Zehn Tage vor der Bundestagswahl ist das Ergebnis offener denn je. Und der Ton im Wahlkampf wird rauer: Insbesondere die CDU um Kanzlerkandidat Armin Laschet schürt Ängste vor einer rot-rot-grünen Regierung. Doch wie realistisch ist eine solche Koalition überhaupt? Das wollte Ulrich Wickert in seinem Podcast von Susanne Hennig-Wellsow wissen, der Bundesvorsitzenden der Linken.
"Wickert trifft" startete diesmal ungewöhnlich: Denn bevor der frühere "Tagesthemen"-Moderator mit seiner Befragung begann, sprach er seinem Gast ein Kompliment aus. Dafür, dass Hennig-Wellsow am 5. Februar 2020 dem mit den Stimmen der AfD gewählten Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich einen Blumenstrauß vor die Füße warf.
"Solche Aussagen müssen sein", fand Wickert, der nach diesem geschmeidigen Einstieg sofort auf die Sachebene umschaltete und die Linken-Politikerin konsequent befragte.
Warum ein junger Mann, der am Anfang seines Berufslebens steht, die Linke wählen sollte, wollte er von seinem Gast wissen. Hennig-Wellsow gab bei ihrer Antwort sogleich ihre Koalitionspräferenz zu erkennen. Sie hoffe auf ein "fortschrittliches Bündnis", womit sie Rot-Rot-Grün meinte, um in der Wohn- und Steuerpolitik aktiv zu werden.
Susanne Hennig-Wellsow erklärt das Programm der Linken
Als konkrete Maßnahmen würde sie einen bundesweiten Mietendekel einführen, gleichzeitig möchte die Linke alle Menschen entlasten, deren monatliches Einkommen unter 6500 Euro liegt. Dazu soll der Freibetrag auf 14.400 Euro angehoben werden. Der junge Mann würde also gleich in mehrfacher Hinsicht von der Politik der Linken profitieren, folgerte Hennig-Wellsow.
Neben diesen individuellen Wohltaten planen die Linken auch ein radikales Umweltschutzprogramm. Es brauche eine Verkehrswende, damit der CO2 -Ausstoß zurückgefahren werde. Dazu müsse auch der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden.
Bis hierhin schienen die Positionen der Linken durchaus kompatibel mit den Ideen der SPD und der Grünen. Doch wie steht es um die Außenpolitik? Für Kanzlerkandidat Olaf Scholz ist das Bekenntnis zur Nato immerhin Voraussetzung für eine Koalition. Würde man in dieser Frage eine Einigung finden?
An der Nato soll es nicht scheitern
Was die Nato-Mitgliedschaft angeht, sei ihre Partei "verhandlungsbereit", baute die Thüringerin eine Brücke. Wichtiger sei es aber, die Vereinten Nationen zu stärken. Man müsse generell über eine neue Außenpolitik nachdenken, so Hennig-Wellsow, die auf diesem Feld mit Olaf Scholz weniger Probleme zu haben scheint als mit den Grünen: Über Annalena Baerbocks harte Haltung Russland und China gegenüber zeigte sie sich "erschreckt". Doch auch ein Schrecken ist ja nichts Unüberwindbares.
Welche Themen für die Linke ein Muss sind, damit sie in eine Koalition eintreten, wollte der Moderator wissen. Es war das einzige Mal, dass sich Hennig-Wellsow aus der Affäre zu ziehen versuchte: "Das kommuniziere ich nicht über die Presse, sondern am Verhandlungstisch." Wickert ließt sie damit nicht durchkommen und hakte nach: Die Erhöhung der niedrigen Einkommen sei für ihre Partei essenziell.
Alles andere, diesen Schluss könnte man aus dem Gespräch ziehen, ist verhandelbar. Susanne Hennig-Wellsow sendete jedoch ein klares Signal aus: Eine gemeinsame Koalition mit SPD und Gründen soll an der Linkspartei nicht scheitern.
Die neue Folge des Podcasts "Wickert trifft" ist ab dem 16. September auf Audio Now und anderen bekannten Podcast-Plattformen abrufbar.