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Prinzen-Sänger im Interview Krumbiegel: Die meisten Ostdeutschen waren auch Wirtschaftflüchtlinge

Wenige Kilometer von Pegida entfernt findet eine Veranstaltung statt, die Mut macht. Im Max-Planck-Institut wird der "Sächsische Förderpreis für Demokratie" verliehen. Mit dabei: Sebastian Krumbiegel von den Prinzen. Ein Gespräch am Rande einer Veranstaltung gegen Rassismus.

9. November, ein Montagabend in Dresden. Wieder einmal marschiert der Mob in Dresdens Strassen, dient der weltbekannte Theaterplatz als Kulisse für eine für "Pegida". An diesem Abend aber findet in Dresden auch eine Veranstaltung statt, die Mut macht: Ein paar Kilometer entfernt, am anderen Ende der Stadt, wird im Max Planck-Institut zum neunten Mal der "Sächsische Förderpreis für Demokratie" verliehen. Ein Preis für Ehrenamtliche und Mitarbeiter von Kommunen, die sich vor Ort gegen Rassismus und für Menschlichkeit engagieren. Mit dabei ist Sebastian Krumbiegel, 49, von der Leipziger Kultband "Die Prinzen".

Ein kurzes Gespräch, während der Preisverleihung geführt, über das Gefühl, sich in diesen Tagen in Sachsen gegen rechte Gewalt zu engagieren.

Stern:  Ist es schwer, ein Sachse zu sein, in dieser emotional aufgeladenen Zeit?

Krumbiegel: Ja, es ist schwer und auch ein bisschen peinlich, obwohl ich unterscheide zwischen Dresden und Leipzig. Dort stehen mehr Leute zusammen, mehr als in Dresden.

Wie kommt das?

Krumbiegel: Wir wurden in der Landeshauptstadt als Nazi-Gegner in den vergangenen Jahren durch eine sehr konservative CDU immer kriminalisiert. Ich war gerade in New York, mache das Fernsehen an, CNN, und da steht: Dresden-Nazitown. Das kann keiner wollen, selbst der konservativste Unionspolitiker nicht. Ich habe gerade die neuesten Zahlen gehört, unter sächsischen Männern würden 18 Prozent die AFD wählen, das macht mir wirklich Sorgen.

Sächsischer Förderpreis für Demokratie

Im Rahmen der Preisverleihung des "Sächsischen Förderpreises für Demokratie" wurden am Montagabend in Dresden sechs sächsische Initiativen und ein Bürgermeister für ihr Engagement für Demokratie und gegen Rechtsextremismus ausgezeichnet.

Der mit 5000 Euro dotierten Hauptpreis ging an die Bürgerinitiative "Gesicht zeigen - Netzwerk für demokratisches Handeln" aus Penig und Lunzenau. Die Bürgerinitiative reagiert auf eine Reihe von rechtsextremen Übergriffen in der Umgebung und setzt dabei auf Partnerschaften mit Gemeinwesen und Politik. Die Jury hob den persönlichen Einsatz des Bündnisses hervor: "Es stemmt über Jahre ein beeindruckendes inhaltliches Programm, das bisher vor allem aus privaten Aufwendungen der Mitglieder finanziert wird."


Anja Reschke und Heidenaus Bürgermeister geehrt

Die Journalistin und Moderatorin Anja Reschke würdigte in ihrer Laudatio alle nominierten Initiativen für ihr mutiges Engagement in Orten und Regionen, in denen rechtsextreme Bedrohungen und Gewalt alltäglich sind.

Der undotierte Kommunenpreis ging an den Bürgermeister der Stadt Heidenau, Jürgen Opitz. Die Stadt wurde überregional bekannt, als es im August zu tagelangen gewalttätigen Ausschreitungen im Anschluss an eine flüchtlingsfeindliche Demonstration der NPD kam. Die Jury würdigte die klare Haltung Opitz‘, der die Übergriffe scharf verurteilte und für Solidarität mit den Flüchtlingen wirbt: "Jürgen Opitz ist ein Hoffnungsträger in der sächsischen Kommunalpolitik. Wie andere Bürgermeister sorgte er sich um die Verurteilung einer ganzen Stadt, ohne zu beschönigen, dass auch Bürger aus Heidenau unter den Demonstranten waren."

