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Vogelgrippe Geflügel soll wieder in den Stall

Die Vogelgrippe hat bereits Istanbul erreicht - einen Hauptknotenpunkt für Zugvögel. Um zu verhindern, dass infizierte Zugvögel deutsches Federvieh anstecken, sollen die Bauern ihre Hühner, Gänse und Enten wieder in die Ställe sperren.

Nach dem Vordringen der Vogelgrippe des gefährlichen Typs H5N1 von China bis in die Türkei hat die Bundesregierung eine neue Stallpflicht für Hausgeflügel in Aussicht gestellt. Ferner wollen Bund und Länder am heutigen Mittwoch in Berlin weitere geeignete Maßnahmen zum Schutz vor der Vogelgrippe beschließen.

Bei der Stallpflicht handelt es sich um eine Vorsichtsmaßnahme, die die Infektion von Hühnern, Gänsen und Enten in landwirtschaftlicher Haltung durch Zugvögel verhindern soll. Allerdings droht den deutschen Geflügelbeständen nach Ansicht von Experten diese Gefahr erst von Ende Februar oder Anfang März an.

Gleichwohl kündigte Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer die Verabschiedung einer Eilverordnung der Stallpflicht noch für Januar an.

Nach Einschätzung von Dr. Wolfgang Fiedler, Leiter der Vogelwarte Radolfzell, ist der Vogelzug im März am stärksten. "Spätestens dann muss die Risikobewertung hochgestuft werden." Brisant dabei ist die Gegend der jüngsten Ausbrüche der Vogelgrippe in der Türkei: "Istanbul und der Bosporus sind Knotenpunkte, wo viele Zugvögel vorbei müssen und letztlich auch zu uns kommen."

Welche Rolle spielen Zugvögel bei der Seuchenverbreitung?

Die Rolle der Zugvögel bei der Verbreitung von Vogelgrippe ist noch wenig erforscht. Dennoch ist die Möglichkeit der Einschleppung nach Einschätzung Fiedlers gegeben: "Gegen Millionen von Zugvögel kann man nun mal nicht viel ausrichten." Im März besteht aufgrund der höchsten Zugvogelzahlen laut Fiedler das größte Risiko.

"Eine Infektion von Hausgeflügel könnte auf verschiedenen Wegen passieren: Durch Wasservögel, die sich zu Hausgeflügel setzen - hier könnte eine Stallpflicht vorbeugen. Durch Oberflächenwasser - beispielsweise eines Sees, in dem infizierte Wasservögel waren, und der als Wasserquelle für Stallgeflügel dient. Und letztlich durch Futtermittel oder Geräte, die mit Kot von infizierten Vögeln kontaminiert sind."

Thomas Mettenleiter, Leiter des des Friedrich-Löffler-Institutes, und die Bundesregierung schätzen das Risiko einer Einschleppung der Tierseuche durch illegale Geflügel- und Fleischimporte aus den betroffenen Gebieten höher ein. "Es sind erhebliche Mengen, die da an den Grenzen konfisziert werden", sagt Mettenleiter.

Schärfere Kontrollen gefordert

Auf der Tagesordnung des Treffens zwischen Seehofer und seinen Länderkollegen steht nach Angaben der Bundesregierung deshalb auch die Koordination von Importkontrollen, um infiziertes Geflügel oder Geflügelprodukte außer Landes zu halten. Bundeskanzlerin Merkel hatte Seehofer uneingeschränkte Unterstützung zugesagt.

Angesichts des immer näher rückenden Erregers hatten bereits zum Wochenbeginn zahlreiche Bundesländer ihre Kontrollen von Reisenden aus den Gefahrengebieten verschärft. In der EU wird Deutschland nach den Worten Seehofers darauf drängen, dass die Kontrollen an den Außengrenzen verstärkt werden. Wenn in Deutschland illegale Einfuhren von Geflügelprodukten beschlagnahmt würden, deute das darauf hin, dass an den Außengrenzen zu wenig kontrolliert werde.

Türkei soll Informationen verschleppt haben

In diesem Zusammenhang übte der CDU-Europaabgeordnete Karl-Heinz Florenz scharfe Kritik an dem nach seinen Worten "hundsmiserablen" Umgang der Türkei mit der Vogelgrippe. Im Info-Radio Berlin Branden-Brandenburg sagte der Vorsitzende des Europaparlamentsausschusses für Volksgesundheit, Ankara wisse "seit Dutzenden von Wochen", dass die Vogelgrippe in dem Land grassiere, habe die EU aber "nur schleppend" informiert. Unterdessen setzte sich die Weltgesundheitsorganisation dafür ein, auch die bevorstehende Landwirtschafts- und Ernährungsausstellung Grüne Woche in Berlin streng zu kontrollieren.

Der Marburger Infektionsexperte Hans-Dieter Klenk forderte derweil die Impfung von Geflügelbeständen. "Tritt das Virus in Deutschland auf, sollte man den Impfstoff in allen Teilen der Republik anwenden", sagte Klenk "Focus-Online".

Der Humanmediziner empfahl den Behörden, entsprechende Impfstoffvorräte anzulegen. Nach Einschätzung des Deutschen Bauernverbandes (DBV) könnte ein Ausbruch der Vogelgrippe in den Zentren der Geflügel- und Eierproduktion bis zu dreistellige Millionenschäden verursachen. "Es wäre nicht gefährlich für die Bevölkerung, aber der wirtschaftliche Schaden derer, die von Geflügelhaltung und Eierproduktion leben, wäre katastrophal", sagte DBV-Präsident Gerd Sonnleitner dem Fernsehsender N-TV.

