Nach dem Ausstieg aus der EU kommt nun der Wiedereinstieg in die Kernkraft. Seit 1989 wurde in Großbritannien kein neuer Reaktor in Betrieb genommen. Rolls-Royce hat nun angekündigt, dass die Firma bis zu 15 Mini-Kernreaktoren in Großbritannien bauen, installieren und betreiben will. Der erste soll bereits in neun Jahren ans Netz gehen. Rolls-Royce Holdings ist ein Konzern, der aus dem Hersteller der luxuriösen Automobile entstand. Die Fahrzeugsparte gehört seit 1998 nicht mehr zum Konzern. Rolls-Royce baut Triebwerke und ist seit langer Zeit in der Energie- und Nukleartechnik aktiv.
Die von Rolls-Royce geplanten Kraftwerke unterscheiden sich deutlich von den alten Großanlagen mit ihren gewaltigen Kuppeln. Diese Anlagen werden in einer Fabrik gebaut und sind so "mini", dass die Reaktoren auf der Straße zum Bestimmungsort transportiert werden können. "Unser Plan ist es, diese Energie im Jahr 2029 ans Netz zu bringen", sagte Paul Stein, der Chief Technology Officer von Rolls-Royce, gegenüber der BBC. "Die Standorte, an denen wir sie einsetzen wollen, sind Orte, an denen wir ältere oder bereits stillgelegte Kernkraftwerke betreiben. Es gibt bereits zwei Standorte in Wales und einen im Nordwesten Englands. Im Vereinigten Königreich werden wir schließlich 10 bis 15 neue Standorte einrichten."
"Wir streben auch einen bedeutenden Exportmarkt an. Tatsächlich wird der Exportmarkt für kleine Reaktoren derzeit auf 250 Milliarden Pfund geschätzt," so Stein. Die Mini-Reaktoren werden in Serie produziert – dadurch erwartet man eine enorme Kostenersparnis. "Der Trick besteht darin, vorgefertigte Teile zu nutzen, bei denen wir fortschrittliche digitale Schweißverfahren und eine robotergestützte Montage verwenden. Diese Teile werden dann an die Baustelle geliefert und dort zusammengeschraubt."
Deutschland hat sich von der Atomkraft verabschiedet, doch weltweit erleben Atomkraftwerke eine Renaissance. Derzeit sind 448 zivile Reaktoren im Netz, 53 weitere sind im Bau. Hauptverantwortlich für den Boom ist China. Lesen Sie zu dem Boom von Reaktoren:
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Klimaschutz ohne Aufpreis
Die Reaktoren sollen eine Lebensdauer von 60 Jahren erreichen und auch der Rückbau der modularen Anlagen wäre wesentlich günstiger als bei heutigen Kraftwerken. Jeder Reaktor von Rolls Royce wird genügend Strom für eine Stadt mit 750.000 Einwohner erzeugen. Die Kosten werden auf 70 Euro pro MWh geschätzt, das entspricht sieben Cent pro Kilowattstunde.
"Unser Ziel war es nicht, einen gänzlich neuen Kernreaktortyp zu erschaffen", erklärte Stein. "Tatsächlich entspricht die Konstruktion des Kernreaktors einer Bauweise, die wir seit vielen Jahren in Kernkraftwerken auf der ganzen Welt betreiben. Wir haben uns jetzt aber auf die Kosten konzentriert. Und es passiert zum ersten Mal, dass wir einen Blick auf das gesamte Design des Kraftwerks werfen. Nicht nur auf den Reaktor, sondern auch auf die anderen Teile, auf den Tiefbau und auf die Zeit vom Baubeginn bis zur Fertigstellung. Ich glaube, es ist ganz neu, dass sich ein Industriekonsortium darauf konzentriert, die Stromkosten für den Verbraucher zu senken, und es kommt genau zum richtigen Zeitpunkt mit der zunehmenden Besorgnis über den Klimawandel".
Atomkraftgegner wird das Konzept nicht überzeugen, aber andere sehen in den Mini-Reaktoren eine Möglichkeit, effektiven Klimaschutz zu betreiben, ohne höhere Energiekosten in Kauf nehmen zu müssen. Regenerative Energieformen wie Fotovoltaik und Windkraft können anders als die Atomkraftwerke den Strom zudem nicht durchgängig und nach Bedarf produzieren. Lesen Sie zur Speicherung von Windenergie:
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Militär nutzt seit Langem Mini-Reaktoren
Tatsächlich sind Mini-Reaktoren kein technisches Neuland, das Militär verwendet kleine Reaktoren in Schiffen und U-Booten. Russlands Eisbrecher der Arktika-Klasse haben zwei kleine Reaktoren vom Typ RITM-200 an Bord – allerdings mit deutlich geringer Leistung als die Anlage von Rolls Royce. Die Briten planen derzeit stationäre Anlagen.
In Russland und China gibt es sogar Pläne für mobile Atomkraftwerke. Russland hat vor, stärkere Mini-Reaktoren auf Basis des RITM-200-Typs zu bauen. Sie sind gedacht für Kernkraftwerke mit geringer Kapazität, die auf See und an Land errichtet werden können, sagte Andrey Nikipelov, der CEO von Atomenergomash, im Jahr 2018. Die kompakten Reaktoren werden dann in einem Schiffsrumpf integriert und können über Flüsse und Kanäle transportiert werden. An Land benötigt man nur eine Station zur Stromeinspeisung.
Quelle Rolls Royce; BBC
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