Claus Schenk Graf von Stauffenberg steht in einem Kübelwagen der Wehrmacht und muss mit ansehen, wie seine Männer von feindlichen Jagdbombern zusammengeschossen werden. Es ist der 7. April 1943, mitten in der tunesischen Wüste, unterhalb des Chabita-Khetati-Passes. Munition explodiert, brennende Fahrzeuge dienen den Piloten als Zielmarkierungen. "Wir müssen Glück haben, wenn wir heute hier rauskommen", hatte Oberleutnant Wilhelm Reile schon am Morgen geahnt. Der geplante Rückzug endet in einem Inferno, Stauffenberg wird schwer verwundet. Er liegt im Sand. Blut rinnt aus seinem linken Auge. Die Ärzte werden es ebenso wenig retten können wie seine rechte Hand. Auch zwei Finger der linken wird er verlieren.
Aber stoppen kann ihn nichts. Stauffenberg, gerade zum Oberstleutnant befördert, will Hitler töten. Er muss es tun. Tom Cruise, der ihn in der Hollywoodfassung dieser unglaublichen Geschichte spielt, teilt dem Zuschauer gleich am Anfang mit, warum es keinen anderen Weg gibt: Da hockt er in einem staubigen Zelt in Nordafrika und notiert in seiner Kladde die Verbrechen des Diktators. Hitler ist nicht nur der Feind der Welt, sondern auch der Feind Deutschlands. Der Patriot Stauffenberg muss handeln.
So einfach ist das, wenn der Star aus "Mission Impossible", nämlich Cruise, und der Regisseur von "X-Men", Bryan Singer, sich den deutschen Widerstand und das missglückte Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 vornehmen. Nach vielen aufgeregten Debatten kommt das Heldenepos "Operation Walküre" am 22. Januar in die deutschen Kinos. Und erstmals in einem großen US-Spielfilm stecken in den Wehrmachtsuniformen nicht nur die Schurken, sondern auch die Guten. "Dieser Film wird das Bild von Deutschland in der Welt auf Jahrzehnte prägen", schwärmte Frank Schirrmacher, Herausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", schon vor vielen Monaten. Gesehen hatte den Film da noch niemand. Zu ahnen war trotzdem, dass vom historischen Stauffenberg nicht viel bleiben wird. So ist es gekommen.
Cruise braucht einen Erfolg
Dabei scheint der schwäbische Adlige auf den ersten Blick wie für Hollywood geschaffen. Die Nazis haben Standbilder nach seinem scharf geschnittenen Gesicht modellieren lassen, als er noch als einer der Ihren galt. Im Profil sieht er aus wie Tom Cruise. Der deutsche Held und der amerikanische Star sollen nun voneinander profitieren. Cruise braucht einen Erfolg, um seinen Status als Regenmacher der US-Unterhaltungsindustrie zurückzugewinnen. Stauffenberg sorgte sich noch in den letzten Tagen vor dem Attentat um den Nachruhm und fürchtete: "Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird."
Er hat sich geirrt. Denn je länger die Tat zurückliegt, desto größer scheint sein Ruhm zu werden. "Operation Walküre" könnte ihn endgültig in die Sphären der von ihm vergötterten Gestalten aus germanischer Mythologie und preußischer Militärgeschichte heben.
Ohne Frage sind Stauffenberg und seine Mitverschwörer Helden. Noch in der Nacht zum 21. Juli 1944 sterben der Attentäter und drei weitere Männer im Hof des Berliner Bendlerblocks, erschossen von Hitlers Soldaten. Sie geben ihr Leben, um das Reich und die "deutsche Ehre" zu retten, aber auch, um das Sterben in Krieg und Konzentrationslagern zu stoppen.
Vielseitig verwendbare Identifikationsfiguren
Hunderte Hitler-Gegner fallen in den kommenden Monaten der Rache der Nazis zum Opfer. Ganz unterschiedliche Männer und Frauen sind darunter. Einig seien sich die Widerständler nur in der Ablehnung des Nationalsozialismus gewesen, stellt die Gestapo in ihren Berichten fest. Die Bewegung führt schlesische Gutsherren und Sozialdemokraten, adlige Offiziere und engagierte Christen zusammen. Seit mehr als einem halben Jahrhundert werden der Attentäter und seine Unterstüzer pünktlich zum Jahrestag gefeiert - mal als Repräsentanten des anderen, des anständigen Deutschlands, mal als Wegbereiter der Freiheit, mal als Hausheilige der Republik. In den Nachkriegsjahren und in der DDR gab es auch kritische Töne; aber letztlich haben sich Stauffenberg und Co. als vielseitig verwendbare Identifikationsfiguren durchgesetzt.
