Der Guide Michelin hat in diesem Jahr erstmals Restaurants ausgezeichnet, die nachhaltig sind. Auch das Berliner Sterne-Restaurant "Nobelhart & Schmutzig". Der Betreiber aber kritisiert die Auszeichnung. Was dahinter steckt.
Wer eine Auszeichnung von einem renommierten Restaurantführer erhält, sollte sich eigentlich brav bedanken. Nicht so die Betreiber des mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurants "Nobelhart & Schmutzig". Tatsächlich ist es nicht der Stern an sich, den Inhaber Billy Wagner kritisiert, sondern eine neue Auszeichnung: das grüne Blatt.
Am gestrigen Dienstag wurde der neue Guide Michelin für Deutschland veröffentlicht. Wie in der französischen Ausgabe findet sich darin ein neues Emblem für Restaurants, die sich durch besonderen Einsatz in Sachen Nachhaltigkeit auszeichnen. 17 weitere Restaurants haben das grüne Blatt erhalten. Eigentlich eine gute Sache. Und trotzdem findet Billy Wagner die Auszeichnung scheinheilig. Wieso das?
In einem Facebook-Post erläutert er seine Befürchtungen. Einerseits ehrt und freut den Inhaber des Restaurants, dass der Guide Michelin anerkennt, dass das Team vom "Nobelhart & Schmutzig" nachhaltig arbeitet. Das tun sie übrigens schon seit jeher. Trotzdem fragt sich Wagner: Wie überprüft der Guide Michelin das eigentlich?
"Die Tester sind anonym; erfahren Speis und Trank wie jeder olle Gast an jedem ollen Tag", schreibt Wagner. "So ist er eben, der Guide Michelin. Da hat die Intransparenz durchaus ihren Platz. Wo Intransparenz keinen Platz hat? In Sachen Nachhaltigkeit."
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<script async="1" defer="1" crossorigin="anonymous" src="https://connect.facebook.net/de_DE/sdk.js#xfbml=1&version=v23.0"></script><div class="fb-video" data-href="https://www.facebook.com/Nobelhartundschmutzig/videos/187478486030636/" data-app-id="1483264925245911" data-width="540"><blockquote cite="https://www.facebook.com/reel/187478486030636/" class="fb-xfbml-parse-ignore"><a href="https://www.facebook.com/reel/187478486030636/">Guide Michelin: The Green Leaf - The sustainability award</a><p>Gestern wurde der neue Michelin Guide veröffentlicht. Wie in der französischen Ausgabe findet sich darin ein neues Emblem für Restaurants, die sich durch besonderen Einsatz in Sachen Nachhaltigkeit auszeichnen: Das grüne Blatt. Selbiges heftete der Guide Michelin kurzerhand dem Nobelhart & Schmutzig sowie 18 deutschen Restaurants an den Latz.
Natürlich, ehrt und freut mich das. Und es ärgert mich zugleich. Es ärgert mich, da Michelins Auszeichnung für Nachhaltigkeit intransparent, irreführend und letztendlich nicht nachhaltig ist.
Nun magst du einwenden, der Name Michelin stünde genauso wenig für Transparenz wie Billy Wagner Nobelhart & Schmutzig für lammfromme Enthaltsamkeit. Es liegt sozusagen in der Natur der Sache und ist daher auch keine legitime Kritik. Was die Restaurantbewertungen angeht, mag das so sein. Da wissen und akzeptieren wir: Die Wege des Guide Michelin sind unergründlich. Die Tester sind anonym; erfahren Speis und Trank wie jeder olle Gast an jedem ollen Tag.
So ist er eben, der Guide Michelin. Da hat die Intransparenz durchaus ihren Platz. Wo Intransparenz keinen Platz hat? In Sachen Nachhaltigkeit.
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Lieber Guide Michelin,
woher wollt ihr denn wissen, dass wir beim Nobelhart & Schmutzig wirklich so nachhaltig sind? Klar: Ich quatsche viel, gern und vor allem auch laut. Zum Beispiel über regionale Nahrungsmittel, über die Zusammenarbeit mit kleinen Produzenten, über alte Hühnerrassen oder saisonales Grünzeug. Es freut mich, dass einiges davon auch bei euch angekommen ist.
