 30 Millionen Nutzer aus dem deutschsprachigen Raum das Film-Portal abgerufen, davon 23,6 Millionen aus Deutschland.
Viele Nutzer fürchten nun, ebenfalls ins Visier der Strafverfolger zu geraten. Zu Recht? Wir haben den Fall kinox.to zusammengefasst und liefern Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was ist passiert?
Im Kampf gegen illegale Raubkopien sind Ermittler der Generalstaatsanwaltschaft Dresden mit einer Razzia am vergangenen Mittwoch in mehreren Bundesländern gegen die Betreiber des Onlineportals kinox.to vorgegangen. "Es gab zwei Festnahmen", bestätigte Behördensprecher Wolfgang Klein der Nachrichtenagentur DPA. Zudem seien "jede Menge Daten" sichergestellt worden. Es gebe vier Hauptbeschuldigte: Neben den zwei Verhafteten aus dem Raum Neuss und Düsseldorf werde derzeit nach zwei Brüdern im Alter von 25 und 21 Jahren aus Lübeck europaweit gefahndet. Die Männer seien offensichtlich schon seit längerem aus Deutschland verschwunden, sagte Klein.
Was wird den Verdächtigen vorgeworfen?
Neben gewerbsmäßigen Urheberrechtsverletzungen kämen noch Steuerhinterziehung von mindestens 1,3 Millionen Euro, räuberische Erpressung und Brandstiftung hinzu, sagte Klein.
Die Beschuldigten hätten "massiv versucht", Konkurrenz aus dem Internetmarkt zu vertreiben. "Man hat da alle Mittel genutzt und auch versucht, mit Drohungen zu arbeiten." Habe das nicht den gewünschten Erfolg gebracht, sei "auch schon mal ein Auto in Flammen aufgegangen."
Klein zufolge sei im Zuge von Ermittlungen im kino.to-Verfahren festgestellt worden, dass die Beschuldigten, die zunächst nicht bekannt waren, "einfach weitergemacht und das kinox.to-Portal betrieben haben". Dem "Spiegel" zufolge sind die Verdächtigen mit den verurteilten kino.to-Betreibern bekannt. Die Gründer aus Leipzig sowie der Chef-Programmierer der mittlerweile vom Netz genommenen Seite hatten jahrelange Haftstrafen erhalten.
Haben sich die Nutzer strafbar gemacht?
"Aus meiner Sicht haben die Nutzer von kinox.to keine Straftat begangen, da der reine Konsum von Streamingdiensten nicht rechtswidrig ist. Das gilt jedenfalls immer dann, wenn keine Kopie des Streams auf dem eigenen Rechner hergestellt wird", sagt Rechtsanwalt Christian Solmecke. "Darüber hinaus ist die GVU (Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen) - die hier offenbar die Strafanzeige erstattet hat - auch dafür bekannt, normalerweise das Übel an der Wurzel zu packen. Das heißt, dass die Gesellschaft in der Regel gegen die großen Fische vorgeht, was sie mit den jetzigen Durchsuchungen auch beweisen hat."
Ähnlich sieht es Rechtsanwalt Tobias Röttger: "Wir schätzen die Gefahr als äußerst gering ein, dass eine strafrechtliche Verfolgung der kinox.to-Nutzer stattfindet. Es besteht kein öffentliches Interesse daran, jemanden strafrechtlich zu belangen, der nur einen Film im Wege des Streamings konsumiert hat. Es werden heutzutage noch nicht einmal die Nutzer von Tauschbörsen strafrechtlich verfolgt, die urheberrechtlich geschützte Filme an Dritte verteilen."
Seit der Redtube-Abmahnwelle im Dezember 2013 seien der Europäische Gerichtshof, das Landgericht Köln und das Bundesjustizministerium der Ansicht, dass reines Streaming keine Urheberrechtsverletzung darstelle, so Röttger. "Trotzdem kann nicht komplett ausgeschlossen werden, ob es vielleicht doch zu Abmahnungen kommt."
Mit welchen Abmahnkosten wäre zu rechnen?
Im Falle einer kinox.to-Abmahnung wären die Anwalts- und Schadensersatzforderungen wesentlich geringer als bei Filesharing-Fällen. "Die Anwaltskosten beliefen sich maximal auf 124 bis 169,50 Euro. Der Schadensersatz würde sich auf 10 bis 20 Euro belaufen und dem Gegenwert einer Kinokarte oder aktuellen DVD entsprechen. Hinzu könnten noch Ermittlungskosten kommen. Dementsprechend dürften sich die finanziellen Forderungen aus einer eventuellen Abmahnung auf 150 bis 250 Euro belaufen", schätzt Anwalt Röttger.
Wie sieht es bei MyGully-Nutzern aus?
Nach Angaben der GVU sollen auch die Seiten Boerse.sx - einer der Nachfolger des Raubkopie-Portals boerse.bz - und mygully.com von den Beschuldigten betrieben worden sein. Diese Portale bieten kein Filmstreaming an, sondern sind ein Link-Archiv für Musik, Filme, Bücher und Software, die über so genannte One-Click-Hoster heruntergeladen werden können. "Sollte die Staatsanwaltschaft die Namen dieser Nutzer herausbekommen, ist mit Abmahnungen der jeweiligen Rechteinhaber zu rechnen", erklärt Solmecke. Nach Informationen von "tarnkappe.info" wurden auch die Portale Freakshare und Bitshare von den Hauptverdächtigen betrieben.
Unklar sei bislang, welche Daten auf den Servern von kinox.to und den angeschlossenen Webdiensten gespeichert worden sind. Und selbst wenn IP-Adressen gesammelt wurden, ist nicht bekannt, ob die Internet-Provider die IP-Adressen ihrer Kunden gespeichert haben - derzeit werden IP-Adressen meist für sieben Tage archiviert. Ist das nicht der Fall, können die IP-Adressen den einzelnen Nutzern nicht mehr zugeordnet werden. Betroffen wären deshalb - wenn überhaupt - nur Nutzer, die kinox.to in den vergangenen Tagen genutzt haben, erklärt Rechtsanwalt Solmecke.