100 Millionen Grad Celsius sind nötig, um Atome dazu zu bringen, miteinander zu verschmelzen. Diese Temperatur wurde bereits in den großen Tokamak-Reaktoren in Südkorea (KSTAR) und Chinas (EAST) erreicht. Was ist also das Besondere an dem neuen Rekord von Tokamak Energy aus Großbritannien? Zum einen folgt ihr Reaktor ST40 einem anderen Design. Bislang wurden die Tokamak in Form eines großen Donuts gebaut, in dessen Inneren das Plasma von Magneten in eine Ringform gepresst und beschleunigt wird.
Der privat finanzierte ST40-Tokamak des britischen Unternehmens basiert dagegen auf einer abgeflachten Kugelform. Das ganze Gerät ist sehr viel kleiner und kompakter und auch billiger. Die Kosten sind ein entscheidender Punkt. Kritiker fürchten Folgendes: Selbst, wenn die großen ringförmigen Tokamak-Reaktoren, zu denen auch der europäische ITER gehört, irgendwann tatsächlich arbeiten würden und Strom erzeugen, wären der Strom so teuer, dass eine konventionelle Nutzung der Fusionsenergie nicht möglich wäre.
Einstieg zum Schnäppchenpreis
Tokamak Energy weist darauf hin, dass sein "kompaktes Fusionsgerät" in nur fünf Jahren zu einem Preis von weniger als 50 Millionen Pfund gebaut wurde, das sind etwa 60 Millionen Euro. Tokamak Energy sieht die kugelförmigen Reaktoren als den optimalen Weg zur "Bereitstellung sauberer, sicherer, kostengünstiger, skalierbarer und weltweit einsetzbarer kommerzieller Fusionsenergie".
Die internationalen Forschungsreaktoren laufen Gefahr, von den privaten Initiativen überholt zu werden. Das ist auch kein Wunder. Die staatlichen Anlagen wurden primär für die Grundlagenforschung konzipiert und nicht für eine kostengünstige Stromerzeugung.
Die gesamte Kammer ist bei einem kugelförmigen Gerät viel kleiner. Das führt dazu, dass diese Geräte weniger und kleinere Magneten benötigen, die das Plasma in Schach halten und dass diese Magneten dennoch eine höhere Feldstärke erreichen. Dieser Aufbau führt zu einem kleineren, einfacheren Reaktor, in dem das Plasma viel leichter stabil gehalten werden kann.
Wettlauf zur Kernfusion
Die Fusion wurde möglich, weil das Plasma mit über 25 Sonden überwacht wurde, die dem ST40 integriert sind. In einem nächsten Schritt soll der ST40 mit Hochtemperatur-Supraleiter(ATS)-Magneten ausgerüstet werden. Der Einsatz solcher Magneten gilt als Schlüsseltechnik für eine kommerziell nutzbare Fusion. Sie müssen nur auf die Temperatur von flüssigem Stickstoff gekühlt werden, um den Effekt der widerstandsfreien Leitung zu erreichen. Mitte der 2020er-Jahre soll der britische Reaktor in Betrieb gehen. Auch das wäre noch ein Erprobungsgerät. Eine erste Pilotanlage für die kommerzielle Fusion soll Anfang der 2030er-Jahre starten.
Die britische Regierung unterstützt Versuche, schnell einen funktionsfähigen Fusionsreaktor zu bauen. Entsprechend erfreut zeigte sich Kwasi Kwarteng, Staatssekretär für Unternehmens-, Energie- und Industriestrategie (BEIS). Er sagte, dass die Fusionsenergie die "ultimative Kraft der Zukunft" sein könnte.