Als Amazon im Spätherbst 2014 seinen ersten Echo-Sprachlautsprecher vorstellte, war die Reaktion überall die gleiche: Wer bitte stellt sich solch eine Wanze ins Wohnzimmer? Dennoch wurden die smarten Lautsprecher extrem populär. Mehr als 100 Millionen Geräte sollen weltweit im Einsatz sein. Doch die Privatsphäre-Zweifel konnten trotz aller Beteuerungen der Hersteller nie vollständig ausgeräumt werden.
Zu recht, wie sich nun erneut zeigte. Einem Bericht des belgischen Rundfunks VRT zufolge hören Google-Vertragsmitarbeiter einigen Gesprächen zu, die Nutzer mit ihrem Google Assistant führen. Dem Sender wurden mehr als 1000 Gesprächsmitschnitte zugespielt, die von Vertragsarbeitern transkribiert werden sollten.
Das Ziel: Indem die Gespräche händisch verschriftlicht werden, kann die Qualität der automatischen Spracherkennung verbessert werden. Dies ist hilfreich, um individuelle Sprachmuster (nötig für die Erkennung unterschiedlicher Stimmen) und regionale Akzente besser zu verstehen. Die Praxis ist in der Branche üblich: Ähnliches hatte die US-Nachrichtenagentur “Bloomberg” bereits vor einigen Monaten bei Amazon aufgedeckt.
Einige Aufnahmen irrtümlich erzeugt
Beim Großteil der nun durchgesickerten Audioaufnahmen handelt es sich um die übliche Kommunikation mit Sprachassistenten. Das ist daran erkennbar, dass die Sätze mit der Phrase “Okay, Google” beginnen - mit diesem Codewort startet man den Google Assistant. Bei 153 Gesprächen war das jedoch nicht der Fall. Diese "hätten nie aufgezeichnet werden sollen”, heißt es in dem Bericht. Dass sie trotzdem aufgenommen und in die Cloud hochgeladen wurden, liegt daran, dass der Assistant versehentlich die Aktivierungsphrase “Okay, Google” verstand, obwohl man nur etwas Ähnliches sagte. Womöglich wurde der Assistant auch versehentlich auf dem Smartphone gestartet, ohne dass die Nutzer die optischen und akustischen Signale bemerkt hatten.
Die Google-Vertragsarbeiter gaben an, teils intime Gespräche mitgehört zu haben, darunter Bettgespräche, Dialoge zwischen Eltern und ihren Kindern und Fragen nach medizinischen Informationen. Dem Bericht zufolge wurde ein Mitarbeiter sogar Ohrenzeuge einer Situation häuslicher Gewalt.
Google hat sich bereits geäußert
Google selbst hat sich mittlerweile in einem Blogeintrag zu der Sache geäußert. Der Konzern bestätigt, dass 0,2 Prozent aller Aufzeichnungen - also jede 500. Aufnahme - manuell von Menschen ausgewertet werden. Dieser Vorgang erfolge komplett anonym, die Mitarbeiter könnten die Aufnahmen keiner individuellen Person zuordnen, heißt es.
Ganz so einfach ist es in der Praxis aber offenbar nicht. Denn ein Reporter des belgischen Senders gelang es, gleich mehrere Nutzer anhand der Soundschnipsel zu identifizieren und aufzusuchen, weil diese in Gesprächen persönliche Angaben wie etwa Adressen nannten.
Datenschützer kritisieren nun, dass Google seine Nutzer nicht auf diese Praxis aufmerksam macht. Zwar finden sich in den Nutzungsbedingungen des Google Assistant Hinweise darauf, dass die Sprachaufnahmen zur Qualitätsverbesserung analysiert werden. Es ist jedoch nirgendwo die Rede davon, dass dies durch Menschen geschieht.
So löscht man seine Aufnahmen
Google hat angekündigt, den Fall intern zu untersuchen. Dabei geht es in erster Linie aber nicht um die Praxis der Aufzeichnung und Auswertung von Daten, sondern darum, dass der Dienstleister sensible Informationen an ein Medium weitergegeben habe.
Wer seine bisherigen von Google aufgezeichneten Sprachaufnahmen anhören will, ruft diese Seite auf. Löschen lassen sich die Aufnahmen direkt im Google-Konto in der Rubrik "Daten & Personalisierung" unter "Meine Aktivitäten", dann weiter auf "Sprach- und Audioaktivitäten".
Wenn Sie wissen wollen, wie man alle Aufnahmen von Amazons Alexa löscht, lesen Sie hier weiter.
Lesen Sie mehr zum Thema Privatsphäre:
- Mehr als 1300 Android-Apps sammeln private Informationen, obwohl man es verbietet
- Experte über Privatsphäre: "Ich frage mich ständig, warum die Leute das alles noch mitmachen"