Das letzte halbe Jahr war schwer für das erfolgsverwöhnte Silicon Valley. Der amerikanische Job-Motor geriet ins Stocken und laut "Cnet" verloren weltweit mehr als 250.000 Menschen ihren Job. Den Chefs der Konzerne fiel die Erklärung recht leicht: Sundar Pichai, CEO der Google-Mutter Alphabet, erklärte, man habe in den vergangenen zwei Jahren ein dramatisches Wachstum erlebt, welches heute nicht länger zur wirtschaftlichen Realität passe. Also müsse man reagieren.
Auch von Mark Zuckerberg, dem Facebook-Gründer und Meta-CEO hörte man das. Er sei davon ausgegangen, dass der überraschende Erfolg seines Unternehmens sich auch nach Ende der Pandemie ungebremst fortsetze, schrieb er in einer Mitteilung an seine Angestellten. Da das aber nicht eintrat, mussten viele ihren Hut nehmen. Und es geht weiter: Mark Zuckerberg schrieb kürzlich auf Facebook, dass in den kommenden Monaten nochmals rund 10.000 Personen ihren Platz räumen müssen und 5000 Ausschreibungen für freie Stellen zurückgezogen werden.
Personal für Aufgaben, die es nicht gab
Gegenüber "Businessinsider" plauderte der US-Milliardär und Tech-CEO Thomas Siebel aus dem Nähkästchen. Seiner Meinung nach hätten die Konzerne schlicht übertrieben und völlig das Maß verloren, wenn es um Neueinstellungen ging. Die Massenentlassungen sieht er als "Ende der Verrücktheit", die das Silicon Valley überkommen habe.
"Viele haben von zuhause einfach gar nichts getan", schildert Siebel gegenüber "Businessinsider". Meta und Google hätten Menschen an Bord geholt, für die es "keinerlei Aufgaben gegeben hat". Dazu sei gesagt, dass Siebel offenbar kein Freund der neuen Arbeitswelt zu sein scheint, die es Mitarbeitenden erlaubt, ihre Arbeit zuhause zu erledigen, statt ins Büro zu fahren. Das unterstreicht das Interview mit ihm mehrfach. Mit mangelhafter Eigenleistung hatten die Entlassungen aber nichts zu tun – und der Arbeitsort spielte keine große Rolle.
Völlig unrecht hat er aber nicht, denn es gab tatsächlich Fälle, bei denen neue Mitarbeiter anscheinend "vergessen" worden sind. Das macht ein Tiktok-Video einer ehemaligen Meta-Angestellten deutlich. Britney Levy sagt von sich selbst, sie habe die Entlassungspapiere samt Verschwiegenheitsklausel von Meta bisher nicht unterzeichnet und könne ihre Situation daher frei schildern – was sie dann auch tut.
Laut Levy war die Zeit bei Meta "wirklich seltsam". Sie sei im April 2022 an Bord gekommen und habe nach drei Tagen erstmals eine Umfrage zum Thema Diversität bekommen. Danach habe jeder, mit dem sie angefangen hat, eine Aufgabe erhalten – nur sie nicht. "Ich bin eine dieser Personen, die für eine wirklich seltsame Position angestellt worden sind. Ich kam sehr schnell in eine Gruppe von Leuten, die alle keinerlei Aufgabe hatten. Wir haben einfach dort gesessen", erklärt sie im Video. Arbeit zu finden sei stets ein Kampf gewesen.
"Auf mich wirkte das, als würde Meta einfach Leute an Bord holen, damit andere Unternehmen es nicht konnten. Sie haben uns gesammelt wie Pokémon-Karten", so Levy weiter. In einem anderen Video bezeichnet Levy ein solches Team als "gefrorene Rohrleitung", also eine Situation, in der sich einfach nichts mehr tut. Darin hätten sich auch "sehr talentierte" Personen wiedergefunden, fügt sie hinzu. Da diese zum Zeitpunkt der Entlassungen keine aktuelle Leistungen vorweisen konnten, bedeutete das deren Kündigung.
Erfolgreich ja – aber deutlich weniger Wachstum
Der Tech-Journalist Peter Kafka lieferte bei "Vox" bereits im November eine weitere Erklärung für die Situation, in der sich das Valley heute befindet. Auf die Frage, ob ausbleibender Wachstum Schuld an der Misere sei, antwortete er: "Google, Facebook, Amazon und Apple hatten alle ein irres, irres, irres Wachstum. Sie waren ganz vorne (bei der Tech-Revolution der letzten zwei Jahrzehnte, Anm. d. Red.) mit dabei. Dafür wurden sie belohnt. Aber diese Unternehmen wachsen nicht mehr im gleichen Tempo. Viele von ihnen sind inzwischen ziemlich alt – oder ihr Hauptprodukt ist ziemlich alt." Als Beispiel nennt Kafka auch das iPhone.
"Viele dieser Unternehmen und Produkte sind immer noch sehr groß und sehr profitabel, aber sie werden nicht mehr so schnell wachsen. Und Big Tech ist weniger dynamisch als es früher war. Diese Big-Tech-Unternehmen waren Disruptoren, und jetzt sind sie so etwas wie die großen, etablierten Giganten. Und aus Sicht der Wall Street ist das weniger attraktiv", fügt er hinzu.
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Thomas Siebel spricht also von einer Art "Gesundschrumpfen", wenn er sagt: "Die ganze Sache muss sich einfach von selbst erledigen." Denn die Konzerne haben sich mit der Pandemie für einen Boom aufgestellt, der nicht eingetroffen ist. Um die Firmen muss man sich aber mitnichten sorgen, wie der "San Francisco Chronicle" schreibt. Dort sagt Russell Hancock, der CEO einer gemeinnützige Unternehmens- und Gemeindegruppe, dass man nicht von einer Krise sprechen könne, sondern die Entlassungen als Marktanpassung werten müsse.