"Sachsen-Bashing" wolle er nicht betreiben, verspricht Jan Böhmermann zu Beginn seiner Sendung. Ein schwieriges Unterfangen, geht es doch um das Thema "Nazis in Sachsen" im "ZDF Magazin Royale" am Freitagabend.
Die Krawalle von Chemnitz, Pegida-Demonstrationen oder die Vorfälle bei der jüngsten "Querdenker"-Versammlung in Dresden haben den Freistaat in Verruf gebracht. "Sachsen ist ein Ort, an dem Nazis noch Nazis sein können", stellt Böhmermann fest – und will der Ursache für das Phänomen auf den Grund gehen.
Jan Böhmermann kümmert sich um "Nazis in Sachsen"
Die sieht Böhmermann bereits in den Nachwendejahren, als beispielsweise tagelange rassistisch motivierte Ausschreitungen in Hoyerswerda 1991 bundesweit für Entsetzen sorgten und Neonazis begannen, militante rechtsextreme Strukturen im Osten aufzubauen und ihr Gedankengut zu verbreiten. 2004 gelang gar der Neonazi-Partei NPD der Einzug in den sächsischen Landtag, heute macht rund jeder vierte Wähler sein Kreuz bei der AfD.
Sozialpsychologin Julia Schuler von der Universität Leipzig führt in der Sendung aus, dass das Problem des Rechtsextremismus in Sachsen von Politik und Behörden "verleugnet" worden sei. Es sei "unterschätzt" und "abgetan" worden. "Das hat ein Klima geschaffen, in dem es rechtsextreme Akteure relativ einfach hatten und es attraktiv gemacht wurde, Strukturen aufzubauen."
Böhmermanns vorläufiges Fazit: "So viel Fahrlässigkeit im Umgang mit Nazis über Jahrzehnte – das können wirklich nur Sachsen verbocken." Sachsen sei nicht zufällig zum "deutschen Superspreader für Nazis geworden", sagt er. Oder?
Eine ganze Reihe von Protagonisten habe den Ausbau der rechten Strukturen in Sachsen befördert oder zumindest nicht entschieden genug bekämpft, zählt der ZDF-Satiriker auf: Dazu gehören der in den frühen 90er Jahren führende Neonazi Michael Kühnen, die NPD-Politiker Holger Apfel und Jürgen Gansel, aber auch der sächsische Ex-Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU), der den Sachsen bescheinigte "immun" gegen den Rechtsextremismus zu sein, und die Chefs des sächsischen Verfassungsschutzes seit 1990, der laut Böhmermann "wichtigsten Behörde gegen Rechtsextremismus": Mathilde Koller, Eckehardt Dietrich, Reinhard Boos, Rainer Stock, Gordian Meyer-Plath, Dirk-Martin Christian.
Bonn, Hildesheim, Ludwigshafen, Saarbrücken, Reutlingen, Iserlohn, Karlsruhe – das sind nur einige der Geburtsorte der Akteure. Sie kommen allesamt aus dem Westen der Republik.
"ZDF Magazin Royale" zeigt eigentliches Problem auf
Der Rechtsextremismus in Sachsen ist damit Böhmermann zufolge auch ein importiertes Problem: "Die Wessis können das Nazi-Problem auf die doofen Ossis schieben. Die Ossis sagen: 'Wir haben hier nur so viele Nazis, weil wir uns von den Wessis benachteiligt und schlecht behandelt fühlen.' Und das gibt Wessis und Ossis gleichermaßen eine tolle Ausrede, warum man selber leider, leider nichts tun kann gegen Nazis."
Und auch Sozialpsychologin Schuler meint: Es ist nicht nur ein Problem, das im Osten Deutschlands existiert und es waren genauso wenig nur die westdeutschen Kader, die nach Ostdeutschland kamen und hier den Rechtsextremismus aufgebaut haben, sondern es sind bundesweit gut vernetzte Strukturen, die sich gegenseitig unterstützen."
Unter dem Titel "Nazis in Sachsen" lief die Ausgabe des "ZDF Magazin Royale" zwar, doch Jan Böhmermann hat aufgezeigt, dass das eigentliche Problem "Nazis in Deutschland" ist – ganz ohne "Sachsen-Bashing".