Googles Süßigkeitenschrank wird voller: "Ice Cream Sandwich" ("Eiswaffel") heißt das mobile Betriebssystem Android 4.0, das der US-Konzern am frühen Morgen in Hongkong vorgestellt hat. Und das hat es in sich, denn Googles Antwort auf Apples kürzlich vorgestelltes Betriebssystem iOS 5 bietet eine Fülle an neuen Features und Funktionen: ein neues Interface, besseres Multitasking, veränderbare Widgets, eine verbesserte Tastatur und Spracherkennung – um nur die wichtigsten Änderungen zu nennen.
Das erste Handy, das mit Android 4.0 laufen wird, ist das Samsung Galaxy Nexus. Das Android-Flaggschiff wurde zeitgleich mit der Google-Software vorgestellt. Es bietet einen riesigen Bildschirm mit einer unglaublichen Auflösung von 1280 x 720 Pixeln - manch ein Laptop muss mit weniger auskommen. Ausgestattet mit einem schnellen Prozessor und viel Arbeitsspeicher rüstet Samsung sein Handy für das Duell mit Apple. Dank Android 4.0 bietet das Samsung Galaxy Nexus viele neue Funktionen in frischem Gewand.
Dank neuem Interface mehr Übersicht
Am auffälligsten bei Android 4.0 sind die Änderungen im Menü: Das neue Interface wurde für Smartphones und Tablets mit hohen Auflösungen optimiert und bietet neue Animationen und eine bessere Lesbarkeit. Mit einer zusätzlichen Systemleiste am unteren Bildschirmrand kann der Nutzer nun bequem zwischen Hauptmenü und den zuletzt verwendeten Apps hin- und herwechseln, ein "Zurück"-Button sorgt für mehr Flexibilität zwischen einzelnen Ebenen. Die Leiste ist permanent sichtbar, wird aber bei Anwendungen, die den vollen Bildschirm benötigen, automatisch ausgeblendet.
Das Multitasking ist eine der großen Stärken der Android-Betriebssysteme und wurde in der Version 4.0 verbessert. Mit dem App-Button in der Systemleiste kann der Nutzer wie bei einem Task-Manager in Sekunden von einer App zur anderen wechseln. Nach Klick des Buttons erscheint eine Liste mit Miniaturansichten der einzelnen Apps – ein weiterer Klick auf das jeweilige Bild öffnet die Anwendung.
Auch die Ordner wurden stark überarbeitet. Ähnlich wie bei iOS können Apps zusammengezogen werden, um einen neuen Ordner zu bilden. Auf kleineren Bildschirmen gibt es zudem eine Favoritenleiste, in der Apps, Ordner oder andere Dinge abgelegt werden können, um jederzeit Zugriff auf die eigenen Favoriten zu haben.
Skalierbare Widgets, Schnell-Kamera und bessere Rechtschreibung
Eines der beliebtesten Android-Features ist der individuell anpassbare Hauptbildschirm. Anders als bei Apples iOS kann der Nutzer den Home-Screen ganz nach seinem eigenen Geschmack einrichten. Dafür sorgen sogenannte Widgets: Dahinter verbergen sich beispielsweise Uhren, Kalender oder Anzeigen für soziale Netzwerke. Dafür muss die jeweilige App nicht gestartet werden, jedoch wird der Bildschirm mit mehr Widgets zunehmend unübersichtlich. Deshalb bietet Google ab sofort die Möglichkeit, Widgets in der Größe zu verändern. So kann der Bildschirm mit Informationen vollgepackt werden und bleibt dennoch übersichtlich.
Auch der Sperrbildschirm (Lock Screen) wurde überarbeitet: Mit der Version 4.0 können mehr Aktionen gestartet werden, ohne den Bildschirm zu entriegeln. So hat der Nutzer aus dem Sperrbildschirm schnellen Zugriff auf die Kamera oder kann eingegangene Nachrichten lesen. Eine ähnliche Funktion hat auch Apple in iOS 5 integriert. Google hat die Tastatur überarbeitet und eine bessere Rechtschreibprüfung spendiert. Falsch geschriebene Wörter können jetzt mit einem Klick verbessert werden. Eine neue Erkennungsroutine und Wörterbücher in noch mehr Sprachen sorgen für weniger Fehler bei Kurznachrichten und E-Mails.