Die Festredner lesen aus den historischen Figuren heraus, was gerade passt. Das reicht vom Nazi-Marinerichter Hans Filbinger, der 1974 über die Widerständler sagte, sie wären gewiss die Letzten gewesen, die "der Härte der Pflichterfüllung, wie sie an der Front geübt wurde", die Achtung versagen würden. Und es geht bis zum promovierten Historiker Helmut Kohl, der 1994 die "Gemeinsamkeit der Demokraten" als Erbe des 20. Juli vereinnahmte. Gerade weil die Geschichte so verworren ist, lässt sie sich ganz nach dem Geschmack von Redner und Publikum servieren. Das Attentat für einen 95-Millionen-Dollar-Film zu verwursten, der auch in Kansas und Arkansas bestehen muss, ist da nur konsequent.
Dabei macht es bei genauerem Hinsehen Mühe, einzelne Angehörige der Militäropposition "als strahlende Helden zu verehren", wie der Historiker Gerd Ueberschär feststellt. Die Verschwörer selbst wussten, dass sie sich in den Jahren der Naziherrschaft schuldig gemacht hatten; sie sahen sich weit realistischer, als es später die westlichen Wirtschaftswunderdeutschen taten, deren Sehnsucht nach positiven Traditionen so riesengroß war. Adam von Trott zu Solz, der eine Art Außenminister der Widerständler war, erkannte schon 1942: "Jede Selbstgerechtigkeit liegt uns fern, und wir sind durchaus bereit, unserem eigenen Anteil an Verantwortung und Schuld ins Auge zu sehen."
Ein weiter Weg
Die Männer des 20. Juli taten, was dem Film-Stauffenberg nicht gestattet wird: Sie veränderten sich, sie erkannten eigene Fehler und rückten ab von Werten, die viele von ihnen geprägt hatten. Vom Gehorsam vor allem, vom Einstehen für das Regime unter allen Bedingungen. Für die Mehrheit dieser sehr unterschiedlichen Männer war es ein weiter Weg - und als sie endlich losschlugen und für ein paar Stunden am 20. Juli die Chance hatten, vielleicht doch den Nazis die Macht zu entreißen, da zitterten den sonst so unerschrockenen Kriegern die Hände. Da zeigte sich, dass preußische Offiziere vielleicht etwas von Kavallerie verstehen, aber im Putschen jedem südamerikanischen Leutnant unterlegen sind. Joachim Fest, der große Hitler-Biograf und Zeitgeschichtsforscher, hielt ihnen vor, dass sie im entscheidenden Moment davor zurückschreckten, auf die zu schießen, die die gleiche Uniform wie sie selbst trugen. "Ein Staatsstreich, der nicht aufs Äußerste geht", schreibt Fest, "ist nicht ein Staatsstreich, sondern das Geständnis der Bereitschaft zum Selbstopfer."
Im Film ist zu sehen, wie Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels seine Verhaftung verhindert: Die Bombe ist im ostpreußischen Führerhauptquartier "Wolfsschanze" hochgegangen; die Verschwörer haben den Plan "Walküre" ausgelöst und versuchen, mit einer Art Etikettenschwindel die Kontrolle über Berlin zu gewinnen. Dazu verbreiten sie einen Befehl, nach dem eine "gewissenlose Clique frontfremder Parteiführer" Hitler getötet habe und nun nach der Macht strebe - um das zu verhindern, habe die Wehrmacht die Kontrolle übernommen. Der Chef des Wachbataillons, Major Otto Ernst Remer, wird zu Goebbels geschickt, um ihn zu verhaften. Es ist die Schlüsselszene des Umsturzversuchs. Goebbels verbindet Remer einfach am Telefon mit Hitler, der durch die Bombe nur leicht verletzt wurde. "Erkennen Sie meine Stimme?", fragt Hitler den verdutzten Remer. Da strafft sich der Major, presst ein "Jawohl, mein Führer" heraus und beginnt sofort, den Putschversuch niederzuwerfen.
Nicht im Cruise-Opus zu sehen ist, dass sich Goebbels hinterher fast totgelacht hat. Rüstungsminister Albert Speer sagte er: "Wenn die nicht so ungeschickt gewesen wären! Sie haben eine große Chance gehabt. Welche Trümpfe! Welche Kinderei! Wenn ich denke, wie ich das gemacht hätte! Warum haben sie nicht das Funkhaus besetzt und die tollsten Lügen verbreitet? Hier stellen sie Posten vor meine Tür. Aber seelenruhig lassen sie mich mit dem Führer telefonieren, alles mobil machen! Nicht einmal mein Telefon haben sie stillgelegt!"
