Ukraine-Krieg Mega-Yachten und Protz-Villen sind zu teuer: Oligarchen belasten die Staatskassen schwer

Mega-Yacht "SY A" von Andrei Igorewitsch Melnitschenko
Die weltgrößte Segelyacht "A" (links) von Andrei Igorewitsch Melnitschenko ist fast 143 Meter lang und soll mehr als eine halbe Milliarde US-Dollar gekostet haben. Aktuell sitzt das Schiff im Hafen von Triest fest und kostet Italien Unsummen.
© Ivo Cagalj / Picture Alliance
Italien ist Weltmeister, wenn es um das Einfrieren von Besitztümern sanktionierter Oligarchen geht. Doch die Pflege der Objekte reißt ein Loch in die Staatskasse. Daher prüft das Land nun, ob sich die Yachten, Villen und Luxus-Autos nicht verkaufen oder zumindest vermieten lassen.

Seit Monaten liegt die weltgrößte Segelyacht "SY A" des russischen Oligarchen Andrei Melnitschenko im Trockendock des Schiffbauunternehmens Fincantieri in Triest. Auch andernorts, zum Beispiel in Hamburg, dem spanischen Tarragona, dem französischen La Ciotat oder auf Mallorca, ankern riesige Schiffe ungenutzt in den Häfen. Sie alle sind von den Behörden eingefroren, dürfen ihre Liegeplätze nicht verlassen. Und allmählich wird das zu einem teuren Problem.

Kurz nach der russischen Invasion in der Ukraine begannen zahlreiche Länder damit, Vermögenswerte russischer Oligarchen, die durch ihre Nähe zu Russlands Regierung auf Sanktionslisten gelandet waren, einzufrieren. Anders als bei einer Beschlagnahmung oder Enteignung, sehen die aktuellen EU-Vorschriften vor, dass die Reichtümer nach Ende des Krieges unter Auflagen zurück an ihre Besitzer gehen sollen. Das schließt mit ein, dass die Schiffe, Autos oder Villen in einem einwandfreien Zustand bleiben.

Nicht nutzen, aber putzen

Wer aber denkt, was nicht fährt, das kostet nichts, irrt. Italienischen Medienberichten zufolge kostet alleine die Segelyacht "SY A" jeden Tag zwischen 20.000 und 30.000 Euro. Diese Kosten ergeben sich durch die Gebühren für den Liegeplatz, Wasser, Strom, Löhne und Wartungsarbeiten, um den Verfall der Yacht zu verhindern. Ähnliche Berichte gab es bereits über die "Dilbar" (IMO 9661792), die zur Zeit der deutschen Blohm+Voss-Werft auf der Tasche liegt und täglich "fünfstellige Beträge" kostet (hier erfahren Sie mehr).

Dabei hat jedes Land aktuell andere Regeln, wer für die entstehenden Kosten aufkommt. Deutschland lässt die Werften auf den Kosten sitzen, Häfen und Schiffsbauer in Frankreich und Spanien schreiben ebenfalls haufenweise Rechnungen, hoffen auf Begleichung der entstandenen Kosten bei der Abholung. Italien, das Land mit den meisten eingefrorenen Vermögenswerten, trägt die Kosten zunächst selbst und übergab die Verwaltung einem öffentlich bestellten Treuhänder.

Und obwohl Italien Werte in Höhe von insgesamt 953 Millionen Euro in der Hand hat, entpuppt sich das Festhalten aktuell als großes Verlustgeschäft. Wie die "FAZ" berichtet, hat sich die zuständige Agenzia del Demanio nun an die Regierung gewandt. Man brauche Regeln und Möglichkeiten für den Umgang mit den Besitztümern der russischen Milliardäre, heißt es.

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Regeln unzureichend

Am liebsten würde man dort wohl das bewährte Mafia-Regelwerk reaktivieren, welches es den Behörden erlauben würde, festgesetzte Güter zu verkaufen und damit Kosten zu decken und Opfer zu entschädigen. Das kennen und können die Italiener. Aber: Dafür müsste das Land die Yachten, Villen und Autos rechtlich wasserdicht beschlagnahmen dürfen, was nach den Sanktionsvorschriften der EU derzeit nicht vorgesehen ist.

Solange es beim "Einfrieren" bleibt, das offenbar in Italien bislang gänzlich unbekannt war, wolle man nach Angaben dort ansässiger Juristen offenbar zumindest prüfen, ob eine Vermietung in Frage käme, um Einnahmen zu generieren und damit die Kosten zu decken. Wie und ob sich die Gesetzeslage anpassen lässt, ist dabei aktuell völlig offen. Gegenüber der "FAZ" bezeichnete ein Sprecher die Situation als "juristisch heikel".

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Bis alles geklärt ist, entstehen weiter jeden Tag Kosten für die Steuerkasse. So wurden zum Beispiel auch Villen des russischen TV-Moderators Wladimir Rudolfowitsch Solowjow am italienischen Comer See mit Farbe beschmiert und versuchsweise in Brand gesteckt. Da die Häuser aber eingefroren, und nicht beschlagnahmt sind, bleibt den Behörden nichts anderes übrig, als die Schäden auf eigene Kosten zu beseitigen. 

Auch USA wollen Lösung finden

Aufgrund der heiklen Situation, versuchen auch die USA Möglichkeiten zu finden, mit den Schätzen der Oligarchen etwas Sinnvolles anzufangen. Der "New York Times" zufolge hat das Repräsentantenhaus einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der Präsident Biden auffordert, das eingefrorene Luxusvermögen zu verkaufen und die Mittel für zusätzliche militärische und humanitäre Hilfe für die Ukraine zu verwenden. Doch auch in Übersee ist man unsicher, ob dem Wunsch rechtlich entsprochen werden kann.

Was passiert, wenn die ursprünglichen Eigentümer nicht länger sanktioniert sind und anschließend auf Erstattung klagen, ist völlig offen. Im schlimmsten Fall bliebe das betreffende Land auf den Kosten sitzen und müsste obendrein für eine Entschädigung aufkommen. In den USA zumindest scheint die Motivation jedoch groß, sich ausreichend abzusichern. Jake Sullivan, Bidens nationaler Sicherheitsberater, sagte kürzlich: "Wenn wir diese Vermögenswerte beschlagnahmen, ist es nicht unser Ziel, sie zurückzugeben; unser Ziel ist es, sie einer besseren Verwendung zuzuführen."

Welche Anpassungen in der EU – oder zumindest auf Landesebene – möglich sind, bleibt abzuwarten. Fakt ist: Je länger der Krieg und damit die Sanktionen andauern, desto schwerer belasten die Besitztümer russischer Oligarchen ihre Aufpasser. Zuletzt forderte Polen die EU auf, die Regeln zu ändern und neue Möglichkeiten zu schaffen, eingefrorene Vermögenswerte zu Geld zu machen. Nach amerikanischem Vorbild auch dafür, die Ukraine finanziell beim Wiederaufbau des Landes zu unterstützen. Der "Financial Times" sagte Pawel Jablonski, Polens stellvertretender Außenminister: "Das wichtigste Prinzip ist, dass Russland diesen Krieg begonnen hat und deshalb dafür bezahlen muss."

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