Panoramas aus der Hosentasche
Die Kamera-App ist jetzt noch schneller und kann Bilder in kürzerer Zeit aufnehmen. Die Auslöseverzögerung wurde weiter minimiert – das sorgt für schärfere Bilder. Auch eine Gesichtserkennung ist jetzt an Bord: Das bereits von Digitalkameras bekannte Feature fokussiert automatisch die Gesichter der Personen, auf Wunsch kann der Fokus aber mit einem simplen Klick verschoben werden. Fans von Naturaufnahmen werden sich über die neue Panoramafunktion freuen, die es bisher nur über spezielle Apps gab: Nach einem geschossenen Foto kann der Nutzer weitere Bilder aufnehmen, die anschließend in einer Panorama-Aufnahme zusammengefügt werden. Moderne Smartphone-Kameras mit einer Auflösung von acht Megapixlen oder mehr können so sensationelle Bilder schaffen. Ein Feature worauf viele Fans lange gewartet haben: Endlich kann Android auch Screenshots des Displays aufnehmen. Wer seinen Bildschirm abfotografieren will, muss dafür lediglich den Home-Screen und die Lautstärke- Taste gleichzeitig drücken.
Passend zu den neuen Foto-Funktionen wurde auch die Galerie-Anwendung überarbeitet. Ein neues Album-Layout soll für mehr Übersicht sorgen, Alben können nach Ort, Name, Zeitpunkt der Aufnahme oder den abgebildeten Menschen sortiert werden. Ein neuer Foto-Editor ermöglicht Bildbearbeitung im Handumdrehen: rote Augen entfernen, Schwarz-Weiß-Filter, Bilder zurechtschneiden – das alles geht jetzt mit wenigen Klicks. Neue Effekte gibt es auch für die Videofunktion: Mit zusätzlichen Hintergründen oder lustigen Verzerrungen bietet Google Fans von Video-Chats neue Möglichkeiten.
Auch Android lernt Zuhören
Mit Googles neuestem Betriebssystem Android 4.0 schafft es eine neue Spracherkennungssoftware auf die Handys und Tablets, die das gesprochene Wort des Nutzers verschriftlichen soll. Reden, solange man will und in jeder Sprache – kein Problem für das Programm, meint Google. Wie gut sich das Programm gegen Apples Sprachassistent Siri schlägt, wird der Praxistest zeigen.
Neue Dienste mit an Bord
Mit "Android Beam" startet Google einen neuen Service für Telefone: Mittels Near-Field-Communication (NFC) können Apps, Kontakte, Musik oder Videos getauscht werden. Dafür müssen die zwei Handys einfach aneinander gehalten werden. Haben sich die Handys erkannt, poppt ein Menü auf, einmal auf "Senden" gedrückt – fertig.
Die zweite Innovation ist der neue "Face Unlock": Wer sein Handy nicht auf altmodische Art entsperren will, kann ab sofort kurz in die Kamera schauen. Erst nachdem das Gerät seinen Besitzer erkannt hat, entriegelt es sich. Allerdings bleibt auch hier abzuwarten, wie gut das in der Realität funktioniert.
Lebkuchen, Honigwabe - jetzt kommt die Eiswaffel
Google sorgte mit seinen zahlreichen Betriebssystemen für viel Verwirrung bei den Kunden: Da gab es einerseits die Handy-Betriebssysteme, das aktuellste ist die Version 2.3.7 namens "Gingerbread" ("Lebkuchen"). Auf der anderen Seite gab es das für Tablet-PC optimierte Android-System 3.0 "Honeycomb" ("Honigwabe"). Um die Verwirrung perfekt zu machen, nutzten kleinere Tablets häufig auch die Handy-Version, da nur hier Telefongespräche möglich waren. Zudem konnten nicht alle Hersteller ihre Geräte auf die jeweils neueste Version aufrüsten – zum Leidwesen der Kunden.
Doch damit soll bei Android 4.0 "Ice Cream Sandwich" endgültig Schluss sein: Das Betriebssystem läuft sowohl auf Smartphones als auch auf Tablet-PC. Das ist nicht nur für die Nutzer einfacher, sondern auch für die App-Entwickler. Die mussten ihre programmierten Anwendungen für die jeweilige Version anpassen, um möglichst viele Nutzer zu erreichen. In dieser Hinsicht ist Googles Rivale Apple mit seinem mobilen Betriebssystem iOS schon seit Jahren weiter: Das System läuft auf iPhone, iPod Touch und iPad.