Es wollte nie klappen
Hitler wird seine Rettung auf die Vorsehung schieben. Er kommt davon, so wie bei unzähligen anderen Attentatsversuchen. Schon 1938 existierten in der Wehrmacht die ersten Putschpläne. Dann sollte er bei einem Besuch der Heeresgruppe Mitte erschossen werden; an Bord seines Flugzeugs wurde ein Sprengstoffpaket geschmuggelt; bei einer Vorführung von Beutewaffen trug der Attentäter die Bombe bereits bei sich - aber es wollte nie klappen. Weil die Vorsehung den Führer schützte? Wohl eher, weil zum Pech der Verschwörer mangelnde Entschlossenheit kam, den Eid auf Hitler zu brechen, den Tyrannen zu töten und die Niederlage Deutschlands im Krieg zu akzeptieren.
Stauffenberg zumindest hatte zuletzt diese Entschlossenheit. Der schwer kriegsversehrte Oberst war körperlich denkbar ungeeignet als Attentäter. Den Säurezünder musste er mit einer eigens für ihn modifizierten Zange aktivieren, die er mit seinen verbliebenen drei Fingern trotzdem kaum beherrschen konnte. Für ihn war es unendlich schwer, das Bombenpaket wieder in der Aktentasche zu verstauen.
Aber Stauffenberg wollte das Attentat unbedingt; ihm waren die Debatten um künftige Regierungsformen und politische Initiativen zuwider. Etwa die, Hitler in einem Radiostreitgespräch eine vernichtende Niederlage beizubringen, wie es dem als neuen Reichskanzler ausersehenen Carl Friedrich Goerdeler lange vorschwebte. Politiker, so dachte Stauffenberg, braucht Deutschland nicht. Sondern entschlossene Offiziere - die nämlich sah er als "wesentliche Träger des Staates und die eigentliche Verkörperung der Nation".
Stauffenberg war nicht die zentrale Figur des Widerstands - aber der entscheidende Mann am Tag des Attentats. Erst zündet er die Bombe, dann fliegt er nach Berlin und kämpft stundenlang um die Kontrolle des Regierungsviertels.
Für ein Ideal gestorben
"Es lebe das heilige Deutschland", ruft der Film-Stauffenberg, als das Exekutionskommando anlegt. Vielleicht hat der Echte auch gerufen: "Es lebe das geheime Deutschland." Hier gehen die Berichte der Zeugen auseinander - aber niemand, der sich mit Stauffenberg befasst hat, zweifelt daran, dass der für das "geheime Deutschland" gestorben ist. Nämlich für das Ideal des von ihm als Meister verehrten Dichters Stefan George, zu dessen Kreis er schon als Teenager gestoßen war.
Es gibt ein Bild von 1924, auf dem Claus und sein Bruder Berthold den Dichter anhimmeln. Verzückt schauen sie auf den scheinbar unbeteiligten älteren Herrn. Ihm sind sie bedingungslos gefolgt. Bei George, dessen Totenwache die Brüder 1933 hielten, reiften ihre Überzeugungen und der Heldenmut. Im Film kommt der Mann nicht vor. Denn in seinem Kreis gibt es wenig Weiß und wenig Schwarz, dafür viele Grautöne. Als den greisen und kranken Dichter 1933 der preußische Kultusminister für die Akademie der Künste gewinnen wollte, ließ er die Nazis wissen: "Die Ahnherrschaft der neuen nationalen Bewegung leugne ich durchaus nicht ab und schiebe auch meine geistige Mitwirkung nicht beiseite. Was ich dafür tun konnte, habe ich getan." George lehnte ab und starb noch im selben Jahr - ohne seine Haltung wirklich festgelegt zu haben. Das Hakenkreuz war bereits ein Symbol seines Kreises, bevor die Nazis die deutsche Politik aufmischten. Die Demokratie war George zuwider, ebenso Amerika - über das Stauffenbergs Freund Max Kommerell schimpfte, es sei ein "stammlos verrasster feilscher überm weltmeer".
In dieser obskuren Gesellschaft, die sich selbst als "Staat" empfand, finden die Brüder Stauffenberg ihre Heimat; hier werden sie begeistert begrüßt als Abkömmlinge alter Herrschergeschlechter - auch wenn sie in Wahrheit nur dem Dienstadel entstammten. Sich selbst sieht der junge Claus als "des Staufers und Ottonen blonden Erben". Ein Aristokrat, der von Genugtuung für die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg träumt und die parlamentarische Demokratie verachtet, die das Kaiserreich abgelöst hatte. "Ich wühle gern in alter Helden Sagen", dichtet der 16-Jährige 1923. Er schwärmt von "ruhmgekröntem Blute".
