Florian Gerster ist weitgehend unfehlbar. Deshalb erfindet er zum 1. Dezember das Internet neu. Und bringt das Arbeitsamt nicht nur im Netz endlich auf Vordermann.
Der Beweis der weit gehenden Unfehlbarkeit des heiligen Florian, Herr über das Heer Arbeitsloser zu Deutschland, wurde bereits vor einigen Monaten erbracht. Auf die Frage "Haben Sie sich in Ihrem Berufsleben jemals geirrt, Herr Gerster?" anlässlich eines aufschlussreichen Portraits antwortete er: "Nein. Auch wenn das vielleicht überheblich klingt. Nein." Womit alle Zweifel weitgehend vom Tisch sein sollten.
Was sie aber nicht sind. Jüngster Anlass: Ein Beratervertrag mit der Firma WMP Europcom. Deren Geschäftsziele: "Vernetzung zwischen Wirtschaft, Medien und Politik herstellen; Vorurteile korrigieren; Ein informiertes und verständnisvolles Umfeld schaffen für die Anliegen der Politik, von Verbänden und Unternehmen sowie der Medien." Das bestätigt übrigens auch Hans-Dietrich Genscher, Vorsitzender des Aufsichtsrats. Vernetzung, Korrektur und Anliegen gibt’s nicht umsonst, sondern kosten die Bundesanstalt rund 1,3 Millionen Euro. Prinzipiell keine unübliche Summe, denn die Öffentlichkeitsarbeiter "stoßen zu wie die Breitschwanzbiber", wie ein Branchenintimus bei anderer Gelegenheit keck formulierte. Heißt: Die Tagessätze können eine kleine Familie nebst Gestüt, Yacht und Hubschrauberflotte ernähren. Außerdem: "In dem Betrag sind 16 Prozent Mehrwertsteuer enthalten, sagt WMP-Vorstand Bernd Schiphorst.
Thomas Hirschbiegel
Kolumnist für stern.de seit 1997 - und das H der H&A medien: Redaktion, Public Relations und Online-Konzepte.
Ausnahme und Regel
Anrüchig ist die Angelegenheit jedoch nicht wegen der gut bezahlten Tätigkeit, da Geld bekanntlich nicht stinkt, sondern wegen der Art und Weise, wie der Auftrag aus der Chefetage des Arbeitslosenamts zur WMP gelangte. Unter Umgehung des EU-Vergaberechts, meinen Kritiker, da die Vertragssumme jenseits des rechtsverbindlichen Limits von 200.000 Euro liege. Selbstverständlich gibt es auch hier Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Ausnahme 1: die Sache eilt wie verrückt. Ausnahme 2: kein anderer auf der ganzen Welt und im Universum kann das, was der kann, der eben deshalb den Auftrag bekommen hat. Und wie es der Zufall gewollt habe, zitiert ein anderes Hamburger Nachrichtenmagazin eine Sprecherin der Nürnberger Bundesanstalt, seien genau diese beiden Fälle eingetreten.
Besinnlichkeit ist Bürgerpflicht
Das stimmt. Denn schließlich wusste man in der Stadt der dünnen Bratwürste erst seit einem dreiviertel Jahr, dass das öffentliche Erscheinungsbild des Arbeitsamts suboptimal war. Wie schnell neun Monate vorbei sind, wissen besonders werdende Mütter nur zu gut: Und zwar im Handumdrehen. Eben erst sündiger Sex und schon im nächsten Augenblick hat die Hebamme ihren Einsatz. Wer da kein Verständnis aufbringt, ist doch kein Mensch, hat keinen Respekt vor dem neuen Leben. Ob Kind oder Kommunikationsauftrag, wer will da richten und sich an Kleinigkeiten reiben. Zudem steht der Advent vor der Tür, weswegen Besinnlichkeit erste Bürgerpflicht ist. Und nicht naseweises Herumkritteln an goldenen Wasserhähnen, die mutmaßlich auch nur vergoldet werden sollten, wie der schwäbische SPD-Mann Christian Lange im Frühjahr anlässlich der geplanten Renovierung der Sakristei des heiligen Florian mutmaßte. Kostenpunkt: 1,8 Millionen Euro. Aber das ist wahrlich nicht der Zeitpunkt, um kleinlich zu sein. Halleluja.
Weitaus friedlicher: Die Neuerfindung des Internet durch die Neueröffnung des runderneuerten Angebots unter www.arbeitsamt.de am 1. Dezember. Und das geht unter anderem so: "Die Suche nach passenden Stellenangeboten sowie die Personalauswahl werden künftig schneller, einfacher und bequemer." Hinzu kommt eine Handvoll Jobbörsen mit völlig neuen Daten, weil die alten Daten "aufgrund von rechtlichen und strukturellen Einschränkungen" nicht ins neue Internet passen. Aber so haben alle Jobsuchenden ab dem 1. Dezember auch wieder eine Beschäftigung.