In Polen sind Einzelheiten der Militärübung "Winter 20" durchgesickert. Nun steht das Land unter einem Schock. Simuliert wurde ein Überraschungsangriff aus dem Osten. Gemeint sind die russischen Streitkräfte. Auch wenn die Simulation kaum realistisch ist, das Ergebnis rührt an ein polnisches Trauma: den deutschen Blitzkrieg 1939.
An der Übung nahmen mehrere Tausend Offiziere teil. Es zeigte sich, dass die polnischen Streitkräfte der geballten Wucht Russlands nicht standhalten konnten. Simuliert wurde kein hybrider Krieg mit Demonstrationen und Aufständischen und auch keine begrenzte Provokation. Sondern ein "All-Out-Assault", so wie es auch die Bundeswehr zur Zeit des Kalten Krieges probte. Russland trat in der Simulation im Raum von Kaliningrad und Belarus mit gepanzerten Verbänden an.
Verhängnisvolle Vorne-Verteidigung
Das Ergebnis war ein Desaster. Den Russen gelang es, aus der Enklave Kaliningrad auszubrechen und die Achilles-Ferse der NATO, den Suwalki Gap, zu schließen und so die baltischen Staaten abzuschneiden (Lesen Sie hierzu: "Putin macht den Alptraum der Nato wahr"). Doch anders als viele NATO-Übungen vorsehen, vergeudeten sie nicht ihre Kräfte damit, die kleinen baltischen Staaten aufzurollen, sondern traten zu einem großen Stoß Richtung Westen an.
Die polnischen Streitkräfte wollten dem unmittelbaren Schlag nicht in der Tiefe des Landes ausweichen und stellten sich in Ostpolen zum Kampf. Offenbar nicht die richtige Wahl. Bei ihrem hartnäckigen Widerstand wurden die Truppen in der Masse aufgerieben. Das Portal "Interia" schreibt: "Die rücksichtslose Verteidigung Ostpolens führte zur Niederlage der dortigen Einheiten und zu enormen Verlusten. Am fünften Tag des virtuellen Konflikts erreichte der Feind die Weichsel. Am vierten Tag war Warschau umzingelt. Strategische Häfen wurden blockiert oder besetzt. Luftfahrt und Marine hörten trotz der Unterstützung der NATO auf zu existieren. Polnische Einheiten östlich der Weichsel wurden vollständig besiegt." Die Situation sei "noch schlimmer als 1939".
Auf der eigenen Seite nahm das Chaos zu. Einzelne Kommandeure misstrauten den Lageberichten, weil sie Ausmaß und Geschwindigkeit des russischen Vormarsches nicht glauben konnten. 1939 benötigte die Deutsche Wehrmacht 18 Tage, um Warschau einzuschließen.
Erklärtes Ziel der polnischen Streitkräfte ist es, einem Angriff einen Monat lang standzuhalten. Diese Zeit würden die westlichen Verbündeten in etwa benötigen, um große kampfkräftige Einheiten nach Polen zu verlegen. Doch in der Simulation war der Krieg nach nur fünf Tagen zu Ende, die Hauptstadt stand vor dem Fall. Die Regierung hätte den Widerstand beenden müssen.
Loose-Szenario
Die polnischen Streitkräfte haben ein klassisches Loose-Szenario durchgespielt. Der Gegner konnte unbemerkt seine Verbände platzieren und gut vorbereitet einen Angriff starrten, während die polnischen Streitkräfte quasi im Schlaf überrascht wurden. Solche Szenarien sind unrealistisch, doch sie haben als Übung ihren Wert. Sie zeigen die eigenen Schwächen auf und zwingen die Kommandeure, mit chaotischen Situationen zurechtzukommen, mit denen sie nie gerechnet haben.
Im Hintergrund bleibt, dass die russische Armee regelmäßig die Verlegung großer Mengen an Truppen und Gerät übt und versucht, möglichst schnell eine hohe Einsatzbereitschaft herzustellen (Lesen Sie: "Russland und China planen das größte Manöver seit dem Kalten Krieg"). Die Truppen der NATO in Europa gehen dagegen häufig von einer beträchtlichen Vorwarnzeit aus, in der sie sich dann gewissermaßen in aller Ruhe für den Ernstfall vorbereiten können.
Anmerkung: Durch ein Wunder der Dudenkorrektur war von einem "Sulawesi Gap", statt dem "Suwalki Gap" die Rede. Leser machte mich darauf aufmerksam, dass Sulawesi eine indonesische Insel ist und keine Stadt in Polen.
Quelle: Wiadomosci
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