Kavallerist der Operettenarmee
Als Kind ist er zart und überaus anfällig für Krankheiten. Er liebt Musik, Literatur und Architektur. Nichts scheint ihn zu einer Karriere beim Militär zu befähigen - außer dem Wunsch, für das Vaterland zu sterben. Nur 100.000 Mann darf das Heer des geschlagenen Deutschland nach dem Friedensvertrag von Versailles unter Waffen haben, dazu noch ist ihm verboten, die Streitkräfte mit Panzern und Flugzeugen auszurüsten. Claus wird Kavallerist, ein berittener Krieger im Zeitalter der Transatlantikflüge, Soldat der Operettenarmee eines Staates, den er verachtet. Von germanischem Heldentum geträumt wird trotzdem. "Dein Bild ist Sturm wie einst und Glut und brennt", schwärmt sein Bruder Alexander über den jungen Soldaten. "Und fließt in eins mit dem gekrönten Reiter - den unsre fernste Hoffnung König nennt."
Als Stauffenberg 1926 gedrillt wird, schreibt er seinem Vater, es sei "für unsereinen nicht leicht, längere Zeit hindurch den Gemeinen zu spielen". Die derben Vergnügungen der Kameraden bleiben ihm fremd. Immer wieder büxt er unter einem Vorwand ins "geheime Deutschland" aus. Dem Amerika-Verächter Kommerell - auch ein George-Jünger - schreibt er: "Wie wünschte ich Geliebter, dich umarmen zu können und für Minuten nur deinen Küssen und dem Hören deiner Worte da zu sein." Die Atmosphäre ist erotisch aufgeladen. George selbst ist ein Homosexueller mit einem Hang zu Teenagern, dem sein durchaus wohlgesinnter Biograf Thomas Karlauf den "ungeheuerlichen Versuch" bescheinigt, "die Päderastie mit pädagogischem Eifer zur höchsten geistigen Daseinsform zu erklären". Besorgt überzeugt sich Mutter Stauffenberg in den Anfangstagen der Verbindung ihrer Söhne zu dem Meister, dass nichts Unmoralisches geschehe. "Aber es ging nicht um Unzucht, sondern um Zucht", versichert Christian Graf von Krockow in seinem Stauffenberg-Buch.
Tatsächlich ist dem jungen Offizier stets bewusst, dass er heiraten und Kinder zeugen werde. Seiner künftigen Schwiegermutter sagt er, dass für einen Offizier eine Frau ein notwendiges Übel sei, um zumindest in Friedenszeiten dem Bedürfnis nach Familie und Nachwuchs zu entsprechen. Ganz so unterkühlt, wie das klingt, scheint seine 1933 geschlossene Ehe dann doch nicht zu sein. Ihn und seine Frau Nina verbindet eine große Liebe - und bald eine stetig wachsende Kinderschar. Dabei führt er eher eine Fernbeziehung. Zu Hause ist er anfangs in der Kaserne und von 1939 an im Krieg.
Er bewundert Hitler
Als die Wehrmacht Polen überfällt, schreibt er an Nina: "Die Bevölkerung ist ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk. Ein Volk, welches sich nur unter der Knute wohl fühlt. Die Tausenden von Gefangenen werden unserer Landwirtschaft recht gut tun." Im triumphalen Frankreich-Feldzug fühlt er sich "köstlich". Seinem Buchhändler in Wuppertal sagt er über Hitler: "Der Vater dieses Mannes war kein Kleinbürger. Der Vater dieses Mannes ist der Krieg." Ein größerer Ausdruck der Bewunderung ist in Stauffenbergs Gedankenwelt nicht vorstellbar.
Das alles macht ihn bei Weitem nicht zum Nazi. Aber Hitler war ihm - zumindest am Anfang - noch immer lieber als die Weimarer Republik. Als die erste deutsche Demokratie in den Jahren 1930 bis 1932 ums Überleben kämpfte, bildete Stauffenberg in nächtlichen Übungen SA-Leute aus. Er versprach sich von einer Machtübernahme der Nationalsozialisten die rasche Aufrüstung der Armee - und damit ein neues Selbstwertgefühl und wohl auch Karrierechancen.