Aber ist mein Gelabere denn wirklich genug, dass wir dafür eine Nachhaltigskeitszertifizierung verdienen? Was ist mit den Kollegen, die nicht so laut krähen, aber trotzdem nachhaltig arbeiten?
Und überhaupt:
… Seid ihr euch sicher, dass wir im Nobelhart & Schmutzig nicht tonnenweise Müll produzieren?
… Wisst ihr eigentlich, ob wir nicht doch denn dreckigsten, billigsten CO2-Schleuder-Stromvertrag haben?
… Und kann es nicht sein, dass ich Großmaul nicht einfach nur erzähle, wie toll nachhaltig wir doch sind? Habt ihr es denn nachgeprüft? Belohnt ihr uns nicht vielleicht einfach für fein grünes Marketing?
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Lieber Guide Michelin,
ein Abendessen kann man durchaus mit seinen professionell gespitzten Sinnen im jeweiligen Moment genießen und auf dieser Grundlage seine Bewertung verfassen. Aber Nachhaltigkeit?
Um dazu eine qualifizierte Aussage zu treffen, gilt es, bloßen Hype zu hinterfragen und Fakten zu kontrollieren. Ein echtes Nachhaltigkeitssiegel müsste im Restaurant und über seine Lieferkette hinweg hinter die Kulissen schauen. Tatsächlich haben wir im Nobelhart schon viel Zeit und Aufwand in das Thema Nachhaltigkeit investiert. Täglich lernen wir dazu. Das Nachhaltigkeitssiegel des Guide Michelin maskiert die Komplexität, welche das Thema Nachhaltigkeit im Restaurantbetrieb tatsächlich innehat: Verwendet man Glas anstelle von Plastikbehältnissen, nutzt man biologisch abbaubares Markierband anstatt der konventionellen Alternative, usw. Und trotzdem: Wir vermuten, man hat uns das grüne Blättchen nicht für unsere realen Anstrengungen verliehen, sondern für unser Marketing.
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Lieber Guide Michelin
man befördert Nachhaltigkeit nicht dadurch, dass man den schönen Schein oder grünes Marketing auszeichnet. Ebenso befördert man Nachhaltigkeit nicht dadurch, dass man sie als wert- und sinnentleerte Chiffre lediglich im Sinne des eigenen Marketing anführt.
Es tut mir leid, es so sagen zu müssen: Euer kleines grünes Blättchen? Leider gar nicht nachhaltig. Bei der Nachhaltigkeit muss Intransparenz aufhören. Aber genug der Beschwerden. Lieber Ralf Flinkenflügel, ich lade Sie hiermit herzlich ein, uns tagsüber zu besuchen und mit uns über Nachhaltigkeit zu sprechen: Was dies im Restaurantalltag bedeutet, was wir bereits geleistet haben und wo Probleme bestehen.
Vielen Dank für’s Zuhören. (Bzw. Lesen)
www.instagram.com/billywagnerwirt
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Today, Guide Michelin released their annual ranking of German restaurants.
As in their release of French Restaurants in January, Michelin included its new category emblem for sustainability: a green leaf.
Well, Nobelhart & Schmutzig got one, along with 18 other restaurants in Germany.
This makes me happy and proud but at the same time I am annoyed.
I’m annoyed, because Michelin’s sustainability emblem is intransparent, misleading and not sustainable.
Now, I’m quite aware that calling Michelin “intransparent” Is like calling me provocative. Yes, that’s a given.
We all know and accept that Michelin works in mysterious ways.
Testers are anonymous. They taste your food and experience your service, like any ordinary guest on any ordinary day.
That’s the Guide Michelin. And for that, intransparency is perfectly ok.
Where intransparency isn’t ok? When it’s about SUSTAINABILITY.
Dear Michelin, how do you know that we AT Nobelhart are really sustainable?
Sure, I talk a lot. I know that. And I’ve talked a lot about regional foods. About working closely with small producers, About old breeds of chicken. About foraging seasonal greens.
I’m glad that you heared about.
But is all that talk really enough for us to be certified as “sustainable”?