Das klingt ein wenig ernüchternd…

Krumbiegel: Um mal etwas Positives zu sagen: Ich finde das, was die Kanzlerin Merkel macht, sehr bemerkenswert. Ich hätte nicht gedacht, dass ich eines Tages mal eine CDU-Kanzlerin so loben würde, ich bin sozialdemokratisch erzogen worden, mein Vater fand Willy Brand großartig.

Wie ist es denn gerade, sich in Sachsen als weltoffener Mensch zu bewegen?

Krumbiegel: Nicht nur die, die wir in der Öffentlichkeit stehen, müssen uns klar positionieren: von den Toten Hosen über die Ärzte bis Anja Reschke oder Til Schweiger, das finde ich wichtig und bemerkenswert. Ich bin Leipziger, das weil ich noch mal klar unterscheiden. Dresden war immer eine obrigkeitshörige Stadt, geschichtlich.

Wie sehen sie die zukünftige Entwicklung?

Krumbiegel: Ich fürchte, es geht weiter. Wenn man die Bilder sieht und die Zahlen von Übergriffen, das wird leider mehr. Dass sich viele Menschen Sorgen machen und befürchten, dass immer mehr Flüchtlinge kommen, verstehe ich auch. Aber wer jetzt sich als sogenannter besorgter Bürger der AFD oder der Pegida anschließt, muss wissen, dass er Leuten hinterher rennt, die gefährlich sind. Und die am Ende den Bodensatz dafür bilden, dass Asylbewerber mit Baseballschlägern zusammengeknüppelt werden, und dass Flüchtlingsheime brennen.

Werden Sie auch bedroht?

Krumbiegel: Im Netz. Da werde ich angemacht, auf meiner Website oder auf Facebook. Aber ich muss nicht von allen gemocht werden: wenn mich Arschlöcher scheiße finden, finde ich das gut. Es ist immer die Frage, ob man die Leute noch überzeugen kann, ich fürchte, viele kriegt man aber nicht mehr.

25 Jahre nach der Wende: haben Sie jemals daran gedacht, dass Deutschland nach der Wiedervereinigung in einer solch schlechten Verfassung ist wie jetzt?

Krumbiegel: Es ist nicht zu leugnen: Es gibt auch Übergriffe im Westen, aber die meisten finden im Osten statt, und Sachsen ist da leider führend, das ist eine unrühmliche eigene Geschichte. Das zu sagen, hat nichts damit zu tun, ein Nestbeschmutzer zu sein, was mir auch oft vorgeworfen wird. Um 1989 sind zwar auch viele wegen Repressalien gegangen und vor einem Stasi-Regime geflohen. Aber gerade als Ossi muss ich sagen: Die meisten Ostdeutschen sind doch in den Westen gegangen, weil sie ein besseres Leben haben wollten, auch wirtschaftlich.

Möchten Sie damit sagen, damals waren es vor allem Wirtschaftsflüchtlinge, die in den Westen wollten?

Krumbiegel: Das würde ich schon sagen, klar. Alle die in den Westen gingen und dort Jobs suchten, auf jeden Fall. Und heute protestieren viele von denen, die damals dieses Recht für sich in Anspruch genommen haben, gegen jene, die bei uns Schutz suchen. Am Ende geht es also um Empathie: Versetz' dich in die Lage derer, die jetzt kommen. Denk daran, wie schlecht es ihnen geht, keiner verlässt seine Heimat gerne. Das ist, was ich will: Respekt für diese Menschen. Respekt für die, die damals gingen, aus dem Osten. Und die jetzt zu uns kommen. Ich bin kein Traumtänzer und denke nicht, dass es alles easy ist und wird. Aber Leute: Es geht um Menschlichkeit. Und um unser Land.

Interview: Uli Hauser

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