Tatsächlich steigt Stauffenberg nach 1933 rasch auf; aber parallel dazu wachsen seine Zweifel. Die Pogrome gegen die Juden entsetzen ihn. Wie viele, die später zum Widerstand stoßen, sorgt er sich jedoch nicht nur um das Wohl der Verfolgten, sondern um das Ansehen und die Ehre des Vaterlands. Spätestens 1942 weiß er Bescheid über Massenmorde und Holocaust, beklagt das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten. Jetzt - spät, aber doch bevor der Krieg endgültig verloren ist - rückt er ab von seiner Haltung, dass mit den Nazis erst nach einem Sieg Deutschlands aufgeräumt werden solle.
Dann tut Stauffenberg es doch
Mehrfach zögern die Mitverschwörer im Sommer 1944, eine Bombe in Hitlers Gegenwart zu zünden - sie wollen das Attentat nur wagen, wenn dabei auch SS-Chef Heinrich Himmler stirbt. Dann tut Stauffenberg es doch. Und es hat um ein Haar geklappt. Viel ist darüber spekuliert worden, was nach einem Tod Hitlers geschehen wäre: Hätten die vielen Millionen, die im letzten Kriegsjahr gestorben sind, überlebt? Wären Dutzende Städte nicht zerbombt worden? Oder wäre Hitlers Tod von den Deutschen als neuer "Dolchstoß" aufgenommen worden - also als heimtückische Attacke auf die im Felde unbesiegten Streitkräfte? So war schon die Revolution von 1918 diffamiert worden.
Stauffenbergs Witwe Nina sagte einmal: "Auch wenn es gelungen wäre, weiß ich nicht, wie er das verkraftet hätte. Insgesamt war es für die Sache so, wie es gekommen ist, wohl das Beste." Es bleibt eine "symbolische Tat", wie Fest sie nannte. Ihr Scheitern lasse sie "in noch reinerem Licht hervortreten".
Stauffenbergs Tod ist eben nicht nur Ausdruck des Scheiterns, sondern auch die Erfüllung seines lange gehegten Wunsches, sich für das Vaterland zu opfern. An diesem Tag spielte die Ehre eine mindestens so große Rolle wie die Politik. Viele der Männer des 20. Juli spürten, dass sie mitschuldig geworden waren, dass Tapferkeit und Gehorsam dem Regime gegenüber sie in eine Sackgasse geführt hatten. Und wo es keinen anderen Ausweg gibt, da bleibt immer noch ein ehrenhafter Tod.
Der Widerstand war vielfältig
In vielen Gedenkreden zum 20. Juli wird betont, dass die Bombe in der "Wolfsschanze" nicht den gesamten Widerstand repräsentiere. Es gab etwa den einfachen Schreiner Georg Elser, der es 1939 im Münchner Bürgerbräukeller fast geschafft hat, Hitler zu töten. Stauffenbergs Freund Albrecht Mertz von Quirnheim, der mit ihm im Bendlerblock erschossen wurde, verlangte für Elser damals noch die härteste Strafe, "die sich die menschliche Phantasie überhaupt vorstellen kann". Die Männer des 20. Juli waren eben keine Widerständler von der ersten Stunde an.
Carl Friedrich von Weizsäcker, der Philosoph und Bruder des späteren Bundespräsidenten, hat die Helden unterschiedlichster Herkunft zum 20. Juli 1974 aufgezählt: "Unsere Erinnerung muss zu den Tausenden gehen, die an vielen Stellen ihren Widerstand mit dem Leben bezahlten, als Sozialisten, Kommunisten, als Liberale, Konservative, als Christen, als Deutsche, als Polen, Tschechen, Franzosen, Norweger, Griechen, zu den Millionen, die fast ohne Möglichkeit des Widerrufs nur Opfer waren, zuerst und zuletzt zu den Juden."
Natürlich muss sie auch zu Stauffenberg gehen. Nur darf der nicht für die "Gemeinsamkeit der Demokraten" vereinnahmt werden. Noch Wochen vor dem Attentat verfasste er mit seinem Bruder Berthold und einem Freund einen feierlichen "Schwur". Darin ist von Recht und Gerechtigkeit die Rede, aber auch davon, dass sie die "Gleichheitslüge" - also die Demokratie - verachten und sich vor den "naturgegebenen Rängen" verbeugen. Die Deutschen sieht Stauffenberg, trotz allem, als Führer des Abendlandes. Das ändert nichts an seinem Mut und seiner Tat. Aber wenn am Ende vom vielfältigen Widerstand nur ein Mann bleibt, nur Stauffenberg - dann ist er der falsche Held.