Vorbeugende Impfungen von Geflügel machen nach Einschätzung Thomas Mettenleiters vom Friedrich-Löffler-Institut wenig Sinn. "Eine Impfung ist nur dann angebracht, wenn die Seuche droht außer Kontrolle zu geraten oder schon unkontrollierbar ist, wie derzeit in Südost-Asien und China." Auch Wolfgang Fiedler sieht Impfungen kritisch: "Geimpfte Tiere können das Virus wiederum ausscheiden und zusätzlich verbreiten. Eine Streuimpfung für Wildvögel ist auf jeden Fall illusorisch. Typischerweise grenzt man auftretende Infektionsherde ein, indem man einen Ring um den Herd zieht. Dort führt man Massenschlachtungen durch. Es könnte sinnvoll sein, statt zu schlachten, das Hausgeflügel zu impfen."

FAO warnt vor Ausbreitung der Vogelgrippe in der Türkei

Die FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations), die Landwirtschaftsorganisation der UN, hat vor einer weiteren Ausbreitung der Vogelgrippe in der Türkei gewarnt. Sie stelle eine ernste Gefahr für die Nachbarstaaten dar, erklärte die FAO in Rom. "Das Virus verbreitet sich möglicherweise trotz der bereits ergriffenen Kontrollmaßnahmen aus", erklärte FAO-Sprecher Juan Lubroth.

WHO: Kein Grund zur Panik

Von der WHO kommen unterschiedliche Einschätzungen zur Risikobewertung der türkischen Vogelgrippe-Fälle. Der Regionaldirektor der WHO, Weltgesundheitsorganisation für Europa, Marc Danzon, sagte dagegen, es gebe für das Land keinen Grund zur Panik. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Recep Akdag rief Danzon die Türken abermals dazu auf, Kontakt mit kranken oder toten Vögeln zu vermeiden. Die Gesundheitsbehörden unternähmen alles in ihrer Macht stehende, die schwierige Situation zu bewältigen. Es gebe bislang keinerlei Anzeichen dafür, dass die Krankheit von Mensch zu Mensch übertragen worden sei.

Der Leiter des WHO-Influenza-Programms, Klaus Stöhr, sagte dem Internet-Dienst "Focus-Online", die Gefahr, dass der Erreger durch die große Ansammlung von Tieren und Menschen verbreitet werde, sei relativ hoch.

Die WHO will angesichts der zahlreichen Vogelgrippe-Infektionen bei Kindern eine spezielle Aufklärungskampagne starten. Gemeinsam mit dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) solle Kindern und Jugendlichen vermittelt werden, dass sie sich von möglicherweise erkranktem Geflügel fern halten müssten, sagte der Leiter des WHO-Expertenteams in der Türkei, Guenael Rodier, am Dienstag. Dass sich offenbar mehr Kinder und Jugendliche mit dem Vogelgrippe-Virus ansteckten als Erwachsene, hänge vermutlich mit einem schwächeren Immunsystem und mit der Tatsache zusammen, dass Kinder beim Spielen eher in Kontakt mit Geflügel kämen.

In der Türkei infizierten sich nach vorläufigen Tests 15 Menschen mit dem potenziell tödlichen H5N1-Viurs. Der Vogelgrippe-Erreger wurde inzwischen auch bei Vögeln in der Küstenstadt Izmir an der Ägäis und dem Ferienort Kusadasi gegenüber der griechischen Insel Samos nachgewiesen. Das Nachbarland Irak leitete unterdessen erste Maßnahmen ein, um ein Übergreifen der Vogelgrippe zu verhindern. Ein Vertreter der Landwirtschaftsbehörde im kurdischen Gebiet erklärte, der Import von Vögeln aller Art solle unterbunden werden. Lebende Vögel dürften auf Märkten nicht verkauft werden, selbst gefrorenes Geflügel dürfe ohne medizinische Tests nicht von einer Stadt zur anderen gebracht werden.

Zwei neue Todesfälle in China

Aus China wurden unterdessen erneut zwei Vogelgrippe-Todesfälle bei Menschen bekannt. Es handele sich um ein zehnjähriges Mädchen und einen 35 Jahre alten Mann, sagte WHO-Sprecher Roy Wadia. Die beiden starben bereits im Dezember. Damit hat die Vogelgrippe in China bislang fünf Menschen das Leben gekostet. Das verstorbene Mädchen stammte aus der südlichen Provinz Guangxi und litt Medienberichten zufolge seit Ende November unter Lungenentzündung und hohem Fieber. Der Mann kam aus der Provinz Jiangxi im Osten des Landes, er erkrankte Anfang Dezember.

Achter Verdachtsfall in China

China hat am Dienstag den achten Verdachtsfall von Vogelgrippe beim Menschen bestätigt. Ein sechs Jahre alter Junge infizierte sich demnach im Dezember mit dem H5N1-Virus, sein Zustand wurde als kritisch beschrieben. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums in Peking verendeten bei einem Ausbruch der Vogelgrippe in der südwestlichen Provinz Guizhou Anfang Januar 16.000 Wachteln. Behörden hätten weitere 42.000 Vögel getötet, erklärte das Ministerium auf seiner Web-Site. Weltweit wurden von der WHO seit 2003 insgesamt 78 Todesfälle beim Menschen auf die Vogelgrippe zurückgeführt.

lub mit Agenturen

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