Mit "Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße" verabschiedet sich Wolfgang Becker (1954-2024) von der großen Kinoleinwand - und zugleich von seinem Publikum. Ein Jahr nach seinem Tod kommt der Film am 11. Dezember 2025, fast auf den Tag genau zu seinem ersten Todestag, in die deutschen Kinos.
Es ist ein würdevoller und liebevoller Abschluss eines Regisseurs, der mit "Good Bye, Lenin!" (2003) ein Stück Filmgeschichte schrieb und in seinem letzten Werk noch einmal alles vereint, was sein Kino besonders machte: Humor, Melancholie und ein waches Gespür für die Absurditäten deutscher Erinnerungskultur.
Vom Videothekenbesitzer zum Nationalhelden
Im Mittelpunkt steht Micha Hartung (Charly Hübner, 53), Betreiber einer kleinen Videothek im Berliner Prenzlauer Berg und beruflich wie privat am Rand des Bankrotts. Als ihn ein Journalist zum vermeintlichen Drahtzieher einer spektakulären Massenflucht 1984 stilisiert, gerät sein Leben völlig aus den Fugen. Aus dem unscheinbaren Tagträumer wird ein gesamtdeutscher Held, aus den Halbwahrheiten entsteht ein Lügengebäude, das jeden Moment einstürzen kann.
Zwischen Presseterminen, Talkshows und einer Einladung zum Bundespräsidenten lernt Micha Paula (Christiane Paul, 51) kennen - allerdings glaubt auch sie an die Lügengeschichte des Hochstaplers wider Willen.
Becker und Drehbuchautor Constantin Lieb - nach dem Roman von Maxim Leo (55) - stricken aus dieser absurd-komischen Ausgangslage eine bittersüße Geschichte über Wahrheit, Täuschung und die Sehnsucht nach Bedeutung. Wie schon in seinem preisgekrönten Kinoerfolg "Good Bye, Lenin!" stellt Becker die große Geschichte neben die kleine Lüge - und macht daraus einen Spiegel für ein Land, das seine Vergangenheit immer wieder neu erzählt.
Ensemble zwischen Humor und Wehmut
Der Film lebt vom großartigen Ensemble, das vertraute Gesichter aus Beckers früheren Filmen mit neuen Künstlerinnen und Künstlern vereint. Neben Publikumsliebling Hübner, der hier erstmals als Großvater zu sehen ist, und Paul, die bereits in Beckers Erfolgsfilm "Das Leben ist eine Baustelle" (1997) zu sehen war, glänzen unter anderem Daniel Brühl, Jürgen Vogel, Leonie Benesch und Leon Ullrich.
Eiskunstlauflegende Katarina Witt (60) hat einen charmanten Gastauftritt in einer Fernsehtalkshow, und Becker selbst ist - gemeinsam mit Lieb - kurz als "Observierer" zu sehen. Kameramann Bernd Fischer fängt Berlin zwischen Ostalgie und Gegenwart in warmen, zuweilen fast traumhaften Bildern ein. Die Musik von Lorenz Dangel trägt leise Nostalgie in sich, ohne ins Sentimentale zu kippen.
Lüge, Erinnerung, Erfindung
"Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße" ist eine nachdenkliche Komödie und eine liebevolle Verbeugung vor dem eigenen filmischen Kosmos. Während Micha zwischen Wahrheit und Inszenierung taumelt, zeigt Becker, wie dünn das Eis unserer Deutungen geworden ist. Geschichte, so legt der Film nahe, ist kein festes Fundament, sondern ein fortlaufendes Aushandeln von Erzählungen - zwischen Fakten und Fiktionen, Heldentum und Hochstapelei.
Wenn der Abspann schließlich fast endlos läuft, wirkt das wie ein stilles Nachwort des Regisseurs selbst: ein letzter, milder Blick auf ein Land, das Helden manchmal dort findet, wo es sie eigentlich nie gab.