What about the restaurants that are sustainable but whose owners and chefs aren’t as loud as I am?
… How do you know that we’re not producing tons of food waste?
… How do you know that we’re not powering up our restaurant on the cheapest, dirtiest CO2-blasting energy plan?
… And are you even sure that I am not just a big mouth? Have you checked? Are you sure that you aren’t just rewarding us for nice green marketing?
Dear Guide Michelin:
A dining experience you can rate with yoour professional senses, in the moment, sure.
But sustainability? That’s about looking beyond the hype and checking the facts.
For a real sustainability emblem, you need to look behind the scenes. Not just in the restaurant, but across the supply chain!
We, at Nobelhart - have spent a lot of time thinking about sustainability.
It’s a fucking complex thing, with many many factors. Every day we learn more about it.
It’s something that goes down to the smallest detail: Using glassware over plastic containers, using biodegradable labelling tape instead of the conventional alternative, and so on.
And Yet, I feel we got that nice green leaf not for our real efforts but for our marketing.
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Dear Guide Michelin:
You don’t promote sustainability by rewarding appearances or green-washed marketing.
Nor do you promote sustainability by USING it as a tool for YOUR own marketing.
I am sorry – not really, but your little green fucking leaf? It is unsustainable.
Because sustainability is where intransparency must end.
And now that I’m done complaining, I would like invite Ralf Flinkenflügel you to come and visit us during the day, to talk about what sustainability really means. What we have achieved and where we really face problems.
Thank you for listing!
www.instagram.com/billywagnerwirt</p>Posted by <a href="https://facebook.com/Nobelhartundschmutzig">Nobelhart und Schmutzig</a> on Wednesday, March 4, 2020</blockquote></div>
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Der Gastronom wirft dem Restaurantführer vor, dass nur ein Hype ausgezeichnet werde, weil dieser in den Zeitgeist passe. Ohne aber die Nachhaltigkeitsstrategien der einzelnen Restaurants zu überprüfen. "Um dazu eine qualifizierte Aussage zu treffen, gilt es, bloßen Hype zu hinterfragen und Fakten zu kontrollieren. Ein echtes Nachhaltigkeitssiegel müsste im Restaurant und über seine Lieferkette hinweg hinter die Kulissen schauen."
Billy Wagner ist ein Restaurantbetreiber, der seine Meinung gern in der Öffentlichkeit äußert und auch mit seinem Konzept nicht hinterm Berg hält. Im "Nobelhart & Schmutzig" wird brutal lokal gekocht, das bedeutet, keine Lebensmittel werden aus einem weiteren Radius als 100 Kilometer bezogen.
Das weiß Wagner. Aber der Guide Michelin? Also stellt er den Testern die nachvollziehbaren Fragen: "Aber ist mein Gelabere denn wirklich genug, dass wir dafür eine Nachhaltigskeitszertifizierung verdienen? Was ist mit den Kollegen, die nicht so laut krähen, aber trotzdem nachhaltig arbeiten? Und überhaupt: Seid ihr euch sicher, dass wir im Nobelhart & Schmutzig nicht tonnenweise Müll produzieren?"
Und er fragt weiter: "Wisst ihr eigentlich, ob wir nicht doch denn dreckigsten, billigsten CO2-Schleuder-Stromvertrag haben?"
Weiter will er wissen: "Kann es nicht sein, dass ich Großmaul nicht einfach nur erzähle, wie toll nachhaltig wir doch sind? Habt ihr es denn nachgeprüft? Belohnt ihr uns nicht vielleicht einfach für fein grünes Marketing?"
Billy Wagner fordert vom Guide Michelin, die Nachhaltigkeit wirklich zu hinterfragen - und lädt Ralf Flinkenflügel, den Chefredakteur des Michelin-Führers, in sein Restaurant ein. Damit er sich wirklich ein Bild darüber machen kann, was Nachhaltigkeit im Restaurant-Alltag bedeutet. Flinkenflügel hat sich bisher nicht zur Einladung geäußert. Wagner scheint indes einen nerv getroffen zu haben: Der Facebook-Post wurde bereits über 7000 Mal aufgerufen (Stand: 16.20 Uhr).