Ende einer Institution Sinnkrise des besten Restaurants der Welt – wie sich das Noma in Japan neu finden will

Restaurant Noma
Das Sternerestaurant Noma schließt im kommenden Jahr, um zur Testküche zu werden. 
© Jörg Carstensen / DPA
Das Noma in Kopenhagen gilt als eines der besten Restaurants der Welt, aber es steht vor dem Aus. Der Chef hat keine Lust mehr auf Sterneküche – und schleppt sein komplettes Team erst einmal nach Japan.

Was René Redzepi seinen Kollegen im Januar vor die Füße warf, hatte Gewicht. Er, der Gastronom hinter einem, wenn nicht dem besten Restaurant der Welt, machte Schluss mit einer ganzen Branche. Die gehobene Gastronomie sei nicht mehr tragbar, sein Noma erklärte er zum Auslaufmodell. Im kommenden Jahr macht Redzepi das Sternerestaurant dicht, denn er will lieber wieder experimentieren und vor allem zurück auf die Straße. 

Redzepi hat mit seinem Restaurant in der kulinarischen Welt so ziemlich alles erreicht, was man erreichen kann. Was blieb, war das Verwalten des Status quo – und die Langeweile. Er habe den allergrößten Respekt vor jedem, der es in dieser Branche lange Zeit geschafft habe, sagt er, bevor er zum großen Aber ansetzt. "Es gibt diesen Moment der Kreativität, diese Explosion – dann beruhigt sie sich, sie stagniert, dann hat jeder seine eigene Handschrift, und die wird Teil der neuen Klassiker, und schließlich wird sie zur alten Schule, und man setzt das fort", so der Koch im Gespräch mit "The Telegraph".

Noma Kyoto: Plätze waren innerhalb einer Minute weg

Der Gastro-Überflieger, der Anfang der 2000er mit seiner nordischen Küche eine kleine Revolution auslöste, ist noch nicht satt. Statt sich auf den Lorbeeren auszuruhen, will er weitermachen, wie er sagt, "für immer kreativ sein". Auf der Instagram-Seite des Restaurants bezeichnete er das vor einigen Wochen so: "Um weiterhin das Noma zu sein, müssen wir uns ändern". Redzepi nannte die Stichworte Testküche, Lebensmittellabor und Produktentwicklung. Viele wunderten sich, dabei stand das Noma seit jeher für progressive Herangehensweisen ans Kochen.

Die neuesten Entwicklungen rund um das Noma aber zeigen, dass die große Wende eventuell weniger Neuerfindung als viel mehr Rückbesinnung ist. Das Noma ist nach Japan gezogen – nicht dauerhaft, aber dafür mit gewisser Radikalität. In Kyoto arbeiten Redzepi und Team derzeit an einem Pop-up-Restaurant. Zehn Wochen lang soll das Noma Kyoto im Ace Hotel gastieren.

Am 15. März soll es losgehen, bis zum 20. Mai will man bleiben. 5000 Gäste werden erwartet. Die Plätze waren innerhalb einer Minute ausverkauft. Auf die Teller will das Team ganz nomalike eigene Interpretationen auf Basis lokaler Zutaten bringen. Ob das den Traditionalisten der japanischen Küchenkunst mundet? "Ich möchte hier überraschen, nicht belehren", erklärt Redzepi.

Das komplette Noma-Team zieht nach Japan

Pop-ups sind für das Noma nichts Unbekanntes, gastiert hat das Team bereits in Tokio, Sydney und Mexiko. Dass es nun wieder Japan wurde, ist der Pandemie zu verdanken. Und Instagram. Der Beginn der Pandemie sei eine seltsame Zeit gewesen so Redzepi. "Ich war in meinem Haus eingeschlossen. Es war eine harte Zeit [...] damals saß ich da und sagte mir – wenn das hier vorbei ist, gehen wir irgendwohin", erzählt er. Damals habe er auf Instagram ein Bild der Räumlichkeiten entdeckt und gewusst, dass das der richtige Ort für ein Pop-up sei. Zweieinhalb Jahre Planung folgten. 

In der Idee "wir gehen irgendwohin" steckt weit mehr, als eine kleines Noma-Auslandsintermezzo. Entwurzelung spielt beim neuesten Projekt eine wesentliche Rolle. Das komplette Team plus Partner und Kinder, insgesamt knapp 100 Menschen, siedelte für diese Zeit nach Kyoto über. Denn Redzepi verfolgt ein weit umfassenderes Ziel mit seinem Projekt als "den Leuten einen Moment bieten, den sie nie vergessen werden" – die Suche nach dem Musenkuss.

Er berichtet davon, in den vergangenen Monaten mit zen-buddhistischen Mönchen meditiert zu haben, von wochenlangen Pilgerreisen und Teezeremonien. "Es geht uns vor allem darum, hierher zu kommen und eine Lebenserfahrung zu machen. In einen anderen Teil der Welt zu gehen und etwas zu lernen und eine neue Kultur kennenzulernen", erklärt er. Was dieser Anspruch für sein Team bedeutet, ist ihm bewusst.

Natürlich mache er sich Sorgen, ob es seinem Personal in Japan gut gehen wird, sich die Kinder in der Schule einleben. "Ich fühle mich sehr verantwortlich für das Wohlbefinden aller. Ich möchte, dass sie sich wie zu Hause fühlen", sagt er. "Es ist einfach verrückt. Schulen und Kindergärten für alle. Wohnungen und medizinische Versorgung. Arbeitsvisa. Das verändert unser ganzes Leben."

Quelle: The Telegraph, Noma

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