Krieg in der Ukraine Neue Form der Kriegsführung – auf diese Weise griff ein Drohnen-Schwarm Putins Flotte an

Kamerabild einer angreifenden Meeres-Drohne.
Kamerabild einer angreifenden Meeres-Drohne.
© PR
Für Russlands Schiffe gibt es keinen sicheren Zufluchtsort mehr, in der stark gesicherten Bucht von Sewastopol wurden sie von Meeres- und Luftdrohnen attackiert. Doch ein großer Triumph wurde der Angriff nicht.

16 Luft- und Seedrohnen haben am Wochenende Schiffe der Schwarzmeerflotte im Marinestützpunkt Sewastopol auf der Krim angegriffen. Es ist der größte Drohnenangriff, den Kiew in diesem Krieg durchgeführt hat. Die politische Bedeutung ist enorm: Mit der Attacke hat die Ukraine unter Beweis gestellt, dass sie Russland an jedem Ort angreifen und treffen kann. Und auch, dass die Moskauer Führung den versprochenen Schutz nicht gewährleisten kann. 

Faktisch ist der Angriff weniger erfolgreich und folgenschwer wie die ukrainische Drohnenattacke auf die "Moskva" – das damalige Flaggschiff der Schwarzmeerflotte. Der riesige Raketenkreuzer der Slava-Klasse hatte eine enorme symbolische Bedeutung und wurde versenkt. Ein vergleichbarer Erfolg gelang der Ukraine dieses Mal nicht. 

Koordinierte Attacke eines Schwarms

Militärisch spannend ist die Dimension der Attacke, bei der 16 Drohnen koordiniert eingesetzt wurden. Neun Drohnen sollen zur Luft angegriffen haben, sie haben die Verteidiger verwirrt und das Feuer der Abwehr auf sich gezogen. Russland behauptet alle neun Luft-Drohnen abgeschossen zu haben. Die eigentliche Bedrohung ging von den Meeresdrohnen aus.

Vor wenigen Wochen wurde ein Boot dieser Art in der Nähe von Sewastopol an die Küste gespült (Neuartiges Drohnen-Boot der Ukraine bedroht die russische Schwarzmeerflotte). Bei dem Typ handelt es sich nicht um ein echtes U-Boot oder Tauchboot, die Drohne sind so konstruiert, dass nur ein sehr kleiner Teil aus dem Wasser ragt. Entsprechend schwer sind sie zu entdecken. Von der Bauart her ähneln sie den Pseudo-U-Booten des Drogenhandels. Im Angriff haben sie mehrere Vorteile. Es handelt sich bei den Meeresdrohnen um Kamikaze-Waffen. Ihre Fracht besteht aus Sprengstoff. Ihre Aufgabe ist es, sich dem Ziel mit hoher Geschwindigkeit zu nähern und dann zu explodieren. Dabei bringen sie eine weit größere Sprengladung ins Ziel als eine kleinere Drohne. Zum anderen ist die Abwehr gegen Luftziele viel weiterentwickelt, als die gegen derartige Mini-Schiffchen. 

Da die Boote keine Besatzung haben, befinden sich mehrere Sensoren an Bord. Am Mast der gestrandeten Drohne waren eine Kamera und ein Infrarotgerät montiert. Dahinter befand sich eine Antenne zur Steuerung. Da die Boote weit entfernt von den ukrainischen Linien operieren, kann man vermuten, dass die Steuerung der Drohnen-Boote über die Starlink-Satelliten erfolgt. Das würde bedeuten, dass die Reichweite der Steuerung praktisch unendlich ist und die Einsatzreichweite der Boote nur vom Treibstoffvorrat und der Seetüchtigkeit begrenzt wird. Das Prinzip eines Sprengbootes ist keineswegs neu. Schon in der Antike hat man sogenannte Brander eingesetzt. Kleine Boote, die Kurs auf die feindliche Flotte nahmen und vor dem Zusammenstoß in Brand gesetzt wurden. Im Zweiten Weltkrieg wurden Sprengboote und bemannte Torpedos von Italien und Deutschland eingesetzt. Heute baut der Iran vergleichbare Drohnen-Boote.

Einbruch in Bucht

Nach russischen Angaben wurden vier Drohnenboote außerhalb der Bucht zerstört, drei schafften es ins Innere. Dabei sollen die "Admiral Makarov" – eine Fregatte der modernen Admiral-Grigorovich-Klasse (Projekt 11356R) – und ein Minensuchboot der Natya-Klasse (Projekt 266M), die "Ivan Golubets", beschädigt worden sein. Durch die gestrandete Drohne war Russland gewarnt. Vermutlich war der Angriff darum auch nur ein halber Erfolg. Nach dem Fund der Meeresdrohne wurden die Fahrten der Flotte in der Nähe der Krim stark eingeschränkt. Die Schiffe wurden in die Bucht verlegt. Dort haben schwimmende Sperren sie geschützt. Die Meeresdrohnen müssen eine Lücke in den Sperren gefunden haben. Denkbar ist auch, dass einzelne Drohnen die Sperren gesprengt haben und so für die nachfolgenden eine Durchbruchstelle geschaffen wurde.

Beide Seiten machen sich gegenseitig für den Angriff verantwortlich. Kiew behauptet, Russland habe die eigene Basis angegriffen. Die russischen Vorwürfe lauten, dass britische Spezialisten bei Planung und Durchführung assistiert hätten. Außerdem sollen sich die Meeresdrohnen entlang des Getreidekorridors ihrem Ziel angenähert haben. Angeblich soll eine Wasserdrohne ihre Reise erst im Meer begonnen haben. Sie soll von einem Schiff innerhalb der Sicherheitszone des Getreidekorridors gestartet worden sein – so Moskau. 

Russische Flotte eingesperrt

Beachtenswert an dem Angriff ist die Planung des Angriffs und die Koordination der Bewegungen aller 16 Drohnen miteinander. Es zeigen sich aber auch die Grenzen solcher Angriffe. Offenkundig konnten sich die ukrainischen Drohnen unbemerkt der Basis nähern. Sie versuchten jedoch nicht, den eigentlichen Angriff im Verborgenen durchzuführen. Es lässt sich nicht sagen, ob das beabsichtigt war oder ob der Schwarm nur frühzeitig entdeckt wurde. Obwohl es zu Beschädigungen an den Schiffen kam, war der erste Angriff dieser Art kein durchschlagender Erfolg. Es ist anzunehmen, dass die Bucht in Zukunft noch besser geschützt wird. Etwa durch gestaffelte schwimmende Sperren. Der eigentliche Erfolg ist, dass die Drohnenbedrohung die russische Schwarzmeerflotte neutralisiert und militärisch weitgehend wertlos macht. Anstatt Druck auf die ukrainischen Streitkräfte auszuüben, müssen die wertvollen Schiffe hinter Sperren Schutz suchen. 

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